Pflanzen sind verwurzelt in der Erde. All die Teile, die aus dem Boden herausragen, sind Wind, Wetter, Hitze und anderen äußeren Einflüssen ausgeliefert. Davonrennen können sie nicht, mit Worten argumentieren ebenso wenig. Aber dennoch kommunizieren sie mit ihrer Umgebung, und sie sind auch in der Lage, sich zu schützen – durch diverse Stoffe, die sie dann aussenden. Man muss kein großartiges botanisches Wissen haben, um die Grandezza von Pflanzen zu sehen. Weinbau muss man ebenso wenig betreiben. Aber in diesem Fall kommt man dem wahren Wesen der Pflanzen ziemlich nah.
So wie Bernhard Stadlmann. In Traiskirchen, das zum Weinbaugebiet der Thermenregion gehört, kümmert er sich um zwanzig Hektar Weingärten, die eine lange Historie haben. Das Weingut Stadlmann gibt es seit 1780, er betreibt es in achter Generation. Rotgipfler und Zierfandler sind berühmte regionaltypischen Sorten und auch die Weine, die als Signatures von Stadlmann gelten. Als elegant, tiefgründig, komplex und von unvergleichlicher Dichte bezeichnen sie Kenner:innen.
„Klimatische Veränderungen, die früher 200 Jahre gebraucht haben, passieren heute in zehn oder zwanzig Jahren“
Mit größter Sorgfalt werden hier, an den kalkreichen Hängen des Anningers, aber auch Weißburgunder, Grüner Veltliner und Pinot Noir kultiviert. Der Betrieb ist biozertifiziert, im Keller wird nur minimal eingegriffen. „Für den Weinbau wünsche ich mir, dass diese Begeisterung für die biologische und biodynamische Bewirtschaftung nicht abreißt, sondern gesellschaftlich weiter unterstützt wird, weil es langfristig gesehen für uns alle enorm wichtig ist“, sagt Bernhard Stadlmann.
Die Vorzüge des Alters
Der ausgeprägte Charakter der Weine ist unter anderem dem höheren Alter der Reben zuzuschreiben: „Es ist ein bisschen wie bei Menschen oder Tieren. Über die Zeit treten bestimmte Charakterzüge deutlicher hervor.“ Ältere Reben sind tiefer im Boden verankert, sie können sich besser mit Nährstoffen versorgen und mit den immer extremer werdenden Wetterverhältnissen umgehen. „Klimatische Veränderungen, die früher 200 Jahre gebraucht haben, passieren heute in zehn oder zwanzig Jahren“, sagt Bernhard. Exponentielles Wachstum prägt auch die Klimakrise.
Um Wachstum im Sinne von „immer mehr, immer weiter“ geht es Bernhard nicht. Eher ist er darauf bedacht, auf dem aufzubauen, was schon da ist und sich über die Jahrhunderte so prächtig entwickelt hat. „Ich strebe nicht nach sprunghafter Veränderung, sondern weiß das zu schätzen, was mir weitergegeben wurde. Die Generation vor mir ist bereits sehr sorgsam mit den Ressourcen umgegangen, mit dem Boden und den Weinstöcken. Und darauf schaue und baue auch ich.“ Seit 2022 ist er Mitglied des Vereins der Traditionsweingüter, deren Hauptanliegen es ist, den Wert einer Herkunft zu verdeutlichen.
Der Weg zum Winzer
Dass er den Betrieb übernimmt, war nicht selbstverständlich. „Ich empfand keine Verpflichtung, den familiären Weinbau fortzuführen.“ Bernhard studierte zuerst Wirtschaftswissenschaften, er war auf fünf Universitäten auf drei Kontinenten, aber entschied sich dann, Weinbau zu studieren, was er in Deutschland, den USA und Frankreich tat – um sich schließlich ganz dem Vinifizieren zu widmen.
„Man pflegt die Pflanze, um sie bestmöglich zu unterstützen.“
„Der Weinbau wird von außen romantisch betrachtet. Letztendlich ist es intensive, handwerkliche Arbeit, aber auch eine sehr schöne, abwechslungsreiche Arbeit. Man hat die Möglichkeit, nicht nur den Wein zu produzieren, sondern auch den Rohstoff von Grund auf. Und den ganzen Prozess zu begleiten.“ Zwischen Pflanze und Mensch ist es ein Geben und Nehmen, wie er findet. „Man pflegt die Pflanze, um sie bestmöglich zu unterstützen. Und gleichzeitig gibt sie dem Menschen so viel zurück.“
Eine Pflanze kann nicht weglaufen. Aber auch der Mensch kann nicht vor allem davonlaufen und muss früher oder später Entscheidungen treffen. Wie gut, dass Bernhard Stadlmann sich dafür entschieden hat, sich noch tiefer mit der Region zu verwurzeln. Und sich mit Hingabe dem Wesen der Weinreben zu widmen.