Bei finkundgut in Enzersdorf im Thale starten die Tage immer gleich. Und zwar mit einem lauten und ernst gemeinten „Guten Morgen, Mentscha, was is los?“, gefolgt von ein paar liebevollen Halsklopfern von „Stallfrau“ Martina Fink. Die „Mentscha“ sind elf Original-Braunvieh-Mutterkühe mit ihren Kälbern und der ganzen Herde – insgesamt 40 Nasen im Stall bzw. im Sommer auf der Weide. Der Familienbetrieb umfasst 80 Hektar Land im Herzen des Weinviertels, auf dem Wagyu x Montafoner Rindfleisch und Kürbiskernöl produziert werden.
Familienbande
Die Entscheidung für eine alte, bodenständige Rasse wie das Original Braunvieh war für die Quereinsteigerin klar – leicht gebärend, genügsam und lieb sollten sie sein. Die Kreuzung mit den Wagyus war für die Fleischqualität nochmal das i-Tüpfelchen, und so lebt hier eine glückliche, entspannte Rinderherde.
„Die Charaktere der Kühe sind so individuell wie beim Menschen.“
„Bei uns erfolgt der Zuwachs rein natürlich. Wir haben einen sehr netten Stier, der bei den Damen dabei ist. Das funktioniert erstaunlich gut und wir sind stolz auf unsere schöne Herdenatmosphäre“, erzählt Martina.
Auch die Geburten passieren ganz nebenbei. „Meistens komm’ ich in der Früh in den Stall und die Kälber sind da – diese Privatsphäre gönnen wir unseren Kühen auch.“ Was nicht heißt, dass nicht ausgiebig gestreichelt wird. Die Tiere wachsen mit uns Menschen auf und entscheiden selbst, wie viel Nähe sie suchen. „Wir haben auf jeden Fall Streichelkühe, die es lieben, verwöhnt zu werden. Andere wieder gar nicht. Die Charaktere sind so individuell wie beim Menschen.“ Nur eines haben die Kühe alle gemein: Sie mögen keinen Nebel.
The Circle of Life
Martina erzählt, dass die Rinder vom ersten bis zum letzten Atemzug von der Familie Fink begleitet werden. Eine Woche vor der Schlachtung findet eine Verabschiedung statt, bei der sich Martina vor allem bedankt: beim Tier, bei der Mutterkuh, bei der gesamten Herde. Für die Finken (wie sich die Familie selbst gerne bezeichnet) ist das ein stimmiger Prozess, denn ohne Sterben gibt’s auch kein Leben. „In dieser Klarheit begleite ich mein Tier und so kann es in Ruhe und Vertrauen den letzten Weg machen.“
Gemeinsam die Welt verbessern
Martina wollte sich schon immer dafür einsetzen, dass die Welt ein besserer Ort wird. „Zuerst dachte ich, ich muss dafür Bundeskanzlerin oder UNO-Generalsekretärin werden“, sagt sie. Doch dann lernte sie bei einem freiwilligen ökologischen Jahr in einem Demeter-Betrieb mehr über Landwirtschaft. Über die Vielfalt des Bodens, über den Hofkreislauf und über den unglaublichen Hebel, den man als Landwirt:in für eine bessere Welt in der Hand hat.
Dass sie ihrem zukünftigen Mann Siegfried in einer Arbeitsgruppe über den Weg lief, hat auch ein bisschen was damit zu tun. Seither versucht das Paar, die Philosophie eines geschlossenen Hofkreislaufs zu leben: Es werden nur so viele Tiere gehalten, wie man mit dem eigenen Hof ernähren kann. Die Tiere produzieren genau die Mistmenge, die dem Boden guttut, die optimale Fruchtfolge möglich macht, sowie die Biodiversität und Insektenvielfalt fördert. Jetzt müsste die Lobby des Mistkäfers nur mehr so gut sein wie die der Biene, damit dieses Wissen auch über eine superbewusste Bubble hinausgeht.
Ganzheitliche Verarbeitung braucht Fantasie
Aber nichts gegen die Bubble: Martina liebt es, dass sie fast alle ihre Abnehmer:innen persönlich kennt und denkt schon beim Verpacken der Fleischpakete an die Freude, die sie damit schafft. Das lang gereifte und individuell mit viel Liebe vorbereitete Qualitätsfleisch wird „from nose to tail“ verarbeitet und verkauft, weil man jedes Teil unterschiedlich verarbeiten kann.
„Wer bewusst konsumiert, muss auch bei der Resteverwertung kreativ werden.“
„Ich würde mir wünschen, dass die Knochen noch mehr Beachtung finden“, gesteht Martina, „denn so eine Knochensuppe ist ein wahres Superfood voller Calcium. Wer bewusst konsumiert, muss auch bei der Resteverwertung kreativ werden: Wenn es heute gekochtes Rindfleisch gibt, habe ich übermorgen noch Rindfleischsalat“, liefert sie gleich einen Vorschlag mit. Der Menüplan ist immer ein bisschen anders, aber wiederkehrend – genauso wie die Arbeit im Jahreskreislauf, die Martina als „sehr erfüllend“ beschreibt. Das Schöne daran: Der Frühling kommt immer wieder.