„Gastronomie funktioniert ganz einfach: Man braucht nur das zu kochen, was der Gast will“, sagt Norbert Thaller. Der Chef de Cuisine muss es wissen, schließlich ist er seit 30 Jahren im Business. „Aber das wollen wir halt nicht“, so Norbert weiter. Als er jung war, hat er sich durch die Welt gekostet. Die in der Gastronomie üblichen Wanderjahre hat er zwar ausgelassen, gereist ist er nur auf Speisekarte und Teller.
„Ich hab damals alles ausprobiert, was auf den Einkaufslisten gestanden ist“, sagt er. Egal, woher die Produkte der Lieferantinnen und Lieferanten kamen. Ob aus Italien oder Übersee, Asien oder Skandinavien.
Vor etwa 20 Jahren dann die Einsicht. Dass alles, was man braucht, schon da ist – oder immer schon da war. „So haben wir sukzessive unseren Betrieb ausgebaut“, sagt Norbert. Seit 2004 führt er – als erster Mann seit fünf Generationen – mit seiner Frau Manuela das Gasthaus Thaller in der Südsteiermark, das sich abends in ein Restaurant verwandelt. Es ist in einem ansehnlichen Barockhaus mit bilderbuchartigem Gastgarten untergebracht. Und wird von einem Team aus neun Mitarbeiter:innen betreut, von denen einige schon über zehn Jahre dabei sind. „Bei uns geht’s familiär zu“, sagt Norbert. Seine Mitarbeitenden essen dasselbe, was er den Gästen serviert. Wein inklusive. Auf der bestens kuratierten Karte finden sich auch so einige Naturweine, die mag Norbert besonders.
Down to earth
Bemerkenswert ist der angrenzende Gemüsegarten. Was darin wächst, erlaubt den Thallers beinahe vollständige Autarkie. Ganz in Bio. So wie die frischen Fische aus den eigenen Teichen hinter dem Haus: Forellen, Saiblinge, Karpfen, Welse, Amure. Das Fleisch kommt aus dem Wald oder von Bio-Bäuerinnen und -Bauern aus der Region.
Zwei Gewächshäuser ergänzen seit 2024 die Gemüse- und Kräuterbeete, die mittlerweile eine Fläche von 0,7 Hektar beanspruchen und alles sprießen lassen, was Saison hat und wachsen will – von sechzig Tomatensorten über zehn Radicchio-Variationen bis zu diversen Kohlarten, Pimentos, Gurkenraritäten, Bohnen und noch sehr viel mehr. Da schießt so viel Gutes aus der Erde, dass die Thallers das, was sie selbst nicht veredeln, an andere Betriebe verkaufen.
„Die Bio-Bauernhöfe gehen alle ein, weil sie ihre Produkte nicht mehr anbringen und es den Menschen immer egaler wird, was sie am Teller haben. Aber da machen wir nicht mit.“
Die Arbeit mit dem, was der Boden gerade hergibt, ist das, was die Thallers als richtig empfinden. Auch wenn es den Wünschen des Gastes zuwiderlaufen mag. „Bei uns am Land wollen die Leute Riesenportionen Fleisch, Calamari und Pizza. Die Bio-Bauernhöfe gehen alle ein, weil sie ihre Produkte nicht mehr anbringen und es den Menschen immer egaler wird, was sie am Teller haben“, sagt Norbert.
„Aber da machen wir nicht mit. Da schwimmen wir gegen den Strom.“ Auch wenn sich manche Gäste darüber beschweren, dass kein Steak auf der Karte steht. Andere wiederum finden das gut. Und verstehen, dass alles zusammenhängt: das Wohl von Mensch, Tier und Planet. Der Geschmack und die Art der Bewirtschaftung. Dafür gibt es dann auch hin und wieder mit Fingern gezeichnete Herzen auf leer gegessenen Tellern.
Das rechte Maß
Wenn man mit dem arbeitet, was da ist, dann bedeutet das auch, dass sich in der Mittags- und Abendkarte dieselben Ingredienzien wiederfinden. Wenn auch anders zusammengestellt. „Der Unterschied zwischen Wirtshaus und Restaurant ist bei mir nicht allzu groß. Ich bin ein Verfechter von einer sehr guten, hohen Wirtshausküche und einem entschleunigten Fine Dining“, sagt Norbert.
Das Restaurant wurde erst kürzlich mit einem roten und einem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet. Bei sieben Gängen gibt es oft nicht mehr als ein Fleischgericht. Das reicht aus, findet Norbert. Man soll sich nach dem Essen schließlich nicht erschlagen fühlen, sondern angenehm gesättigt. „Iss einmal einen halben Kilo Butter oder eine Gänseleber – das martert dich dann die ganze Nacht.“
Frisch und leicht, so versteht er seine lokale Jahreszeitenküche, die immer auch Erlebnis sein soll. Etwas, an das man sich gern erinnert. „Wenn man einmal angefangen hat, mit frischem Gemüse zu kochen, dann kann man eigentlich nicht mehr zurück“, findet Norbert.
Pralle Bio-Tomaten, die man direkt von der Staude pflückt und auf den Teller legt, haben eine ganz andere Energie als solche, die seit Tagen in Plastik gehüllt im Regal liegen. Norbert verkocht sie und all die anderen Schätze aus Garten und Teich mit Verve und Raffinesse, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Dass er als Gastronom, Küchenchef und Landwirt einen vollen Kalender hat, stört ihn nicht. „Ich bin Wirtshauskind“, sagt Norbert.