Das Phänomen „Sober Curiosity“ („nüchterne Neugier“) feiert das Nüchternsein. Und all die positiven Effekte, die sich einstellen, wenn man keinen Kater mehr hat: bessere Konzentration, tieferen Schlaf, größeres allgemeines Wohlbefinden. Vor allem in der Generation Z gibt es viele Anhänger:innen dieser neuen Nüchternheit, bei der man entweder komplett oder phasenweise auf Alkohol verzichtet. Der Markt reagiert mit alkoholfreien Mocktails („to mock“ = nachahmen) und tonicartigen Getränken auf den Trend, denn ausgehen, feiern und tanzen wollen auch neugierige Nüchterne. Und Mineralwasser, alkoholfreies Bier und Cola werden irgendwann langweilig.
„Gerade diese Tonic-Getränke haben viele künstliche Aromen, synthetische Zusätze und Zucker“, sagt Anna Abermann. Ihre Antwort auf so viel Künstliches ist ausschließlich Natürliches – und zwar in Bio-Qualität, „alles frisch aufgebrüht vor Ort in der Produktion, nichts Konzentriertes, keine Farbstoffe, keine Geschmacksverstärker, kein Zucker.“ Die Produktlinie dazu nennt sich „bitterschön“. Sie ergänzt Annas Ursprungs- und Hauptproduktlinie Pona, den ersten sprudelnden Bio-Saft aus Österreich ohne Zucker, Zusatzstoffe und Konzentrate. 2014 war Pona eine kleine Revolution am überzuckerten Getränkemarkt.
„Alles frisch aufgebrüht vor Ort in der Produktion, nichts Konzentriertes, keine Farbstoffe, keine Geschmacksverstärker, kein Zucker.“
Konkurs nach einer Million verkaufter Flaschen
Das Unternehmen wuchs organisch. 2021 hatten Anna und ihr Team über eine Million Flaschen verkauft. Corona, die Inflation und Rezession haben Annas Haupteinnahmequelle, der Gastronomie, hart zugesetzt. Und zwar so sehr, dass sie 2023 Konkurs anmelden musste. Zudem beschloss sie, die dritte Produktlinie „Ich bin Was?er“ (stilles Quellwasser mit Bio-Früchten und Kräutern), für die sie keine Glasflaschen mehr bekam, einzustellen – genauso wie die vierte namens „TSSSCHK“, einem minimalistischen Soda-Getränk. Ein tiefer Einschnitt in die Unternehmensgeschichte, der einherging mit schmerzhaften Personalkürzungen.
„Viele sagten uns, dass sie glücklich sind, dass es uns noch gibt, weil sie zu unseren Produkten keine Alternative gefunden haben. Das ist schon ein schönes Kompliment.“
„Aber zum Glück konnten wir einen Neustart machen. Im Zuge dessen führen wir jetzt Pona und ‚bitterschön‘ weiter“, sagt Anna, die nun mit Wolfgang Fojtl, dem Eigentümer der Premium-Bio-Marke Verival, gemeinsame Sache macht. Die Stammkundschaft, die sie sich über das letzte Jahrzehnt aufgebaut hatten, atmete erleichtert durch. „Viele sagten uns, dass sie glücklich sind, dass es uns noch gibt, weil sie zu unseren Produkten keine Alternative gefunden haben. Das ist schon ein schönes Kompliment.“
Pona ist nach wie vor die Haupteinnahmequelle für Anna: „Pona ist und bleibt unser Hauptfokus und macht auch 90% unseres Umsatzes aus.“ Mit der „bitterschön“-Produktlinie will Anna vermehrt die Abendgastronomie und Bars ansprechen, wo auch immer mehr Gäste am Tresen stehen, die temporäre Abstinenz im „Dry January“ oder „Sober October“ praktizieren. Barkeeper-Legende Heinz Kaiser von „Dino’s Apothecary Bar“ in Wien ist schon Fan der bitteren Bio-Getränke.
„bitterschön ist wie ein Campari Orange ohne Alkohol.“
Wobei man sie nicht mal mixen muss, wie Anna sagt: „Das bitterschön kannst du einfach in ein schönes Glas gießen, Eis dazu, Orangenscheibe und Rosmarinzweig und du hast einen Drink. Es ist wie ein Campari Orange ohne Alkohol.“ Vor allem in der urbanen Lifestyle-Gastronomie im Osten Österreichs seien sie mit ihren beiden Produktlinien stark vertreten, der Westen wäre noch ausbaufähig. Im nächsten Schritt wollen sie klassischere Gastronomiebetriebe wie Wirtshäuser anvisieren.
Nur bestes Sauer macht glücklich
Die Rohstoffe für die beiden Getränkelinien müssen von Natur aus geschmacksintensiv sein, sonst geht sich das weder bei Pona noch bei „bitterschön“ aus. Der Geschmack hat daher für Anna oberste Priorität. Die Zitrusfrüchte – Primofiore-Zitronen, Tarocco-Orangen, Pink Grapefruits – kommen hauptsächlich aus Sizilien und die Äpfel aus Südtirol, „weil Südtirol das größte Anbaugebiet Europas mit dem größten Anteil an hochqualitativer Bio-Ware ist und unsere Apfelsäfte immer aus drei bis vier Apfelsorten bestehen, damit sie ein ausgewogenes Säure-Süße-Spiel und Komplexität haben.“
Immer wieder kommen Produzentinnen und Produzenten mit ihren Früchten und Gewürzen auf Anna zu. Auch die Limetten bezieht sie nun aus Spanien und nicht mehr aus Übersee, was sie sehr freut: „Dieser Limettenproduzent ist einfach auf mich zugekommen. Er meinte, wir würden gut passen, und ich wollte eigentlich absagen, weil ich schon einen anderen Produzenten hatte. Aber dann habe ich den Saft probiert und er war so viel besser als alle Limettensäfte, die ich jemals probiert hatte. Mit solchen Rohstoffen arbeiten zu können, macht einfach Freude.“