Bis 2015 wurde im Familienweingut Frühwirth konventionell gearbeitet. Dann übernahm Hans von seinem Vater, das war kurz nachdem eine offenbar verunreinigte Charge eines Spritzmittels mehrere Weingärten getroffen hatte. Die Triebspitzen starben ab, das Wachstum kam zum Stillstand und auf etwa zwei Hektar blieb der Ertrag aus. „Das war der Weckruf“, sagt Hans.
Ihm wurde klar: „Ich will nicht weiter mit Mischungen arbeiten, deren genaue Inhaltsstoffe und Wirkungen auf unsere Körper, den Boden und die Rebe ich nicht kenne.“ Die Konsequenz: biologische Bewirtschaftung, Begrünung, natürliche Präparate – und, allem voran, der Blick auf den Boden.
Bio-Paradoxon und Prophylaxe
Bio verändert den Rhythmus im Jahr. „Das Paradoxe an Bio ist, dass man häufiger ausbringt“, sagt Hans. Biologische Präparate – von Pflanzenextrakten über Gesteinsmehle bis zu Algenprodukten und Molke – wirken als Kontaktmittel auf der Blattoberfläche. Weil sie nicht in die Saftbahnen eindringen, muss nach Regen nachgelegt werden; kurative, systemisch wirkende Mittel kommen nicht zum Einsatz. Also arbeitet man präventiv. Man spritzt regelmäßig und achtet auf luftige Laubwände, vitale Begrünungen und eine stabile Nährstoffversorgung. „Dafür weiß man ganz genau, was man ausbringt. Böse Überraschungen gibt es keine.“
Aber viele Sorten.
Das breite Sortiment ergibt sich aus der Thermenregion selbst – zwei Welten, nur neun Kilometer voneinander entfernt. Im Westen, der Wienerwald-Gegend, sind die Lagen kühler und die Böden fruchtbarer: ideale Bedingungen für Burgundersorten, Rotgipfler oder Muskateller.
Im Osten, dem kargen Steinfeld, sind die Böden trocken und humusarm – dort fühlen sich die Roten wohl. Historisch wollten die Heurigen ihre Weinkarten mit den eigenen Weinen abdecken; so entstand der große Sortenspiegel der Region. Rund 15 Sorten wachsen heute bei Frühwirth, besonders typisch ist der Rotgipfler, eine Spezialität, die es nur hier gibt.
Das Rotwein-Problem
Die Vielfalt federt Risiken ab. „Betriebe, die ausschließlich Rotwein machen, kämpfen gerade enorm“, sagt Hans. „Auch wir spüren das im Verkauf.“ Gefragt sind leichtere, frischere Weißweine – und Alkoholfreies wie Verjus oder Traubensäfte.
Weine ohne Alkohol bietet Hans derzeit nicht an. Die vollständige Entalkoholisierung ist sehr energieaufwendig, und dem entalkoholisierten Wein wird fast immer Traubensaft zugesetzt. „Der Geschmack bei den alkoholfreien Weinen kommt hauptsächlich von den Zusatzprodukten“, sagt Hans.s
Vom Buschenschank zum Presshaus
Das Weingut gibt es seit den 1970er-Jahren. Hans’ Großvater setzte damals auf Qualitätswein, 1992 übernahm der Vater und baute groß um. Aus dem kleinen Buschenschank mit Aufstrichen und Brot wurde ein Heuriger mit richtiger Speisekarte.
2003 kaufte die Familie die Halle, die gegenüber freigeworden war und baute sie zu einem deutlich größeren Presshaus und Lagerkeller um. 2012 kam, für Verkostung und Ab-Hof-Verkauf, eine Vinothek dazu. Heute vertreibt das Weingut seine Weine außerdem über eine Handvoll kleinerer Händler. Einmal im Monat wird in die Bundesländer ausgeliefert. Wein on demand, sozusagen.
Regenerativ denken
Am liebsten ist Hans der Moment im Dezember, wenn die fertig vergorenen Weine abgezogen werden. „Da siehst du den Jahrgang zum ersten Mal im Ganzen – und wie du gearbeitet hast.“ Was im Glas ankommt, beginnt im Boden. Seit einigen Jahren beschäftigt sich Hans intensiv mit regenerativer Landwirtschaft.
Im Weinbau gibt es Fahrgassen zwischen den Reihen, die oft ungenutzt bleiben. Wir begrünen diese Fahrgassen, bauen Humus auf, versorgen den Boden mit Mikronährstoffen und verbessern so das Bodenklima. „Ein spannendes Thema, das in vielen Weingütern noch nicht angekommen ist“, sagt er. „Ich bleib da dran.“