Die folgende Geschichte ist ungefähr tausend Jahre alt und hat vor zwei Jahrzehnten eine dramatische Wende genommen. Eine Wende zum Guten, muss man sagen, denn dass eine Tradition, auch wenn sie noch so viel Zeit am Buckel hat, die Welt automatisch besser macht, lässt sich mit Gründen bezweifeln.
Diese Geschichte also beginnt vor ungefähr tausend Jahren mit einem alten Keller in Stein an der Donau, auf dem 1424 ein Lesehof errichtet wurde, den seinerseits eine erkleckliche Zeit lang Benediktinermönche bewirtschafteten, bis im Jahr 1786 die Familie von Urban Stagård übernahm. Danach floss wieder einiges Wasser die Donau hinunter, konkret fast 220 Jahre lang – aber dann kam: die Wende.
„Bin ganz sicher kein Heiliger“
„Ich experimentiere halt gern“, gesteht Urban Stagård, der das Weingut gemeinsam mit seiner Frau Dominique übernahm (und dessen exotischer Nachname in den 1980er-Jahren mit Urbans Vater von Schweden an die Donau kam; der Vorname ist übrigens wirklich nicht vom gleichnamigen Weinheiligen inspiriert, „das war damals in Schweden einfach ein geläufiger Bubenname. Und außerdem bin ich ganz sicher kein Heiliger“ – sagt der Winzer).
Der Drang zum Experiment, zum Andersmachen führte nun also dazu, dass Urban im Jahr 2005 mit der Übernahme des elterlichen Weinguts gleich einmal zurück an die Weinbauschule ging („als ehemals schlechtester Schüler“) und dort den damals allerersten Bio-Zertifikatslehrgang überhaupt besuchte.
Von Schweden an die Donau
Die konsequente Entscheidung für den Bio-Weinbau basierte auf einer Geschmacksempfindung. Der Winzer hatte einst einige Jahre bei Wein&Co gearbeitet und war „völlig geflasht“ von den biologisch und biodynamisch produzierten Weinen, die er dort kennenlernte und die damals noch vor allem aus Frankreich kamen, aus dem Burgund vornehmlich – „und genau das wollte ich auch so machen“, also machte er es. Und zwar als Winzer in 10. Generation, ganz anders als die neun Generationen davor: biologisch, nachhaltig, ganz einfach und straight, aber dabei doch sehr, sehr eigenwillig.
Eine Liebe aus Deutschland
Schon zwei Jahre später kam der nächste Umbruch: die Liebe zum Riesling, der heute zwei Drittel des Stagård’schen Portfolios ausmacht. Entfacht wurde sie durch ein Kostpaket mit deutschen Spitzen-Rieslingen – solche Weine wollte Urban auch in Krems/Stein machen, wollte zeigen, dass auch dieser klare, straffe Stil an die Donau passt, dass er aus seinen Lagen Steiner Hund, Steiner Schreck, Grillenparz oder Pfaffenberg auch solche strahlenden, würzigen, eleganten Weine keltern kann. Das vehemente Kopfschütteln mancher Konkurrenten konnte Stagård locker ignorieren, denn erstens blieben die Erfolge bei Publikum und Kritik nicht lange aus, und zweitens „habe ich meine Weine immer schon für mich gemacht und nicht für die Konkurrenz.“
„Deshalb will ich heute für jedes Budget einen geilen Wein machen, der Charakter hat.“
Urbans Weine sind charakterstark, eigensinnig, aber zugleich durchaus zugänglich, auch dies hat seine Erfahrung als Weinhändler geprägt: „Ich habe damals erlebt, wie viele Leute es gibt, die zwar nicht das Geld haben für ganz große Weine, die aber doch einen besonderen Wein trinken wollen. Deshalb will ich heute für jedes Budget einen geilen Wein machen, der Charakter hat.“ Eine seiner Weinlinien heißt nicht umsonst „Handwerk“.
Noch näher zur Natur
„In Wirklichkeit musst du heute sowieso so naturnah wie möglich arbeiten, wenn du geile Weine machen willst.“
Im Jahr 2020 stellte Urban Stagård seinen inzwischen auf 17 Hektar gewachsenen Betrieb auf biodynamische Bewirtschaftung nach Demeter-Kriterien um, posaunt es aber immer noch nicht groß heraus. Denn es ist ihm mehr innere Einstellung als Botschaft nach Außen: „In Wirklichkeit musst du heute sowieso so naturnah wie möglich arbeiten, wenn du geile Weine machen willst. Es geht gar nicht anders. In der konventionellen Landwirtschaft bist du zu viel zu stark im Korsett des Pflanzenschutz- und Ertragssystems, da kannst du nie so schnell reagieren, wie du müsstest.“
„Wir müssen endlich begreifen, dass wir Wein verkaufen, nicht Alkohol.“
Gerade die vergangenen Jahre haben Urban ganz klar gezeigt, dass sich die Pflanzen ziemlich schnell auf die neuen (heißeren, trockeneren) Gegebenheiten einstellen können, während sich so manche Winzer:innen damit noch schwer tun. „Wir müssen endlich begreifen, dass wir Wein verkaufen, nicht Alkohol, und dass wir nicht stur warten müssen, bis die Zuckergradation hoch genug ist für irgendeinen Mindest-Alkoholgehalt.“ Aber so will es halt oft noch die Tradition. Man sollte sie brechen.