Mit über 150 regionalen Brotsorten kann man es ruhig sagen: Österreich ist ein Brotland. Ja, es kursiert sogar der Terminus der „Roggennation“, weil: Österreich, Roggenbrot und so. Die Sache ist nur die: Dem Brotland gehen die Bäcker:innen aus. Gab es im Jahr 2005 österreichweit noch rund 1920 Bäckereien, waren es im Jahr lediglich 1024. Das entspricht einem Rückgang von 46 Prozent.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Es fehlt der Nachwuchs, der in Zeiten von Work-Life-Balance nicht viel davon hält, von 23 Uhr bis sechs Uhr morgens harte körperliche Arbeit zu verrichten. Die gestiegenen Preise für Getreide und Energie bringen viele Kleinbetriebe zusätzlich in Bedrängnis. Auch, weil die großen Supermarktketten in den vergangenen 20 Jahren Brot für sich entdeckt haben – und mit den sogenannten „Backshops“ unser aller Broteinkaufsverhalten veränderten.
Brot kaufen viele von uns – manche Quellen gehen von über 80 Prozent der Bevölkerung aus – nicht mehr beim Bäcker, sondern im Zuge des Einkaufs im Supermarkt. Vom „Bergsteigerbrot“ über das „Proteinweckerl“ bis hin zum „Dachsteinbrot“ – das alles geht in den Backshops weg wie warme Semmeln, während die kleine Dorfbäckerei von nebenan längst zugesperrt hat.
Über die Jahre haben die großen Supermarktketten ein hocheffizientes System rund um die knusprigen Laibe aufgebaut. So sehr, dass immer wieder der Vorwurf erhoben wird, die sogenannten Teiglinge – also die geformten Stücke rohen Brot- oder Gebäckteigs – würden aus China kommen. Stimmt das?
Chinesische Teiglinge: ja oder nein?
Die kurze Antwort lautet: nein. Gaumen Hoch hat bei den vier großen Supermarkt-Ketten nachgefragt. Die Antworten von Hofer, Rewe Group (dazu gehört etwa Billa), Lidl und Spar lesen sich ziemlich identisch: „Die Teiglinge, die bei SPAR aufgebacken werden, sind aus Österreich. Wir würden niemals chinesisches Brot verkaufen, das wäre ja widersinnig!“, stellt etwa Spar klar.

Genauso widersinnig findet das die Rewe Group, zu der Billa und Billa Plus gehören: „Wir beziehen die Teiglinge von österreichischen Bäckereien. Die Ware für unsere Ja!Natürlich-Produkte, die mittlerweile den überwiegenden Teil unseres Backwaren-Sortiments ausmachen, werden auch ausschließlich mit österreichischem Getreide produziert. Unabhängig von unserem klaren Bekenntnis zu österreichischen Getreidebäuerinnen und -bauern und deren Produkten: Eine solche Lieferkette nach Fernost – Lagerung und Transport miteinberechnet – wäre enorm teuer, da die Ware permanent tiefgekühlt werden müsste.“
„Tatsächlich hält sich das Gerücht rund um Teiglinge aus China hartnäckig, entspricht aber selbstverständlich nicht der Wahrheit. Bei uns werden und wurden niemals Teiglinge aus China verkauft.“
Lidl sieht sich offenbar nicht zum ersten Mal mit diesem Thema konfrontiert und stellt klar:
„Tatsächlich hält sich das Gerücht rund um Teiglinge aus China hartnäckig, entspricht aber selbstverständlich nicht der Wahrheit. Bei uns werden und wurden niemals Teiglinge aus China verkauft. Im Gegenteil: Beim Sortiment setzen wir bewusst auf heimische Traditionsbetriebe (wie beispielsweise Ankerbrot oder die Backwelt Pilz.), die ihre Rohstoffe ausschließlich aus Österreich beziehen – wie z. B. 100 Prozent Getreide aus Österreich, 100 % gemahlen in heimischen Mühlen und 100 Prozent hergestellt in Österreich. Unsere ofenfrischen Semmerl kommen ebenfalls zu 100 Prozent aus Österreich und sind allesamt AMA-zertifiziert. Internationale Klassiker runden unser breites Angebot ab und werden je nach Lieferant ebenfalls in Österreich oder benachbarten EU-Ländern produziert.“

„Rund 80 Prozent der HOFER BACKBOX Artikel stammen aus Österreich, hier gibt es eine starke Einbindung von heimischen Traditionsbetrieben.“
Ähnlich klingt das bei Hofer:
„Rund 80 Prozent der HOFER BACKBOX Artikel stammen aus Österreich, hier gibt es eine starke Einbindung von heimischen Traditionsbetrieben. Und auch die restlichen 20 Prozent stammen aus EU-Ländern – großteils aus Deutschland. Transparenz wird bei HOFER großgeschrieben. Dementsprechend loben wir – unabhängig von rechtlichen Vorgaben – alle Hersteller:innen und Ursprungsländer in unseren HOFER Filialen aus.“
Teiglinge aus China sind also – schenkt man den Kommunikationsabteilungen der großen Supermarktketten in Österreich Glauben – ein Mythos. Und doch: Dass sich ein Gerücht wie dieses so hartnäckig gehalten hat, zeigt: In Sachen Brot herrscht offenbar nicht ausreichend Transparenz. Gerade wenn es um Feinheiten geht – wie etwa Enzyme.
Ehrliches Brot als Gegenentwurf
Enzyme sind hilfreiche Eiweiße, die bestimmte chemische Abläufe im Teig schneller und einfacher machen. Die Backindustrie kann damit also die Herstellungsprozesse bei der Brotproduktion beschleunigen. Das bedeutet auch: Brot kann günstiger gebacken werden. Außerdem werden Enzyme gezielt dafür eingesetzt, um die Bräunung eines Brots gleichmäßiger, den Teig fluffiger oder die Kruste knuspriger zu machen.

Für die effizienzgetriebene Backindustrie sind Enzyme ein wahrer Segen: Sie müssen nicht gekennzeichnet werden, weil sie lediglich als „Verarbeitungshilfsstoffe“ gelten. Ob und welche künstlichen Enzyme also in einem Brot verwendet werden, muss auf der Zutatenliste nicht deklariert werden, weil sie lebensmittelrechtlich im – gebackenen – Endprodukt keine Wirkung mehr entfalten. Das bedeutet: Sie wurden durch das Backen zu Eiweiß, das der Körper wie alle anderen Proteine verdauen kann.
Ob zugesetzte Enzyme gesundheitliche Nachteile haben, ist noch nicht ausreichend erforscht. Und so sehr die Backindustrie auf Enzyme angewiesen ist: Niemand sagt, dass nicht auch kleine Bäckereien auf sie zurückgreifen. Schließlich sind auch sie durch den Kostendruck von allen Seiten auf Effizienz angewiesen.
Und doch: Kleine Bäckereien mit qualitativem Anspruch können genau diese mangelnde Transparenz für sich nutzen. Indem sie Konsument:innen klar machen, was sie anders machen als die Backindustrie – und ganz ohne künstliche Beschleunigungsmittel arbeiten. Die Fragen, ob Teiglinge aus China aufgebacken werden oder ob Enzyme dem Teig zugesetzt werden oder nicht, stehen letzten Endes sinnbildlich für eine viel größere Frage, die da lautet: Was ist uns heute, in Zeiten allgegenwärtiger Backshops, Brot wirklich wert?