Clara Aue schält Karotten, sie befindet sich gerade in dem Flow, der zwischen Mittags- und Abendgeschäft entsteht. Natürlich könnte sie einem jetzt erzählen, woher diese Karotten exakt herstammen, weil sie von allen ihren Produkten genau weiß, wer sie angebaut, aufgezogen oder gekäst hat, genau darum geht es ihr ja bei dem, was sie da macht. Aber es gibt gerade Wichtigeres, und zwar das Abendgeschäft. Also schält sie, und lässt die Karotten einfach nur Karotten sein.
Kleiner Raum, große Küche
Seit Mai 2025 bekocht Clara Aue, 35, am Meidlinger Markt das entzückende Lokal „Heu & Gabel“. Dadurch setzte sie es auf die Landkarte der Wiener Foodies, die seither scharenweise hierher in den zwölften Bezirk strömen. Sie bereuen es nicht, denn auf kleinstem Raum schafft Aue hier kulinarisch Riesiges: Gschnatter vom Wagyu-Rind mit Fisolen und Café-de-Paris-Sauce; glacierte Hühnerleber mit Erdäpfelflan, Brombeeren und Rotweinschalotten; geröstete Eierschwammerl mit Stundenei und Karfiol – und wer zwischen zwei begeisterten Bissen nachfragt, der erfährt: Das Wagyu stammt vom Demeter-Hof von Helga Bernold in Stronsdorf im Weinviertel, das Hendl vom Naturhof Wieser in Haidershofen bei Steyr, das Gemüse von der Reiners Erdbeeren und Gemüse in Frauenkirchen.
„Ich muss nicht überall ‚Bio‘ oder ‚Hausgemacht‘ dazuschreiben“, meint Clara Aue, weil: „Natürlich mache ich die Kasnudeln selbst, natürlich kauf ich keinen Jus im Großmarkt, und natürlich arbeite ich nur mit Produkten von Hersteller:innen, die ich kenne und denen ich vertraue. Ich habe Prinzipien, aber ich muss sie nicht jeder und jedem ins Gesicht brüllen. Für mich sind das Selbstverständlichkeiten, ich kenne gar nichts anderes.“
„Ich habe Prinzipien, aber ich muss sie nicht jedem ins Gesicht brüllen. Für mich sind das Selbstverständlichkeiten, ich kenne gar nichts anderes.“
Hohe Weihen
25 Plätze hat das „Heu & Gabel“, das in der Coronazeit ursprünglich als Feinkostladen entstanden ist. Erträumt und entwickelt wurde es von Kathi und Mario Schinner-Krendl, als ein Ort, an dem nachhaltig produzierte, aus kleinen Betrieben stammende, durchwegs in Bio-Qualität gefertigte Delikatessen feilgeboten werden. Daneben gab es Frühstück und kleine Imbisse.
Über die Jahre wurde die Gastronomie-Seite aber immer wichtiger, und mit dem Auftritt von Clara Aue, die in ihren bisherigen Stationen schon hohe Weihen erhalten hatte – darunter zwei Hauben als „Newcomerin des Jahres“ im Gault&Millau und ein Eintrag in die Liste der „100 Best Chefs“ Österreichs – rückte sie endgültig ins Zentrum.
Also steht Aue jetzt da, eben im Zentrum, sprich: in der offenen Küche des „Heu & Gabel“, mit bester Aussicht auf ihre Gäste, und schält Karotten.
Vom Kopf bis zu den Füßen
Die Größe – konkret: die Kleinheit – des Lokals hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil: „Wir können hier auch sehr gut mit kleineren Landwirtschaften zusammenarbeiten, die keine großen Mengen produzieren, die vielleicht nur einmal im Monat schlachten – das geht sich für unseren Bedarf trotzdem aus.“
Ein Nachteil: „Wir haben hier natürlich wenig Platz für Vorratshaltung. Ich kann kein Kalb oder Lamm im Ganzen ankaufen und dann verarbeiten, dazu fehlt mir der Kühlraum. Ich kann auch nicht so viel Obst und Gemüse einlegen und fermentieren, wie ich gerne würde. Ich muss also sehr klug und gezielt einkaufen, um ressourcenschonend zu arbeiten.“
„Wir können hier auch sehr gut mit kleineren Landwirtschaften zusammenarbeiten, die keine großen Mengen produzieren.“
Außerdem achtet Aue beim Einkauf darauf, auch weniger populäre Zuschnitte zu verwenden, siehe zum Beispiel das Wagyu-Geschnatter, „und in Zukunft möchte ich auch das Innereienthema noch stärker forcieren“. In Clara Aues Küche gilt, auch ohne ganze Tiere, das Prinzip Nose to Tail. Und für ihre Gäste gilt: von Kopf bis Fuß. Zufrieden nämlich. Übrigens: Den prächtig bunten Boden im Lokal hat der Maler Bernd Püribauer gestaltet. Wir stehen da drauf.