Beginnen wir ausnahmsweise mit dem Schluss. Genauer gesagt mit dem Tisch, nachdem wir das Gespräch mit Herbert Stranzinger, dem Leiter des Stiegl-Gut Wildshut, beendet haben. Geplant war ein kurzes Interview. Eine halbe Stunde etwa.

Üblicherweise stehen da ein Espresso und ein Glas Wasser am Tisch. Nach ziemlich genau zweieinhalb Stunden sah der Tisch anders aus. Irgendwie erinnerte er an ein Bild des kürzlich verstorbenen Eat-Art-Künstlers Daniel Spoerri. Ein angerissener Laib Brot, eine Schüssel, in der noch Saucenreste vom ‚Hasen Royal‘ waren, einem Gericht, das der Wildshuter Küchenchef gerade neu auf die Karte gesetzt hatte. Zweimal fünf Gläser, in denen wir die Biere des Stiegl-Guts verkostet haben, eine Flasche vom brandneuen Bio-Whisky und ein paar leere Schnapsgläser.
Völlerei? Mitnichten. Es war eine kulinarische Leistungsschau dessen, was die Bio-Landwirtschaft, die Brauerei und die Küche in Wildshut draufhaben. Herbert Stranzinger meint dazu: „Ich bin überzeugt, dass diese Art der Präsentation dazu beiträgt, die Idee und die Philosophie von Wildshut besser zu verstehen.“ Das sehen wir genauso.
Heinrich Dieter Kiener, Eigentümer der Stiegl-Brauerei, beschreibt in seinem Buch ‚Auf ein Bier mit John Maynard Keynes‘ seine Kindheitserlebnisse und auch den Prozess, wie das Stiegl-Gut Wildshut zu dem wurde, was es heute ist. Eine lohnende Lektüre, nebenbei gesagt. Von Anfang an war es Alessandra Kieners und sein Plan, aus dem Anwesen ein ‚Leuchtturmprojekt‘ der biologischen Landwirtschaft zu machen.
Ein Projekt inspiriert unter anderem von Karl Ludwig Schweisfurths Hermannsdorfer Landwerkstätten im bayerischen Glonn. Einem Projekt, bei dem nachhaltiges Wirtschaften, das Denken und Arbeiten in Kreisläufen und Respekt vor der Natur im Vordergrund stehen. Genau das sollte auch das Stiegl-Gut Wildshut werden.
Mission accomplished. Das Stiegl-Gut Wildshut ist zu genau diesem Musterbetrieb geworden. „Wir haben 130 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, 28 Hektar Wald und eine Au“, beschreibt Herbert Stranzinger die nackten Zahlen.

Aber darum geht es eigentlich nicht. In der Wildshuter Gedankenwelt spielt Größe nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es um lebendige Böden und Artenvielfalt. „Auf den Wildshuter Bio-Äckern wächst unter anderem tiefwurzelndes Urgetreide wie Laufener Landweizen, Schwarzhafer, Stieglers Kaisergerste oder Ebners Rotkorn, Seite an Seite mit Kornblumen, Klatschmohn und Ackerwildkräutern. Pflanzen, die hier als Nützlinge betrachtet werden, die den Boden verbessern und das Getreide vor Schädlingen schützen können“, schwärmt Herbert Stranzinger.
„Wir sehen es als unsere Aufgabe, das, was uns unser Boden gibt, ins Glas zu bringen.“
Und das Ergebnis? Herbert Stranzinger bringt es auf den Punkt: „Wir sehen es als unsere Aufgabe, das, was uns unser Boden gibt, ins Glas zu bringen.“ Auch diese Mission erfüllen die Wilshuter mit Bravour. Aus der Brauerei kommen herausragende Bier-Kreationen. Durch die eigene Mälzerei haben die Braumeister sämtliche Stellräder für das geschmackliche Feintuning zur Verfügung.
Das Angebot ist so vielfältig wie das Sortenspiel beim Getreide. Unser persönlicher Favorit nach der intensiven Verkostung: die ausgesprochen elegante Wildshut-Bio-Perlage. Flaschengärung, Hefe aus der Champagne (obwohl man die aus markenrechtlichen Gründen so nicht nennen darf), Wildshuter Malz und Aromahopfen. Das Bier wird uns genauso lange in Erinnerung bleiben wie unser Besuch am Gut.