Seit mehr als 250 Jahren wird bei Esterházy Wein produziert – mindestens, denn die historischen Wurzeln reichen noch tiefer. Da denkt man zwangsläufig in historischen Maßstäben. „Ich will, dass jede unserer Pflanzen stark genug ist, um 100 Jahre alt zu werden“, sagt Frank Schindler, der das Weingut seit dem Sommer 2019 als Geschäftsführer leitet. Bei seinem Einstieg machte er eine interessante Erfahrung: „Wir waren de facto schon ein Bio-Betrieb, ohne dass wir eine Zertifizierung angestrebt hätten.“ Schindler holte das rasch nach, mit dem Jahrgang 2023 war die Umstellung komplett. „Bio bedeutet uns aber mehr als nur ein Logo auf der Flasche. Es bleibt ein Prozess. Auch nach fünf Jahren beobachten wir, dass die Pflanzen sich immer noch weiterentwickeln und gesünder werden. Wir erziehen die Reben langsam dazu, dass sie sich selbst heilen können.“
„Wir wenden den sanften Rebschnitt an, wir produzieren unseren eigenen Kompost und wir verzichten konsequent auf Bewässerung im Weingarten.“
Dabei sind für Schindler und seinen Kellermeister Robert Krammer eben auch Aspekte wichtig, die mit den amtlichen Bio-Richtlinien nur am Rande zu tun haben, beziehungsweise darüber hinausgehen: „Wir wenden den sanften Rebschnitt an, wir produzieren unseren eigenen Kompost und wir verzichten konsequent auf Bewässerung im Weingarten. Nur so gehen die Wurzeln wirklich in die Tiefe, nur so können unsere Weine das Terroir wirklich widerspiegeln, weil sie im Kalk wurzeln, im Schiefer, im Sandstein.“ Das Weingut Esterházy hat Rebanlagen in sechs Leithaberg-Gemeinden: in St. Margareten, Oslip, Eisenstadt, Rust, St. Georgen und Großhöflein, und kann so die ganze Vielfalt dieser Weinbauregion erschließen.
Dafür mussten Schindler und Krammer diese aber erst einmal gründlich erkunden. „Wir sind ja von außen in den Betrieb gekommen, ich als Deutscher, er als Südafrikaner. Aber wir haben das als Vorteil betrachtet – weil wir keine wie auch immer gefärbte Brille aufhatten, sondern einfach genau hingeschaut und uns gefragt haben: Wie geht es diesen Weingärten, wie funktionieren diese Lagen?“
Sie haben viel gelernt. Etliche Hektar wurden deshalb auch wieder auf- und abgegeben, statt über 100, wie einst, bewirtschaftet das Weingut heute 65 Hektar. „Wir haben in der Region viel Wind und wenig Niederschlag, das hilft uns, weil wir uns deswegen weniger Sorgen über Pilzerkrankungen machen müssen – wenn wir bei der Standortwahl unsere Hausaufgaben machen. Wir bewirtschaften heute etwa keine Weingärten mehr in der Ebene, sondern nur noch in ausgesuchten Mikroklimata. Dort haben wir einfach eine ganz andere Wasserversorgung.“
Projekt Wein
Die Vorreiterrolle, die das Weingut Esterházy vor 250 Jahren hatte, treibt Frank Schindler an. „Dafür muss unsere Lernkurve sehr steil sein.“ Zu dem Zwecke – als „Katalysator“, sagt er – hat Schindler eine Linie von „Projektweinen“ aus der Taufe gehoben. „Dabei sind wir nichts und niemandem verpflichtet, keiner Rebsortenstilistik, keiner Weinbaukonvention, nicht einmal der Marke Esterházy.“
„Nicht jedes Experiment gelingt, aber aus jedem kannst du etwas mitnehmen.“
In diesem Bereich wird experimentiert und geforscht und in limitierten Serien auch an die Öffentlichkeit gebracht – und jene Ideen, die sich als tragfähig erweisen, finden von dort auch ihren Weg in die klassischen Weinlinien des Hauses. „Wir betrachten es als Forschungsprojekt: Was kann eine Rebsorte? Was macht ein Grüner Veltliner, wenn wir ihn im Granitfass ausbauen, was ein Blaufränkisch, den wir wie einen Weißwein abpressen? Nicht jedes Experiment gelingt, aber aus jedem kannst du etwas mitnehmen.“
Und ja, Frank Schindler hat hier definitiv einen historischen Maßstab: Nicht nur fürs Leben lernst du, sondern für die nächsten zwei-, dreihundert Jahre.