Was, wenn wir eine Chemikalie in unserem Wein haben, die auf natürlichem Weg nicht abgebaut werden kann? Eine Chemikalie, die weder Sonnenlicht noch Mikroorganismen signifikant zersetzt? Eine Chemikalie, die, einmal in den Wasserkreislauf gelangt, dort für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte verbleibt. Eine dystopische Fantasie? Leider nein.
Eine aktuelle Studie von GLOBAL 2000 in Zusammenarbeit mit PAN Europe hat einen alarmierenden Anstieg der Ewigkeitschemikalie Trifluoressigsäure (TFA) in europäischen Weinen festgestellt. Die Untersuchung zehn alter Weine (Jahrgänge 1974–2015) und 39 rezenter Weine (Jahrgänge 2021–2025) aus zehn EU-Ländern, darunter auch Österreich, zeigt, dass TFA in Weinen vor 1988 nicht nachweisbar war, während neuere Jahrgänge (2021–2024) durchschnittlich 122 µg/l TFA enthalten – mit Spitzenwerten über 300 µg/l. Besorgniserregend ist zudem, dass höhere TFA-Gehalte mit einer größeren Anzahl und Konzentration synthetischer Pestizidrückstände einhergehen.

TFA entsteht als Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden und fluorierten Kältemitteln (F-Gasen) und gilt als extrem persistent. Einmal in die Umwelt gelangt, reichert es sich in Wasser, Böden und Pflanzen an und kann nicht mehr abgebaut werden. Neuere Studien deuten darauf hin, dass TFA auch im menschlichen Blut nachweisbar ist und potenziell fortpflanzungsschädigend wirkt.
„Die einzige Antwort kann nur ein höherer Bio- und biodynamischer Anteil im Anbau sein.“
Klare Haltung der Österreichischen Traditionsweingüter
Die Österreichischen Traditionsweingüter (ÖTW), ein Zusammenschluss von 90 führenden Weinbaubetrieben, sehen sich durch die Ergebnisse der Studie in ihrem Reglement bestätigt, das jeden Betrieb zur naturnahen Wirtschaftsform verpflichtet. Sie fordern, dass diese Verpflichtung nicht nur für landwirtschaftliche und weinbauliche Betriebe gelten sollte, sondern auch auf die Industrie und Haushalte ausgeweitet werden muss. Michael Moosbrugger, Geschäftsführer des Weinguts Schloss Gobelsburg und Obmann der ÖTW, betont.
„Gerade in Traditionsbetrieben und insbesondere im Weinbau sind wir uns der Langfristigkeit unseres Tuns bewusst. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Vorgenerationen achtsam mit den Böden umgegangen sind, und wir tun das Gleiche mit Blick auf unsere Nachkommen.“

Die ÖTW betonen, dass ein naturnahes Wirtschaften auf allen Ebenen notwendig ist, um die Qualität der Weine und die Umwelt zu schützen. Sie begrüßen eine kritische Auseinandersetzung mit Produktionsprozessen, sofern sie differenziert, wissenschaftlich fundiert und lösungsorientiert geführt wird. Karl Fritsch, dessen Weingut am Wagram seit Jahren biodynamisch zertifiziert ist, erklärt: „Kein vernünftig denkender Betrieb verwendet heutzutage noch Pestizide oder Herbizide. Wir stimmen der Forderung von GLOBAL 2000 zu, dass PFA-haltige Produkte insgesamt vom Markt verschwinden müssen, um unseren Kindern und Enkeln trinkbares Wasser und unbelastete Böden für die Produktion von Lebensmitteln übergeben zu können.“
„Unsere Ergebnisse sind beunruhigend. Eine so hohe TFA-Konzentration im Wein weist darauf hin, dass sich TFA in Pflanzen offenbar massiv anreichert. Wir nehmen wahrscheinlich wesentlich mehr TFA über die Nahrung auf als bisher angenommen.”
Vorsorgeorientiertes Regulierungskonzept gefordert
GLOBAL 2000 fordert ein sofortiges Verbot von PFAS-Pestiziden und F-Gasen sowie ein umfassendes Monitoringprogramm für TFA in Lebensmitteln. Die Organisation betont die Notwendigkeit eines vorsorgeorientierten Regulierungskonzepts, das bestehende toxikologische Datenlücken und potenzielle Gesundheitsrisiken – auch für Kinder – berücksichtigt.
Die Debatte rund um die TFA-Belastung im Wein rückt die Frage nach umweltverträglichem Wirtschaften in den Fokus – nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in Industrie und privaten Haushalten. Die Untersuchung von GLOBAL 2000 und die Stellungnahme der Österreichischen Traditionsweingüter machen deutlich, wie eng Umweltqualität und Produktionsmethoden miteinander verknüpft sind.