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Kopf muss man haben

Über die Fähigkeiten des Krauts, der Fermentierung und warum Sauerkraut eine besonders gesunde Vitaminbombe ist.
von Sebastian Hofer
Kohl
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Zunächst eine wichtige Begriffsklärung: Was in Österreich Kraut heißt, wird in Deutschland Kohl genannt, genauer gesagt: Weißkohl. Unser Kohl dagegen heißt dort Wirsing. Das Kraut, von dem hier die Rede sein soll, stammt aber tatsächlich aus der Gattung der Kohle. Jenes pralle, hand- bis fußballgroße, knackig grünlich-weiße Blattgemüse, das zur Herstellung von Krautfleckerln, Krautfleisch, Krautrouladen, Krautsalat oder Sauerkraut verwendet wird. Es handelt sich um eine Zuchtform des Gemüsekohls Brassica oleracea, aus der Familie der Kreuzblütler, die nicht nur in Österreich und Deutschland weit verbreitet ist.

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Weißkohl

Zusammen mit seinen zahlreichen Verwandten und Varianten (Rotkraut, Spitzkraut, Chinakohl, Wirsing) zählt das Weißkraut zu den wichtigsten Gemüsearten überhaupt: Weltweit werden laut der UN-Ernährungsorganisation FAO über 71 Millionen Tonnen Gemüsekohl pro Jahr geerntet.

Woher kommt das Kraut?

Ihren naturgeschichtlichen Ursprung haben die Brassicaceae wohl schon vor über 20 Millionen Jahren in West- und Zentralasien; Bestandteil des menschlichen Speiseplans wurden sie sehr wahrscheinlich in der späten Steinzeit. Bezeichnungen für Kohlgewächse sind jedenfalls fast in allen frühgeschichtlichen Sprachen zu finden – erste ausführliche Analysen dann bei Cato dem Älteren, Apicius oder Plinius dem Älteren. Laut griechischer Mythologie entstand der Kohl aus den Tränen des Lykurgos, eines Königs Thrakiens, den der Gott Dionysos ins Unglück stürzte. Aber das ist lange her und der Weißkohl, also unser Kraut, war damals noch gar nicht erfunden. Dies ist eine spätere Variante des Kopfkohls, also jener Arten, bei denen die Blätter einen festen Kopf bilden (im Unterschied etwa zum gefiederten Grün- oder Schwarzkohl).

Verschiedene Züchtungen

Die verschiedenen Züchtungen des Weißkrauts unterscheiden sich in Kopfgröße, Aussaat- und Erntezeitpunkt, Struktur und Lagerfähigkeit, traditionelle Sorten sind etwa das mächtige Braunschweiger Kraut, das Fielderkraut oder das Dithmarscher; neuere Züchtungen heißen etwas zeitgeistiger Matsumo oder Rivera.

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Spitzkraut

So gesund ist Kraut

Die typische Verwendung und Zubereitung des Krauts hat viel mit seiner Vegetationsperiode zu tun: Wir haben es mit einem klassischen Herbst- und Wintergemüse zu tun, das entsprechend robust ist, deshalb vor allem in deftigen Schmorgerichten vorkommt und für seine Lagerfähigkeit geschätzt wird. Seine etwas zeitgemäßere, leichtere Behandlung kam über das Christian Domschitzsche Hummerkrautfleisch nicht wirklich hinaus, abgesehen von einem kurzlebigen Krautsuppen-Wunderdiät-Hype.

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Sauerkraut

Tatsächlich macht Kraut dem Verdauungsapparat einige Arbeit, ist aber bei fachgerechter Zubereitung sehr bekömmlich und äußerst gesund. Das liegt an seinem hohen Anteil an Vitamin C und antibiotisch wirkenden Senfölen; vor allem in seiner Variante als milchsauer vergorenes Sauerkraut hat es das Zeug zum Alltagsheilmittel.

So war die Erschließung der Weltmeere durch europäische Eroberer (dank seiner Skorbut vermeidenden Wirkung) auch eine Frage des Sauerkrauts, wir können also wohl von einem europäischen „Kohlonialismus“ sprechen. Andererseits gilt als erster wichtiger Wegbereiter des Sauerkrauts ein gewisser Dschingis Khan, dessen Heere die Welt mit milchsauer eingelegtem China- und Weißkohl in den Taschen beritten.

Das Kraut in der Küche

Walther Havelka beschreibt in seinem Buch über „Das Beste aus der Wiener Küche“ aus dem Jahr 1978 eine klassische heimische Zubereitungsmethode – übrigens als einzige, die ohne größere Mengen Fleisch auskommt: das hier sogenannte Süßkraut, bei dem Krautköpfe in fingerdicke Scheiben geschnitten, in Salzwasser mit etwas Kümmel fast gar gekocht und dann in heller Zwiebelmehlschwitze eingebrannt werden, „etwas Petersilie kann auch dazugetan werden“. Ebenfalls klassisch, aber noch etwas deutlicher aus der Zeit gefallen ist ein Tipp des großen F. G. Zenker in seinem „Kochbuch für die mittleren Stände“ aus dem Jahr 1820 zur Zubereitung des Sauerkrauts:

„Soll man Fasanen genug haben, um ein paar in das Kraut spendieren zu können, so werden dieselben schnell abgebraten und in vollem Saft in das gedämpfte Kraut gesteckt, das Gefäß wieder verpappt und noch eine Stunde in den Ofen gesetzt.“
F. G. Zenker
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Gekochtes Kraut

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