Rust ist ein idyllischer kleiner Ort am Neusiedlersee. Einen Namen hat er sich nicht nur als „Storchenstadt“, sondern auch als „Weinstadt“ gemacht. Zahlreiche Weingüter und urige Heurige machen diese Identität sichtbar – am liebsten würde man sofort irgendwo einkehren, so einladend wirken die kleinen Lokale in den alten Häusern und Gastgärten, von denen aus man in den wärmeren Monaten sicher auch den einen oder anderen Storch zu Gesicht bekommt. Das flüssige Aushängeschild der Weinstadt Rust ist die „Ruster Trilogie“: Weiß-, Rot- und Süßweine, die seit Jahrhunderten hergestellt werden. Ein Teil Geschichte.
Diese Geschichte erzählt auch das Weingut Conrad, ein alteingesessener Familienbetrieb, seit 1681 vor Ort. Seit dem Jahr 2000 leiten Brigitte Conrad und ihr Mann Dieter das Unternehmen. Seine Arbeit findet in den Weingärten und im Keller statt, Brigitte kümmert sich um den Verkauf und die Öffentlichkeitsarbeit: „Mir gehört der Wein, sobald er in der Flasche ist.“
„Die Reben stehen mindestens 40 Jahre im Weingarten, da kann man nicht auf eine Mode setzen, sondern muss sich überlegen, was längerfristig funktionieren kann.“
Neben dem Weingut führen die Conrads auch ein sympathisches Kaffeehaus, beide sind in einem der schönsten Häuser am Ruster Hauptplatz mit dem Kopfsteinpflaster untergebracht. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert, und wer sich ein wenig auskennt, erkennt sofort die Stilmittel der Zeit an der Fassade.
Herzblut im Ausbruch
Die Stilistik der Ruster Weine erkennen Connaisseurs wohl auch recht schnell. Sie werden in einem Mikroklima mit kalten, aber trockenen Wintern und heißen Sommern groß; der Neusiedlersee dient dabei als Wärmespeicher und Klimaregulator. Durch die Lage im Ruster Hügelland, das einem großen Kessel gleicht, sind die Weingärten gut geschützt.
Ausbruch
Das bezeichnet Süßweine, die aus edelfaulen Trauben hergestellt werden. Diese Edelfäule, auch „Noble Rot“ genannt, entsteht durch einen Pilz, der den Trauben Wasser entzieht, sie rosinenartig klein macht und den Zucker- und Säuregehalt reguliert, sodass die Weine intensiv aromatisch und süßlich schmecken. Weil diese eingeschrumpften Beeren händisch „herausgebrochen“ werden, spricht man vom Ausbruch.
Alle möglichen Sorten haben die Conrads im Sortiment, vom weißen Neuburger über den roten Blaufränkischen bis zum Sekt und Ruster Ausbruch, dem bekanntesten Edelsüßwein der Region. Wegen seiner außerordentlich hohen Qualität war er anno dazumal sogar Zahlungsmittel. „Es gibt seit 2017 sogar einen eigenen DAC Ruster Ausbruch. Da steckt unser ganzes Herzblut drinnen“, so Brigitte.
„Jeder Jahrgang hat eine ganz eigene Handschrift“
2008 haben die Conrads ihre fünf Hektar auf biologische Bewirtschaftung umgestellt. „Man ist dadurch viel mehr im Dialog mit den Weingärten. Bei Bio muss alles vorbeugend und schützend sein“, sagt Brigitte. Vorausschauendes Handeln ist im Weinbau sowieso gefragt, „die Reben stehen mindestens 40 Jahre im Weingarten, da kann man nicht auf eine Mode setzen, sondern muss sich überlegen, was längerfristig funktionieren kann.“ Als Rotweine geboomt haben, haben sie auch weiße Sorten angepflanzt, „damals haben uns die Leute teilweise für verrückt erklärt.“
„Jeder Jahrgang hat eine eigene Handschrift.“
Im Laufe der Zeit haben die Conrads gelernt, aus jedem Jahr das Beste herauszuholen. „Früher hat man einzelne Jahrgänge abgekanzelt, wenn man sie nicht so gut fand. Mittlerweile weiß man, dass das nicht sinnvoll ist, denn oft sind gerade die nicht so reifen Jahrgänge die interessanteren. Jeder Jahrgang hat eine eigene Handschrift.“ Und es obliegt dem Geschick und Gespür der Weinbäuerinnen und Weinbauern, aus dem vorhandenen Traubenmaterial das Optimum zu ziehen. Da besteht schon einiges an Spielraum.
Zusammen (nicht nur) gegen Raupen
Andere Spielräume ergeben sich in der Zusammenarbeit mit den anderen Weingütern aus der Stadt. „In Rust gibt es eine starke Gruppe von knapp 30 Betrieben. Seit Jahrzehnten machen wir gemeinsame Veranstaltungen, wie die Weinschätze im Frühjahr und die HerbstZeitLos im Herbst“, unser wichtigstes gemeinsames Projekt ist aber die „Verwirrung gegen den Traubenwickler“, sagt Brigitte – eine Maßnahme gegen die Raupenplage. Dabei werden Dispenser eingesetzt, die die Sexuallockstoffe der Traubenwicklerweibchen abgeben und so die Fortpflanzung der nächsten Generationen stark reduzieren. Das Nutzen von Synergien liegt den Weingütern im Blut, „es ist einfach sinnvoller, gewisse Marketingmaßnahmen gemeinsam zu stemmen.“
Auch in Zukunft soll das Weingut in Familienhand bleiben. Der Sohn ist zwar studierter Naturwissenschaftler, aber jetzt schon aktiv in das Geschehen miteingebunden. Er plant also hoffentlich keinen Ausbruch der anderen Art aus dem Burgenland.