„Kratzete“ ist etwas typisch Schwäbisches, das gern als Beilage zu Spargel gegessen wird und einem Kaiserschmarrn sehr ähnlich ist. Eine der süßen Varianten kommt in Begleitung von Apfelmus. So auch im Gerbehof. Und zwar jeden Morgen aufs Neue, frisch zubereitet von Chefin Ursula Wagner. Die Bio-Äpfel für das Mus sind dabei die eigentlichen Stars: Sie wachsen auf den Bäumen im eigenen Garten zu Früchten heran, die dann auf unzählige Arten veredelt werden.


„Die Energie kommt aus der eigenen Hackschnitzelanlage, die mit Miscanthus (Chinaschilf) vom eigenen Acker und Holzabfällen bestückt wird, der Strom aus Wasserkraft und auf dem Dach haben wir eine Photovoltaik-Anlage.“
Wobei „Garten“ vermutlich das falsche Wort ist. Schließlich gehören circa 30 Hektar Land in Bodensee-Nähe zum Gerbehof. Neben Apfelbäumen gibt es auch solche mit Birnen, alles bio. Der Biodiversität wegen finden sich hier und da Blühstreifen. „Ich lieb’s im Frühjahr am meisten, da ist dann alles rosa und es riecht so schön“, sagt Ursula. Der Gerbehof, wie er sich heute präsentiert – mit Landhotel, Ferienwohnungen, Pension, Reithalle, Pferdestall und Obstplantagen –, ist seit 2016 zu 100 Prozent bio-zertifiziert. Außerdem komplett energieautark.
„Den Großteil der Betriebe und Höfe, von denen wir unsere Produkte beziehen, kennen wir persönlich.“

Aber zurück zum Frühstück. Für ein familiengeführtes Hotel in Friedrichshafen, wo gut bezahlte Industriejobs wesentlich höheres Ansehen genießen als solche in der Gastronomie – eine Tatsache, die den Fachkräftemangel in der Tourismusbranche vor Ort erklärt –, ist das Morgenbuffet beachtlich. „Den Großteil der Betriebe und Höfe, von denen wir unsere Produkte beziehen, kennen wir persönlich“, sagt Ursula. Es sind Produzentinnen und Produzenten aus der Umgebung, viele von ihnen sind nicht „nur“ bio-zertifiziert, sondern auch gemeinwohlorientiert, wie der Lehenhof, eine Einrichtung der Behindertenhilfe. Von dort kommt der Käse in Demeter-Qualität. Der Tee ist teilweise selbst gesammelt und getrocknet oder von Sonnentor, das Brot und Gebäck von Bäckereien aus der Nähe.
„Beim Gemeinwohl geht es um uns alle, und wir alle sind Teil der Natur. Viele vergessen das, aber wir müssen achtsam und wachsam mit der Natur umgehen – genauso wie mit uns selbst. Die Natur kommt ohne uns aus, aber wir nicht ohne sie.“
„Die Natur kommt ohne uns aus“

Stichwort Gemeinwohl: Seit fünf Jahren gehört der Gerbehof zu jenen Unternehmen, die sich der Gemeinwohlökonomie verschrieben haben. Ein Wirtschaftsmodell, das nicht in erster Linie nach Profit strebt, sondern sich dem Gemeinwohl verpflichtet. Soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde, Transparenz und Mitbestimmung sind Grundpfeiler dieser Gesinnung, nach der dann auch bilanziert wird. „Wir haben uns dazu entschieden, da mitzumachen, weil es eine gute Gelegenheit ist, um den Betrieb zu durchleuchten und festzustellen, was man noch besser machen könnte“, sagt Ursula.
Die Umstellung ist nicht ohne. Aber die Wagners empfinden sie als richtig. „Beim Gemeinwohl geht es um uns alle, und wir alle sind Teil der Natur. Viele vergessen das, aber wir müssen achtsam und wachsam mit der Natur umgehen – genauso wie mit uns selbst. Die Natur kommt ohne uns aus, aber wir nicht ohne sie.“
„Zu Zeiten von BSE wollten alle Bio-Fleisch haben, aber kaum war das vorbei, kaufte man wieder Billigware.“


Früher wurde am Gerbehof auch Vieh gehalten. Aber irgendwann konnten die Wagners das Fleisch nicht mehr verkaufen. „Zu Zeiten von BSE wollten alle Bio-Fleisch haben, aber kaum war das vorbei, kaufte man wieder Billigware“, sagt Ursula. Neben dem extensiven Bio-Frühstück gibt es auch abends Küche, von Montag bis Freitag ein Gericht pro Tag, schließlich schmeißt die Familie den Laden quasi allein und jeder hilft überall mit. Wild in allen Spielarten bereitet Ursula am liebsten zu, das resultiert aus der Tatsache, dass es in der Familie vier Personen gibt, die gern jagen gehen – ihr Mann, ihr Sohn, ihre Tochter und der Schwiegersohn. Vegetarisches und Veganes kommen dennoch nicht zu kurz. Auch Basenfasten-Wochen bietet das Hotel an. Gesundheit ist auf dem Gerbehof überhaupt ein zentrales Thema. „Ich sag den Gästen immer: Es heißt Lebensmittel und nicht Sättigungsmittel. Da steckt das Leben schon drinnen.“



















