‚Farm to table‘ ist derzeit in aller Munde. Das Prinzip, Produkte ohne Umweg vom Bauernhof auf den Tisch – egal ob zu Hause oder im Restaurant – zu bringen, hat längst eine große Anhängerschaft und weitet sich immer weiter aus. Doch dass auch der Wald eine Vielzahl an Leckereien und kulinarischen Kostbarkeiten beherbergt, gerät dabei schnell in Vergessenheit. Wir waren für euch im Wald unterwegs und haben einige Tipps mitgebracht, auf die ihr achten solltet, wenn ihr den Wald in eure Küche holen wollt.
1. Die Saison beachten
Wie auch auf dem Feld oder im Gewächshaus wächst natürlich auch im Wald nicht alles, was gut schmeckt, zur gleichen Zeit. Während im späten Frühjahr und im Sommer hauptsächlich Beeren und einige Wildkräuter darauf warten, eingesammelt zu werden, machen sie im Herbst immer mehr den Schwammerln Platz.
Doch auch im Herbst und Winter gibt es noch Beeren und Kräuter, die sich zu suchen lohnen. Hier eine kleine Auflistung der Dinge, über die ihr euch in den verschiedenen Jahreszeiten freuen könnt:
- Frühling: Bärlauch, Waldmeister, Brennnesseln
- Sommer: Walderdbeeren, Heidelbeeren, Ribiseln, Brombeeren, Mädesüß, Eierschwammerl, Steinpilze, Butterpilze
- Herbst: Cranberrys, Preiselbeeren, Vogelbeeren, Eierschwammerl, Steinpilze, Butterpilze, Röhrlinge, Edelreizker
- Winter: Schaumkraut, Winterkresse, Nelkenwurz, Vogelmiere, Gundermann (beide das ganze Jahr über)
2. Nur sammeln, was ihr wirklich kennt
Gerade jetzt sieht die Schwammerlsaison ihrem absoluten Höhepunkt entgegen. Während zu Beginn einer Saison die genießbaren Pilze noch klar überwiegen, kommen im Herbst immer mehr ungenießbare und giftige Schwammerl hinzu. Umso schwieriger wird es, bei all den vermeintlichen Leckerbissen die Übersicht zu bewahren. Generell gilt: Wer sich ob der Essbarkeit eines Pilzes oder auch eines Krautes oder einer Beere nicht hundertprozentig sicher ist, lässt es lieber nicht darauf ankommen und versucht andernorts sein Glück.
Dank technischer Hilfsmittel wie der Bildersuchmaschine Google Lens oder Bestimmungsapps wie iNaturalist oder PictureThis ist die Bestimmung von Pilz- und Pflanzengattungen heutzutage viel leichter als noch vor ein paar Jahren. Dank gut bestückter und gepflegter Datenbanken kann hier der Abgleich einer Art innerhalb weniger Sekunden vorgenommen werden.
Diese Apps sind äußerst hilfreich, aber natürlich auch nicht unfehlbar. Besonders unter den Schwammerln gibt es einige giftige Arten, die ihren essbaren Artgenossen teils zum Verwechseln ähnlich sehen. Beispielsweise ähnelt der Grüngefelderte Täubling, der zu den schmackhaftesten aller Schwammerl gehört, dem Grünen Knollenblätterpilz sehr. Zwar lässt sich der Unterschied am Stiel festmachen – Grüne Knollenblätterpilze wachsen aus einer Art ‚Eierschale‘ heraus, der Grüngefelderte Täubling hat einen geraden, glatten Stiel –, doch diesen Unterschied muss man erst einmal kennen und erkennen. Gerade letzteres gilt auch für Google Lens und Co. Natürlich kennen diese Apps den Unterschied, sie können aber auch nur mit dem arbeiten, was ihnen vom Nutzer als Foto zur Verfügung gestellt wurde. Auch hier gilt also: Im Zweifel lieber stehenlassen.
3. Sammeln, nicht plündern
„Ich sage meinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gern, dass sie sich einen Besuch im Wald wie einen Besuch bei jemandem zu Hause vorstellen sollen“, erklärt Pilzexpertin Aurelija Pluke. „Wir betreten nicht unseren privaten Garten, sondern einen Raum, der nicht uns gehört. Dementsprechend sollten wir ihn mit Respekt behandeln.“ Auf geführten Wanderungen und neuerdings auch im Rahmen einer TV-Sendung im litauischen Fernsehen vermittelt Pluke auf nahbare Weise grundlegende und vertiefende Kenntnisse über die Welt der Pilze.
Besonders liegt ihr am Herzen, dass die Menschen die Natur mit der gebotenen Umsicht behandeln: „Wichtig ist – und das vergisst man schnell, wenn man einen tollen Spot für Pilze oder Beeren gefunden hat –, dass man wirklich nur so viel mitnimmt, wie man auch verbrauchen kann. Ich sehe es oft, dass Sammler:innen in einen regelrechten Wahn geraten und erst wieder mit dem Sammeln aufhören, wenn der ganze Busch oder die gesamte Pilz-Kolonne abgeerntet ist. Das sind dann oft Mengen, die niemand zu Hause verbrauchen kann. Die Hälfte landet dann im Müll, und im Wald ist eine leere Fläche entstanden, die nun weder etwas für dessen Bewohner noch für andere Sammler:innen bereithält. Das ist doch schade.“
Beim Verlassen des Waldes sollte er überdies in etwa so zurückgelassen werden, wie er vorgefunden wurde. Das bedeutet nicht nur, dass produzierter Abfall natürlich wieder mitgenommen wird, sondern auch, dass Äste, Laub oder Erde in etwa wieder so drapiert werden sollten, wie sie zuvor lagen. Schließlich sind sie der Lebensraum von hunderten anderer Spezies, nicht nur der des Menschen.
4. Sicherheit geht vor
Zwar sind die meisten Waldflächen Österreichs gut erschlossen, mit Waldwegen durchzogen und verfügen mehr oder weniger flächendeckend über Handynetz. Dennoch kann es immer mal sein, dass etwas Unvorhergesehenes passiert. Wer mit dem Auto anreist, sollte sich den Parkplatz unbedingt auf einer Navigations-App markieren, die bestenfalls sogar offline funktioniert. So ist der Rückweg jederzeit sichergestellt. Wer ohne Handy unterwegs ist und unbedingt abseits der Wege laufen will, sollte sich feste Orientierungspunkte im Wald suchen, die nicht durch Wind, Tiere oder andere Sammler:innen verrückt werden können.
Außerdem empfiehlt es sich, immer einen gewissen Vorrat an Wasser, eine Jacke und wichtige Medikamente einzupacken, falls man aus irgendeinem Grund doch einmal mehr Zeit als gedacht im Wald verbringen muss. Und auch ein Tierabwehrspray kann im Zweifel hilfreich sein, wenn einem im tiefen Dickicht plötzlich eine ihre Frischlinge verteidigende Bache, ein aggressiver Wolf oder auch ein losgerissener Hund begegnet, der von der unerwarteten Begegnung genauso überrascht ist wie man selbst und in Angriffshaltung geht.
5. Die Waldwanderung als Retreat begreifen
„Seit in den letzten Jahren die Waldtherapie einen echten Aufschwung erfährt, gibt es immer mehr Studien, die sich mit den positiven Auswirkungen des Waldes auf unseren Körper und unsere Psyche auseinandersetzen“, sagt Pluke. „Inzwischen ist nachgewiesen, was für eine beruhigende Wirkung es haben kann, regelmäßig Zeit im Wald zu verbringen. Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen ist es eine Abwechslung für unsere Augen, die es in den meisten Fällen gewohnt sind, klare, kantige Formen zu sehen, die uns in unserem Alltag einfach mehr umgeben als organische, unregelmäßige Formen.
Zum anderen ist da diese Ruhe und Abgeschiedenheit, mit der ein Aufenthalt im Wald meistens einhergeht. Im Zusammenspiel kann das eigene Stresslevel merklich senken. Lässt man darüber hinaus auch noch das Handy in der Tasche oder nutzt es wirklich nur zur Bestimmung von Arten, tut das sein Übriges. In Zeiten, in denen wir permanent mit Informationen und Nachrichten konfrontiert sind, ist ein Ausflug in den Wald eine willkommene Gelegenheit zum bewussten Abschalten.“
Spannende Impulse setzt auch eine finnische Studie aus dem Jahr 2020, die gezeigt hat, dass die Biodiversität von Mikroben auf der Haut von Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren signifikant ansteigt, wenn sie sich regelmäßig im Wald oder in dessen direkter Nähe aufhalten. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass dies auf längere Sicht zu gesünderer Haut führen und überdies positive Auswirkungen auf das natürliche Immunsystem des Körpers haben könnte. Die genauen Auswirkungen werden derzeit erforscht.
Das Gesammelte richtig zubereiten
Nachdem ich neulich selbst auf kulinarischer Entdeckungsreise durch den litauischen Wald mein Talent im Beeren- und Pilzesammeln unter Beweis gestellt hatte, kam ich in den Genuss von unvergleichlich leckeren Teigtaschen, die wir noch vor Ort in einem großen Eisenkessel über offenem Feuer zubereitet haben. Mit unseren selbst gesammelten Eierschwammerln gefüllt schmeckten sie gleich nochmal so gut. Glücklicherweise hat Asta, die derzeit wohl gefragteste Bäckerin in ganz Vilnius, uns das Rezept verraten. Viel Spaß beim Nachkochen!
Hüttenkäse-Čeburekai mit Eierschwammerln von Asta Petrus
Zutaten für 4 Personen:
Teig: 420 g Weizenmehl, 200 g Hüttenkäse, 200 g Kefir, 1 Ei, eine Prise Salz
Füllung: reichlich frisch gesammelte Eierschwammerl, etwas Butter, Salz, Pfeffer
Zusätzlich: etwas Öl zum Frittieren
- Die feuchten Zutaten in einer Schüssel vermischen, dann die trockenen Zutaten dazugeben und mit den Händen zu einem glatten Teig kneten. Den Teig ruhen lassen, während die Füllung zubereitet wird.
- Die Eierschwammerl putzen und in kleine Stücke schneiden. Eine Pfanne erhitzen, Butter darin schmelzen und dann die Pilze hinzufügen. Bei hoher Hitze ca. 5 Minuten anbraten. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Abkühlen lassen.
- Öl in einer Pfanne auf 180 °C erhitzen.
- Den Teig etwa 1–2 mm dünn ausrollen und Kreise mit einem Durchmesser von 8–10 cm ausstechen. Die abgekühlte oder lauwarme Füllung auf die Teigkreise geben, zum Halbkreis zuklappen und die Ränder gut zusammendrücken.
- Die Teigtaschen 2–4 Minuten frittieren, anschließend auf Küchenpapier abtropfen lassen und warm servieren.