Teller, Trog oder Tank – wie viel landwirtschaftliche Fläche soll für die menschliche Ernährung (Teller), die Tierfütterung (Trog) und die Produktion von Bio-Kraftstoffen (Tank) verwendet werden? Eine Debatte, die im Zuge der Lebensmittelknappheit durch den Ukraine-Krieg sehr vehement geführt wurde. Leider ist die naheliegendste Vorstellung, nämlich einfach mehr für den Teller als für Tiere oder Tank zu produzieren, nicht einfach umsetzbar – oder, wie Stefan Schlegel es ausdrückt: „Einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen haben sich noch nie bewährt.“
Ohne hier zu sehr ins Detail zu gehen, kann man sagen, dass diese Dreiteilung schon ihre Gründe hat, wobei auch ein Hinterfragen angesichts der aktuellen Krisen legitim und notwendig ist, gar keine Frage. Stefan geht es in diesem Kontext eher um das immer schlechter werdende Image von Fleisch, die damit verbundene Produktion von Futterpflanzen und um Pauschalurteile, die dem einen oder der anderen dann schnell über die Lippen kommen.
„Ich denke auch, dass es in Maßen gesund ist, Fleisch zu essen. Aber wenn man es tut, dann sollte es ein g’scheites Fleisch sein.“
„Bei der Produktion von Fleisch entstehen gute Kreisläufe“, sagt Stefan, der den Betrieb 1997 von seinen Eltern übernommen und 2003 auf Bio umgestellt hat. „Ohne Tierhaltung könnte ich meinen Betrieb nicht führen. Ich denke auch, dass es in Maßen gesund ist, Fleisch zu essen. Aber wenn man es tut, dann sollte es ein g’scheites Fleisch sein.“ Ein bewusster Genuss à la Sonntagsbraten.
Wenn Stefan von Kreisläufen spricht, dann meint er die Synergien, die sich einstellen, wenn Unterschiedliches angebaut und produziert wird. Im Falle des Biohof Schlegels sind das einerseits Bio-Weidegänse, -Hühner und in der Weihnachtszeit -Enten. Andererseits baut er Kräuter wie Zitronenmelisse, Thymian, Petersilie oder Korianderblätter an, die er über die Firma Waldland vermarktet, sowie Futterpflanzen, die übers Tier veredelt werden und dann wieder Dünger bereitstellen. „Eine schöne, runde Sache“, wie er findet.
„Eine ungarische Mastgans lebt in etwa 12 Wochen, bei uns sind es 20 Wochen.“
Agile Gans vs. Mastgans, Slow Chicken vs. Turbo-Chicken
Der Biohof Schlegel im Waldviertel ist unter anderem bekannt für die Bio-Weidegänse, die dort auf vier Hektar herumlaufen. Pro Federvieh stehen in etwa 100 m2 zur Verfügung, das ist viermal so viel wie in der normalen Bio-Haltung. Die Gänse bewegen sich also mehr, was sich positiv an der Konsistenz des Fleischs bemerkbar macht. Und sie bewegen sich länger: „Eine ungarische Mastgans lebt in etwa 12 Wochen, bei uns sind es 20 Wochen“, sagt Stefan. Zusätzlich zur Weidegans gackern vor Ort Bio-Hühner vor sich hin. Auch hier schmeckt man den Unterschied zum konventionellen Supermarkt-Huhn: „Während das Turbohuhn nur ein paar Schritte zwischen Trog und Wasser macht, sind die langsam wachsenden Rassen beweglicher und agiler, sie nutzen den Auslauf viel mehr.“ Mehr Bewegung, weniger Konsum, mehr Gelassenheit, weniger Eile – vom Federvieh auf der Weide kann auch der Mensch sich ein bisschen was abschauen, könnte man meinen.
„Das Allerschönste an meinem Job ist: Ich mach’ die Tür auf und bin in der Arbeit.“
Stefan entscheid sich 2008, den Betrieb hauptberuflich zu führen. Davor war er beim Maschinenring beschäftigt, einer Vereinigung von landwirtschaftlichen Betrieben, die sich Maschinen und Arbeitskräfte teilen, wo er „erfreulicherweise mit den innovativeren Bäuerinnen und Bauern“ in regem Austausch stand. Deren Tun inspirierte ihn so weit, dass er sich selbst zu einem machte. „Das Allerschönste an meinem Job ist: Ich mach’ die Tür auf und bin in der Arbeit. Und wenn jemand was braucht, kann ich in fünf Minuten da sein.“
Mit „jemand“ meint er hauptsächlich die fünf Kinder, die zwar nicht mehr klein sind („zum Glück!“), aber „intensivere Hobbys“ wie Handball oder Musik haben. Wer am Land abseits von Bus und Bahn lebt, weiß, dass das mehrere Familientaxifahrten pro Tag bedeutet. „Mit einem normalen Job würde das nicht gehen“, sagt Stefan, dessen Frau als Lehrerin arbeitet. Im Hochsommer verlegt er die Arbeiten in die frühen und späten Stunden des Tages, „dazwischen leiden wir alle, sowohl die Tiere als auch die Acker und ich selbst“. Die Siesta wird immer mehr zur Notwendigkeit, so wie die trockenen Böden eine immer größere Herausforderung darstellen. „Die Weide ist momentan mehr oder weniger Steppe.“
Badewannen für die Gänse
Das Bedürfnis der Gans nach Wasser, das das Hendl naturgemäß nicht hat, löst Stefan mit einer Art übergroßer Badewanne, die aus abgeschnittenen Palettencontainern hergestellt wird. Die Idee hat er von Georg Bacher, einem passionierten Biobauern, mit dem er in der Vermarktung zusammengearbeitet hat. Die Wannen ermöglichen den Gänsen einen artgerechten Wasserzugang – und Stefan einen einfachen Wasser- und Standortwechsel: „Dass man die bewegen kann, ist ein großer Vorteil. Sonst hätte man ein Problem mit Gatsch“, sagt er.
„Den Brückenschlag zu finden zwischen der Idee und der Umsetzung, das ist nicht leicht.“
Seine Kundinnen und Kunden sind zum Großteil Privatpersonen. Die Hauszustellung entwickelt sich sehr gut, wie er sagt. Außerdem wird sein Geflügel in Bauernläden und auf diversen Märkten in der Umgebung, aber auch in Wien angeboten. Und per Post wird das Federvieh auf Wunsch ebenso zugestellt. Chicken und Goose on demand, sozusagen. Die Gastronomie ist kein Schwerpunkt, „aber da darf sich gern noch bissl was entwickeln“, sagt Stefan.
Für die Zukunft wünscht er sich, dass die Herausforderungen, die unter anderem durch den Klimawandel entstehen, von der Politik in einer praxisnahen und bürokratiearmen Art und Weise adressiert werden. „Den Brückenschlag zu finden zwischen der Idee und der Umsetzung, das ist nicht leicht.“ Aber Stefan ist keiner, der jammert. Er weiß die Freiheiten, die er durch die selbstständige Arbeit hat, in hohem Maße zu schätzen. Und freut sich auch immer über Erzählungen von Kundinnen und Kunden, für die das Ganslessen ein Jahresevent ist. „Bei der Gans ist bei der Zubereitung ganz viel Talent gefordert. Ich bewundere immer wieder, was die Leute aus unseren Gänsen machen und was für eine Freude sie dabei haben – das ist schon sehr faszinierend.“