Jede Mahlzeit ist eine Entscheidung – auch eine politische. Was auf unseren Tellern liegt, bestimmt, wie wir mit Ressourcen, Tieren, Böden und Menschen umgehen. Und kaum jemand prägt dieses Bewusstsein so stark wie Köchinnen und Köche. Sie können Haltung sichtbar machen, Herkunft der Lebensmittel erklären und so Verantwortung vorleben.


Genau darum ging es bei der Gaumen Hoch-Diskussion auf der GAST Salzburg am 8. November 2025.
Unter dem Titel „Hebt eure Ansprüche! Für eine Küche, die Haltung zeigt“ sprachen
- Clara Aue (Heu & Gabel, Wien),
- Emilia Orth-Blau (Rosa & Marie),
- Jacky Herzog (Herzogin. Das andere Wirtshaus),
- Lukas Strobl (Weinmanufaktur Clemens Strobl) und
- Andreas Eibl (Flachgauer Biopilze)
darüber, was es heißt, Verantwortung auf den Teller zu bringen – im Denken, im Tun und im Miteinander.
Dabei wurden unter der Moderation von Gaumen Hoch-Co-Gründerin Alexandra Seyer-Gmeinbauer auf der Bühne Pilze knusprig frittiert und es floss reichlich Naturwein ins Glas der Halle. Hier sind die wichtigsten Learnings für alle Gastronominnen und Gastronomen, die ihre Haltung noch mehr hervorkehren möchten:
1. Weg von der „Edelteil-Falle“

Clara Aue, die im Heu & Gabel am Wiener Meidlinger Markt Verantwortung nicht predigt, sondern kocht, bringt es gleich zu Beginn der Diskussion auf den Punkt:
„Nachhaltig zu wirtschaften erklärt viel zu wenig, um was es eigentlich geht. Es geht darum, mit guten Produkten zu arbeiten, ganzheitlich zu arbeiten, ohne Verschwendung zu arbeiten, mit Hirn und Herz dabei zu sein“
Sie plädiert für eine Rückkehr zum Ganzheitlichen – weg von der „Edelteil-Falle“, wie sie es nennt:
Viele Küchen konzentrieren sich auf Filet, Lungenbraten oder Rostbraten – also auf jene Stücke, die auf der Karte teuer klingen, während große Teile des Tiers in der Verarbeitung untergehen. „Ich versuche, Gerichte zu machen, die bekannt wirken, aber mit anderen Stücken funktionieren. Ich will zeigen, dass Qualität nicht vom Teil abhängt, sondern vom Umgang damit“, verrät die Köchin.
Aus ihrer Erfahrung im Betrieb mit eigener Landwirtschaft entstand für sie das kompromisslose Prinzip Nose to Tail: „Wenn du ein Tier siehst, wie es aufwächst, es fütterst und bei der Schlachtung dabei bist, dann ist es für dich nicht mehr einfach nur ein Stück Fleisch. Du bekommst das ganze Tier geschlachtet in die Küche, und dann ist klar: Es wird keinen Abfall geben.“ Nachhaltigkeit, so Aue, beginne mit Respekt – und der Bereitschaft, wieder mit Hirn und Herz zu kochen.
2. Den eigenen Weg gehen – mit Freude

Echte Haltung entsteht nicht aus Zwang, sondern aus Begeisterung. Jacky Herzog, Quereinsteigerin und Gründerin der Herzogin . das andere Wirtshaus, findet, dass Verantwortung und Freude in der Gastronomie kein Widerspruch sein müssen.
„Wir wollen einen Lifestyle vermitteln, der zeigt, dass Gastro auch Spaß machen kann – auch für die Mitarbeiterinnen.“
Gemeinsam mit ihrer Schwester hat sie ein Wirtshaus völlig neu gedacht – aus Neugier, Überzeugung und dem Wunsch, Dinge wieder selbst in die Hand zu nehmen: „Wir machen wirklich alles selbst – Brot, Mozzarella, Joghurt. Für uns ist das selbstverständlich, aber viele Gäste sagen, es schmeckt anders.“ In einer touristischen Region, in der meist auf Masse gekocht wird, setzt sie bewusst auf Qualität statt Quantität: „Viele haben Angst, dass sie die Massen nicht erfüllen. Aber das ist ja gar nicht unser Ziel.“
Jacky Herzog will zeigen, dass es sich lohnt, die gewohnten Abläufe zu hinterfragen: „Mich hat immer interessiert, wo die Sachen herkommen und warum sie so schmecken, wie sie schmecken. Ich habe einfach ausprobiert, gescheitert, wieder probiert – so habe ich gelernt.“ Authentisch zu bleiben, Dinge auszuprobieren und mit Überzeugung anders zu machen – das ist für sie Haltung im Alltag.
3. Sich als Einheit begreifen – und nahbar bleiben
Emilia Orth-Blau von Rosa & Marie sieht Haltung vor allem in der Art, wie man miteinander arbeitet – im Team und mit den Lieferant:innen. Ihr Ansatz: Gastronomie kann nur dann nachhaltig sein, wenn auch die Arbeitsbedingungen es sind.
„Die Gastronomie ist nicht das Problem, sondern wie wir miteinander umgehen. Menschlichkeit ist der Weg, der alle Menschen glücklich macht. Man muss greifbar sein. Man muss den Menschen zeigen, wie es wirklich läuft – auch das, was nicht gut läuft. Bei uns geht es nie um eine Hierarchie, weder bei unseren Mitarbeiter:innen noch bei den Menschen da draußen.“


Sie zeigt, dass Nachhaltigkeit auch im Catering funktioniert – und dass Menschlichkeit Teil des Konzepts ist. Ihr Team arbeitet mit über 60 Prozent Bio-Zutaten und setzt auf Transparenz – auch in den sozialen Medien, wo sie Einblicke hinter die Kulissen geben.
4. Wertschätzung zeigen – vor allem gegenüber Produzent:innen

Andreas Eibl von Flachgauer Biopilze beschreibt, wie wichtig echte Beziehungen zwischen Landwirtschaft und Gastronomie sind:
„Für uns Produzentinnen und Produzenten ist es existenziell, dass sich Gastronominnen und Gastronomen, dafür interessieren, wo ihre Produkte herkommen. Ohne diese Menschen können wir nicht überleben.“
Das Wissen über die Produkte käme auch bei den Gästen gut an. „Es ist einfach schön, auch mit den Gastrobetrieben direkt zu arbeiten“, sich etwa gemeinsam zur Anbauplanung oder Mengenplanung zusammenzusetzen, meint Eibl.
Clara Aue fügt hinzu: „Wir sind alle Menschen mit einer Seele und wir wollen einfach das Richtige essen. Deswegen ist es schön, wenn du einem Gast etwas Geschichte zu den Lebensmitteln mitgeben kannst. Wenn du sagen kannst: Die Helga kommt zu uns und bringt uns das Fleisch, die lässt ihre Tiere vier Jahre alt werden. Das ist einfach ein Miteinander, ein Respekt voreinander und vor der Arbeit des anderen.“
6. Mit der Natur statt gegen sie

Auch im Weinbau gilt: Verantwortung beginnt im gemeinsamen Denken. Lukas Strobl baute gemeinsam mit seinem Vater die Weinmanufaktur Strobl mit Rücksicht auf die Umwelt auf:
„Wir fördern lieber Nützlinge, als Schädlinge zu bekämpfen. Wir wollen mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie.“
Zwischen den Reben wachsen Blühstreifen, Wasserflächen und Totholz – kleine, aber entscheidende Ökosysteme. „Ein gesunder Weingarten reguliert sich selbst. Dafür braucht es Geduld, keine Chemie.“
7. Ehrlich kalkulieren und erklären
Für Clara Aue ist faire Preisgestaltung ein zentrales Element von Haltung: „Alle reden von Fairness und Bio, aber bezahlen soll’s trotzdem wie bei der Supermarktkette. Das geht sich nicht aus.“ Jacky Herzog ergänzt: „Auch die Gäste müssen verstehen, dass gutes Essen mehr ist als satt werden – es ist ein Erlebnis, das Zeit und Wert hat.“ Preisbewusstsein wird hier zur Form von Respekt – vor Produkt, Mensch und Arbeit.
Gastronom:innen werden heute auch zu Übersetzer:innen zwischen Produzent:innen und Gästen. Clara Aue: „Wenn Gäste wissen, wer hinter einem Produkt steht, verstehen sie auch den Preis – und das Gericht schmeckt doppelt so gut.“ Lukas Strobl lebt das als Winzer genauso: „Wir besuchen unsere Kund:innen regelmäßig. Es ist wichtig, dass die, die unsere Weine ausschenken, wissen, was dahintersteckt. Nur so wird aus einem Produkt eine Haltung.“



Ein Appell an Gäste und Branche
Am Ende, so waren sich alle einig, kann eine Haltungsküche nur funktionieren, wenn auch die Gäste mitziehen. Jacky Herzog:
„Nicht nur wir müssen umdenken. Auch die Gäste müssen begreifen, dass gutes Essen mehr ist als satt werden – es ist ein Erlebnis, das Zeit braucht.“
Verantwortung ist also keine Einbahnstraße. Sie entsteht im Dialog – zwischen Küche, Landwirtschaft und Konsument:innen.















