Manchmal stellt das Schicksal schon sehr früh seine Weichen. So wie bei Carmen und Hermann Resch, deren Kennenlerngeschichte wohl konkurrenzlos ist. Denn die beiden kamen gewissermaßen bereits am Beginn ihrer mittlerweile 41-jährigen Leben zusammen, und zwar im Säuglingszimmer des Krankenhauses Krems, wo sie im Frühjahr 1984 im Abstand weniger Tage das Licht der Welt erblickten.
Gefunkt hat es zwischen den zwei Bauernhofkindern dann viele Jahre später – wieder in Krems, diesmal aber auf dem Bauernmarkt. Inzwischen hat das einstige „Säuglingspärchen“ selbst vier Kinder und betreibt gemeinsam „Reschs Sonnenwelt“ als Bio-Hof. Einen landwirtschaftlichen Betrieb, den Hermanns Vorfahren in der exponierten Lage auf dem Wachauer Bergrücken schon vor mehr als 300 Jahren bewirtschafteten.
Dass Carmens und Hermanns „Sonnenwelt“ heute vor allem für herausragenden Ziegenkäse bekannt ist, geht auf eine weitere glückliche Fügung zurück. Denn zunächst grasten auf ihrem Bio-Hof nur Pinzgauer und Jersey-Rinder die steilen Wiesen ab. Sie bekamen erst Gesellschaft, als ein befreundeter Bauer, der in den 80er-Jahren mit seinen Ziegen von Vorarlberg ins Waldviertel übersiedelt war, in Pension ging und einen neuen Platz für seine Tiere suchte: „Er rief mich an, und ich sagte: Prinzipiell gern, aber nur zum Streicheln kann ich 20 Ziegen nicht nehmen“, erinnert sich Carmen.
Also übersiedelten nicht nur die Tiere, sondern der Ziegenkäse-Spezialist aus dem Ländle überließ seinen Freunden auch sein ganzes Equipment und die uralten Käse-Rezepturen.
„Die ältesten Teile unseres Betriebes sind 300 Jahre alt, die jüngsten 100. Da sind wir natürlich ständig am Umbauen und Adaptieren.“
Türöffner in die große Stadt
Das war der Startschuss zur Ziegenkäseproduktion in der „Sonnenwelt“. Aus den 20 Ziegen von damals ist inzwischen eine bunt gemischte Herde von mehr als 100 Tieren geworden, der Ziegenfrischkäse ist heute das Haupt- und Vorzeigeprodukt der „Sonnenwelt“, und die verschiedenen Käsesorten aus Ziegen- und Kuhmilch haben inzwischen auch den Sprung in die Wiener Gastronomie geschafft – vom „Palmenhaus“ beim Burggarten bis ins Restaurant „Zum Roten Bären“ im 9. Bezirk: „Damit hat sich für mich ein Herzenswunsch erfüllt, nämlich über den regionalen Rahmen mit Hofladen und Bauernmarkt hinaus mit unseren Produkten nach Wien zu kommen. Ich habe dort durch Studium und Arbeit zehn Jahre lang gelebt, ich war gern in der Stadt, und es freut mich deshalb sehr, dass ich jetzt jede Woche nach Wien fahre“, sagt Carmen.
Der Türöffner in die große Stadt war eine weitere glückliche Fügung gewesen. Ein Ziegenbauer, der seine Herde krankheitsbedingt abgeben musste, überließ den Reschs nämlich mit den Tieren auch gleich seinen Kundenstock in Wien, wo Carmen einst an der Universität für Bodenkultur „Ökologische Landwirtschaft“ studiert hatte.
„Den Bio-Gedanken trage ich schon von klein auf in mir. Schon mein Opa hat Kunstdünger und Spritzmittel abgelehnt, und somit bin ich sozusagen schon als Kind auf einem inoffiziellen Bio-Bauernhof aufgewachsen.“
Bio als Gütesiegel und Grundhaltung
Ein Studium, das Carmen darin bestätigte, die „Sonnenwelt“ offiziell als Bio-Betrieb zertifizieren zu lassen. Womit sie bei ihrem Mann Hermann ohnehin offene Türen einrannte. Denn der hatte in seiner Ausbildung am Francisco Josephinum Wieselburg schon freiwillig die Fächer belegt, die sich mit biologischer Landwirtschaft befassten – zu einer Zeit, in der es Bio halt auch gab, aber eben nur als Nischensegment, das kaum jemand ernst nahm.
„Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir ein Label brauchen für das, was wir machen. Denn du kannst nicht jedem einzelnen Menschen die Geschichte zu den Produkten erzählen, vor allem dann nicht, wenn du den Schritt aus dem regionalen Vertriebsnetz hinaus machst“, erklärt Carmen. Wobei dieser Schritt ein leichter war. Zum einen entsprach er der Grundhaltung von Carmen und Hermann, zum anderen mussten sie nur offiziell machen, was sie auf ihrem Hof längst lebten: „Ehrlich gesagt könnte ich es mir anders gar nicht vorstellen, als biologisch zu arbeiten“, sagt Carmen.
Sonnenenergie trifft Tradition
Und das ist nicht nur einfach dahingesagt, sondern gelebte Praxis. Die „Sonnenwelt“ ist ein reiner Heumilchbetrieb, in dem Kühe und Ziegen ausschließlich natürlich ernährt werden, ohne Kraftfutter oder Silage. Die Ställe, die im jahrhundertealten Anwesen modernisiert werden, sind sonnendurchflutet und aus Holz, und der Hof ist längst auf Sonnenenergie umgestellt. Es sind oft die Kleinigkeiten, die tief blicken lassen. Wenn Carmen ihre Kühe und Ziegen zum Beispiel „die Damen“ nennt. Dann weiß man, dass die Tiere auf diesem Sonnleiten genannten Flecken Erde tatsächlich ein schönes, ja, sonniges Leben führen dürfen. Und das schmeckt man dann halt auch im Käse, der ihrer Milch entspringt.