In Wien gibt es ein Gefühl, das sich Endstation Sehnsucht nennt. Es bezieht sich auf die finale Haltestelle der Straßenbahnlinie 43 (Neuwaldegg) und rührt von dem legendären Gasthaus her, das hier steht, direkt an der Wendeschleife der Bim: Pichlmaiers zum Herkner. Wenn man in der Bundeshauptstadt von gastronomischen Legenden spricht, fällt dieser Name meist recht schnell, auch wenn er ein bisschen kompliziert klingen mag. Aber die Geschichte des Hauses ist es ja auch.
Nah am Original
Seit 1890 existiert hier eine Gastwirtschaft. Sie war schon Weinhaus, Heuriger und Ausflugslokal, und spätestens seit der Zeit des Heinz Herkner in den 1980er- und 1990er-Jahren eine prägende Adresse für die Erneuerung des Wiener Gasthauses aus dem Geiste der Tradition.
Nach dem frühen Tod des Herrn Herkner und einigem Hin und Her kam es schließlich in den Besitz der Familie Schneeweiss, die seit Generationen in Neuwaldegg ansässig ist und sich wünschte, dass der Herkner der Herkner bleibe, aber doch auch in die neue Zeit herüberfinde.
Also wurde sehr intensiv, aber nah am Original restauriert und für den operativen Betrieb ein Dreamteam gefunden: Martin und Christiane Pichlmaier, die seit Anfang 2016 Pächter:innen und Namenspatron:innen von Pichlmaiers zum Herkner sind.
Ewige Legende
Seit der Restaurierung ist in dem Schmuckstück an der Dornbacher Straße 123 auch im oberen Stockwerk Gasthausbetrieb. Die alten Bassenas in den Zwischengängen zeugen noch von der Wohnsituation, die damals hier vorherrschte, wobei der Blick auf den Pawlatschengarten auch schon in der Altwiener Zeit ein hervorragender gewesen sein muss.
„Wir Pichlmaiers fänden es ja besser, wenn wieder alles einfach gut wär.“
Die Bretschneider-Schank und der alte Gastraum im Erdgeschoss sind derweil geblieben, was sie stets waren. Und der Herkner natürlich auch: „Eine ewige Hernalser Legende aus einer Zeit, in der man sich die Löcher in den Jeans noch ehrlich erarbeitet und erstürzt hat. Eine Zeit, in der alles gut war – und nicht alles besser. Wir Pichlmaiers fänden es ja besser, wenn wieder alles einfach gut wär. Das ist es, woran wir jeden Tag arbeiten“, sagt das Paar.
Gerichte, die Gefühle transportieren
Derzeit arbeiten Martin und Christiane Pichlmaier mit großem Engagement daran, sich in die Zukunft hinüberzuschwingen. Dabei bleiben sie mit mindestens einem Bein in der Tradition stehen, alles andere wäre auch halsbrecherisch. Aber der Schwung geht eben doch in die neue Zeit: in Richtung Nachhaltigkeit und biologisch-ökologischer Bewusstseinsbildung. Sie haben dafür auch einen schönen Begriff gefunden: „Hernalser Seelenessen“. Ja, genau das ist es: einfache, feine Zutaten mit guter Herkunft, die einen Geschmack transportieren und ein Gefühl.
„Einfache, feine Zutaten mit guter Herkunft, die einen Geschmack transportieren und ein Gefühl.“
Küchenchef Roman Artner prägt das Haus mit seiner sehr speziellen, trotzdem im Geiste gutbürgerlichen Autorenküche: Natürlich gibt es hier das idealtypische Schnitzel oder großmuttermäßig köstliche Krautfleckerl, aber eben auch Zunge und Bries mit Artischocke und Kren, marinierte Fjordforelle mit Tamarillo – und außerdem noch ein angenehm vielfältiges, sehr spezielles vegetarisches Angebot (ein Beispiel unter vielen: Teigtaschen mit Bärlauch, Mais und Salzzitrone).
„Die Zeit ist reif“
Doch die Pichlmaiers gehen noch einen Schritt weiter. Man packt es an, man setzt ein Zeichen, man macht es einfach – und stellt möglichst weitreichend auf Bio-Lebensmittel und -Getränke um. Was sich Martin Pichlmaier einfacher vorgestellt hatte, als es letztendlich war. Denn natürlich verändert sich damit die Kalkulation für den Wirt ganz erheblich, diese ist bei einem Gasthaus dieser Größe (120 Sitzplätze, 13 Mitarbeiter, starkes Wochenendgeschäft) keine Kleinigkeit. Auch beim klassischen Kalbswiener auf Bio umzurüsten, ist eine ganz schön große Herausforderung. Trotzdem: „Die Zeit ist reif, wir sehen das als unsere Aufgabe. Es ist der richtige Weg.“ Die Endstation ist in dem Fall wohl nie ganz erreicht, aber der Weg allein erscheint doch schon als lohnendes Ziel. Und sei es für einen Wochenendausflug hinaus nach Neuwaldegg.