Streitmannsheil

Der „Ökologische Jagdverband Österreichs“ kritisiert die traditionelle Jägerschaft, die mit dem Vorwurf von Ressentiments reagiert.
von Wolfgang Maria Gran
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Diplomingenieur Franz Puchegger ist nicht nur BOKU-Absolvent, Unternehmer und Waldbesitzer, sondern auch „Öko-Jäger“ der ersten Stunde. Er steht als Obmann dem im November 2010 gegründeten Verein „Ökologischer Jagdverband Österreichs“ vor und knallt einen seiner Hauptvorwürfe an Politik und traditionelle Jägerschaft, den föderalen Bürokratismus, gleich einmal plakativ auf den Tisch: „Die bestehenden Landesjagdgesetze und -verordnungen wiegen in Summe 13 Kilogramm.“ Ein ziemlicher Brocken an von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Ge- und Verboten, Schutz- und Schussbestimmungen, der nach den Vorstellungen der „Öko- Jäger:innen“ durch bundesweite Vereinheitlichung nicht nur sehr viel leichter, sondern auch näher an deren Ideal einer zeitgemäßen, naturnahen und dem Tier- und Artenschutz verpflichteten Jagd sein könnte.

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Der Ökologische Jagdverband umfasst in Österreich 500 Mitglieder – insgesamt zählt der Jagdverband sogar 135.000 Jäger:innen.

Der Versuch, ein schlankes und einheitliches Bundesjagdgesetz zu erzwingen, das mit den zahlreichen unterschiedlichen Länderregelungen aufräumt, sollte ab 2023 mit der Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren gelingen. Um die Chancen zu erhöhen, schloss sich der Ökologische Jagdverband dafür mit der Arbeitsgemeinschaft Wildtiere, Tierschutz Austria und dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) zusammen. Aber dem Einleitungsantrag für ein Volksbegehren wurde Anfang 2025 nicht stattgegeben. Was die Öko- Jäger:innen nicht daran hindert, weiterhin gegen etwas aufzutreten, das sie nicht nur als bürokratisches Monstrum, sondern auch als Überrest eines „feudal-lobbyistischen“ Jagdgesetzes zu identifizieren glauben.

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Die sogenannte „Gatterjagd“ in einem eingezäunten Bereich ist nicht fair, weshalb die Rufe nach deren Ende immer lauter wird.

Zahlreiche Forderungen

Folgerichtig wenden sie sich gegen gesetzliche Trophäenschauen und -bewertungen, weil sie diesen „Trophäenkult“ als „in der modernen Gesellschaft verzichtbar“ erachten. Auch die Forderung nach bleifreier Munition auch außerhalb von Feuchtgebieten, ein generelles Fütterungs- und Fallenjagdverbot oder das Untersagen der Gatter- und Käfighaltung von Wildtieren, also ein Ende der „Gatterjagd“, finden sich im Leitbild.

„Für mich ist der größte Umweltskandal, dass sich durch überhöhten Wildbestand, Trophäenkult und Fütterung der Wald nicht mehr ausreichend verjüngen kann.“
DI Franz Puchegger, Obmann des Ökologischen Jagdverbands Österreichs

Der Salzburger Landesjägermeister Max Mayr Melnhof kann all dem wenig abgewinnen: „Das ist ja alles ganz nett, aber der Ökologische Jagdverband hat 500 Mitglieder, ich vertrete aber 135.000. Das heißt, er ist für uns nicht am Tapet.“ Das Thema Bundesjagdgesetz ist für ihn „gegessen“, und deshalb will er sich gar nicht mehr mit Detailforderungen der Öko- Jäger:innen beschäftigen: „Ich bin damals als Vorsitzender von Jagd Österreich zu allen neun Landesrätinnen und Landesräten gefahren, und alle neun stehen uneingeschränkt hinter dem föderalen System. Dieses Thema gibt es für uns nicht mehr, weil die Politik ganz klar Nein zu einer Gesetzesänderung gesagt hat.“

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Öko-Jäger:innen unterstellen ihren Kolleg:innen von der traditionellen Jagd, sich auf wenige Schalenwildarten (Rehwild, Rotwild, Schwarzwild) zu fokussieren.
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Wenn ihn aber etwas wurmt, geht der Sohn des früheren Salzburger Landesrates Friedrich Mayr Melnhof aber doch auch ins Detail, zum Beispiel bei der Forderung nach bleifreier Munition: „Ich weiß nicht, wovon die da die ganze Zeit reden. Bleifrei ist mit der REACH-Verordnung der EU seit 2023 durch, und die Jäger:innen verwenden das bei uns schon seit langem freiwillig. Da wird aufgrund von Unwissenheit oder in manipulativer Absicht leider auch gelogen.“

„Es wird immer gesagt, die Jagd ist altertümlich und die Gesetze kommen aus der Göring-Zeit. Das ist doch ein Blödsinn: Es ändert sich täglich, wöchentlich und monatlich etwas, wir bewegen uns ständig weiter.“
Maximilian Mayr Melnhof, Landesjägermeister Salzburg

Trophäenjäger:innen

Das klingt ganz danach, als wäre der neue Gruß zwischen ökologischer und konventioneller Jägerschaft „Streitmannsheil“. Die Öko-Jäger:innen unterstellen ihren Kolleg:innen von der traditionellen Jagd, sich auf wenige Schalenwildarten (Rehwild, Rotwild, Schwarzwild) zu fokussieren und deren Anzahl unter anderem durch intensive Befütterung unnatürlich hochzuhalten, weil sie „starke Trophäen“ hervorbringen. Das wiederum verhindere, so Öko-Jäger Puchegger, durch Verbissschäden die notwendige Waldverjüngung: „Auf zwei Dritteln seiner Gesamtfläche kann sich der Wald in Österreich nicht mehr verjüngen.“ Auch seine eigenen 20 Hektar Wald im Waldviertel müsse er umzäunen, um Jungbäume zu schützen, sagt Puchegger, der auch ein „Büro für Waldmanagement“ betreibt.

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Die Jagd ist auch international ein großes Thema.

Die Öko- Jäger:innen haben ein breites Spielfeld eröffnet – es reicht vom Bürokratieabbau über den Schutz der Wälder und den Tierschutz bis hin zum heftigen Rütteln an alten Jagdtraditionen. Angst davor, sich an so einem riesigen Themenbrocken möglicherweise zu überheben, hat Puchegger aber nicht: „Wir gelten ja ohnehin als Nestbeschmutzer und sind die Geächteten, weil die obersten Chefitäten in den Ländern das, was wir fordern, nicht haben wollen. Bei der Gatterjagd zum Beispiel geht’s darum, dass sehr einflussreiche Leute Geschäfte machen, während man Wild niedermetzelt. Da sind wir mit unseren Forderungen ein Störfaktor.“

„Auch der Tierschutz war einmal Ländersache und ist nun einheitlich geregelt, warum soll das also bei der Jagd nicht auch gehen? Wir haben in Österreich ja auch nicht neun verschiedene Führerscheine.“
Andrea Hagn, Salzburger Umweltbiologin, im „Werkspost“-Podcast der „Radiofabrik“

Die Rolle der Jägerschaften

Max Mayr Melnhof ist eine dieser angesprochenen „obersten Chefitäten in den Ländern“ und stellt klar: „Ich glaube, es ist zu manchen noch immer nicht ganz durchgedrungen, dass die Jägerschaften keine Gesetze machen, sondern sie zu vertreten haben. Wir sind eine Körperschaft öffentlichen Rechts und müssen die Gesetze, die einem politischen Willen entsprungen sind, verwalten.“ Er weist auch die Kritik an der sogenannten „Gatterjagd“ zurück: „Das ist eine legitime Nutzung des eigenen Grund und Bodens. Ich schreibe ja auch niemandem vor, wie er seinen Garten bewirtschaften soll. Solange etwas von den Gesetzen her erlaubt ist, ist es legitim.“

„Ich stehe hinter Trophäen, denn das sind Erinnerungen. Der Mensch sammelt Erinnerungen, und warum soll ich ein Geweih zum Knöpferlmacher bringen? Was spricht denn dagegen, dass ich es mir aufhänge?“
Maximilian Mayr Melnhof, Landesjägermeister Salzburg

Auch den Vorwurf, einen antiquierten „Trophäenkult“ zu betreiben, kann Mayr Melnhof nicht nachvollziehen: „Ich trage 200 Tage im Jahr eine Lederhose, und das ist meine Trophäe, meine Erinnerung. Das Schnitzel auf dem Teller von dem Reh, das ich selbst geschossen habe, ist meine Trophäe.“ Und die Diskussion über die Geweihe findet er nur „lächerlich“: „In Salzburg werden pro Jahr 7000 Stück Rotwild geschossen und nur drei Prozent dieser 7000, also 200, tragen Trophäen. Wir wollen auf das nicht heruntergebrochen werden, weil das eine Stückzahl ist, die bei einem strukturierten Wildbestand mit den Altersklassen, denen wir verpflichtet sind, einfach anfällt. Wir haben im Bundesland Salzburg 1070 Jagden und schießen 200 Hirsche. Uns da Trophäenkult vorzuwerfen, ist lachhaft. Da wird unglaublich mit Emotionen gearbeitet.“

Böse ist der Salzburger Landesjägermeister dem streitbaren Öko-Jäger Puchegger aber trotzdem nicht: „Wir sind per Du, können übereinander lachen und diskutieren auch unsere Argumente. Und ich respektiere das, aber wir reden dabei trotzdem von 500 Leuten, also einem Promilleanteil der österreichischen Jäger.“ Zumindest zwischen diesen beiden Herren dürfte der Gruß also doch „Waidmannsheil“ lauten.

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