Die harten Fakten zuerst: Dass Wagyu-Rinder massiert werden, ist mehr Marketing als Realität. Tatsache ist aber, dass es den Rindern in Helga Bernolds offenem Stall im Weinviertler Stronsdorf ziemlich gut geht. Oder wie es die Landwirtin ausdrückt:
„Im nächsten Leben werde ich ein Rindvieh bei mir!“
Die Tiere sind den Sommer über auf der Weide: Frische Luft, freier Himmel und eine „Bomben-Playlist“ gehören zu ihrem Stall-Leben. Beim Musikhören kann Helga richtig abschalten. Ihre gute Laune überträgt sich dabei im besten Fall auch auf die Tiere– zumindest so lange kein Schlager gespielt wird, sagt die Landwirtin.
Helgas Streichelzoo
Neben den Wagyus besteht Helga Bernolds 120-köpfige Rinderherde noch aus Pinzgauern (weil sie ihrer Meinung nach einfach die schönsten sind), Angus und Salers. Gemeinsam mit Ihrem Freund Wolfgang betreibt sie auf ihren 100 Hektar Land neben der Fleischrinderzucht auch Ackerbau. Der Feldanbau von Getreide, Linsen, Kürbissen und Sonnenblumenkernen rundet das Konzept des Demeter-Betriebs ab.
Als Bonus und für den Eigenbedarf werden noch Hühner, Enten und Schafe gehalten – oder wie Helga es nennt: der Streichelzoo. Um die ganze Wirtschaft am Laufen zu halten, müssen auch ihre fünf Kinder mithelfen, aber „lange nicht mehr so, wie wir das damals mussten“, stellt die Niederösterreicherin klar.
Aufgeben, um das machen zu können, was man liebt
Helga ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen und warf ihren Vorsatz „Bäuerin werde ich fix nicht!“ nach dem Studium (Fotografie und Wirtschaft) und einer erfolgreichen Unternehmensgründung im IT-Bereich doch über Board. Sie nahm die Kürzung des Stundenlohns von „viel auf nix“ in Kauf, um das zu machen, was sie bis heute liebt. Nach dem Motto „Geht ned, gibt’s ned“ war schnell klar: „Wir machen das anders.“
„Ich bin dem Tier schuldig, dass ich das selbst mache“
Ein Rinderleben lang
Bernold war es wichtig, dass ihre Tiere ein langes, gutes Leben haben, wodurch sich der Fokus auf Wagyus anbot: Die Rinder sollen pro Tag nicht mehr als 500 Gramm zulegen. Durch die langsame Zunahme wird das Fleisch besonders zart und erhält die typische Marmorierung. Erst mit circa vier Jahren werden die Tiere dann am Hof geschlachtet. „Das ist für mich als Tierhalterin die letzte Konsequenz und das bin ich dem Tier schuldig, dass ich das selbst mache“, erklärt Helga den Kreislauf.
Die Tiere kommen alle am Hof zur Welt und verbringen dort ihr ganzes Leben. Auch ihr letzter Gang soll in Würde, Dankbarkeit und Wertschätzung passieren. Die Prinzipien sind klar: Den Tieren soll es in ihrem Leben an nichts fehlen und Kälber werden nicht geschlachtet. „Es ist einfach nicht notwendig, Kalbfleisch zu essen, schon gar nicht bei einem Wagyu-Rind.“
„Es ist einfach nicht notwendig, Kalbfleisch zu essen, schon gar nicht bei einem Wagyu-Rind.“
From Nose to Tail
Auch die Zerlegung und Aufbereitung ist noch richtiges Handwerk. Wolgang ist der Fleischermeister und ein Perfektionist. Jedes Stück Fleisch, jedes Steak und jedes Schnitzel wird mehrmals angegriffen, bis es in der Pfanne landet. Gemeinsam gehen sie für Qualität, Tierwohl und Nachhaltigkeit zahlreiche Extrameilen. Die muss man sich in der Produktion und in der Folge auch als Konsument:in leisten wollen.
„Der bewusste Konsum wird Gott sei Dank immer mehr.“
„Man braucht auf jeden Fall Liebe dazu. Wir schlachten nur 25 bis 30 Tiere im Jahr und können mit Supermarktpreisen nicht konkurrieren.“ Die Wertschätzung für Ab-Hof-Biofleisch aus artgerechter Haltung steigt jedenfalls. „Der bewusste Konsum wird Gott sei Dank immer mehr. Ich würde mir deshalb für die Fleischproduktion und Gastronomie noch mehr Ehrlichkeit und Konsequenz wünschen.“ Wer sich für Tierwohl ausspricht, muss auch andere Teile als das Filet lieben lernen. Helga Bernold bietet 50 verschiedene Cuts vom Rind und „alle sind gut“. Da ist mehr Mut zur Vielfalt und unterschiedlichen Geschmacksfacetten gefordert – ganz wie beim Wein.
Wellness im Stall
Zurück zur Rinder-Massage: An aufgehängten Bürsten können sich die Rinder selbst reiben, um die eine Stelle am Rücken zu kratzen und zu massieren. Und wenn es mit dem gemütlichen Hin- und Herwippen nicht getan ist, wird zwischendurch auch mal ordentlich gestriegelt – vor allem von den Kindern. Da wär‘ sie wieder, die Liebe.