Dein Jahr beginnt lange bevor jemand ein Glas hebt. Wenn die ersten Morgen kühl sind und der Weingarten noch im Dunst liegt, sortierst du bereits Pläne, Sorgen und Hoffnungen. Vieles von dem, was auf Etiketten plötzlich als „neu“ verkauft wird, ist für dich längst tägliche Praxis – und manches, was nach Fortschritt klingt, fühlt sich aus der Nähe eher nach zusätzlicher Last an.
Was dich beschäftigt
Im Moment arbeitest du oft im Spannungsfeld zwischen Boden und Bildschirm. Da ist der Weingarten, der nichts von Förderrichtlinien weiß, aber deutlich zeigt, wenn er müde wird. Und da sind Mails, Preislisten, Anfragen, die so tun, als ließe sich Wein wie eine Zahl in ein Raster einpassen. Du spürst, wie wenig Luft bleibt, wenn jede Entscheidung gleichzeitig ökologisch, wirtschaftlich und kommunikativ sein soll – und wie wichtig es ist, dir zwischendurch einen stillen Gang durch die Reihen zu erlauben, ohne sofort an Ertrag zu denken.
Auch das Publikum verändert sich. Viele wollen genau wissen, woher dein Wein kommt, wie du arbeitest, was du weglässt. Ein Teil dieser Fragen ist ehrlich, ein Teil ist Modeton. Du lernst, nicht jede Erwartung zu bedienen. Wer nur nach dem Etikett kauft, ist vielleicht nicht dein Maßstab. Wichtiger werden jene, die wiederkommen, obwohl du keine großen Versprechen machst.
Gesundheit
Gesundheit ist für dich längst kein reines Keller- oder Körperthema mehr, sondern ein ganzes Geflecht. Du merkst, wie sehr deine eigenen Kräfte mit der Bodenstruktur verknüpft sind: Ein Weingarten, der Wasser halten kann, nimmt dir Stress. Ein Jahr mit stabilen Reben schenkt Schlaf. Deshalb schaust du inzwischen genauer hin, wenn der Boden aufbricht, wenn Regen zu schnell abfließt, wenn es in der Tiefe still wird.
Auch dein eigener Rhythmus rückt in den Fokus. Die Nächte während der Lese, die langen Tage bei Hitze, das ständige „nur noch schnell“ erledigen – all das lässt sich nicht ewig übergehen. An manchen Stellen beginnst du, Grenzen zu ziehen: eine Mahlzeit am Tag, die nicht nebenbei passiert; ein Abend, an dem kein Fass mehr geöffnet wird; ein Arzttermin, der nicht wieder verschoben wird, weil der Traktor Vorrang hat.
Spirit
Spirit zeigt sich in deiner Arbeit nicht als große Geste, sondern in einem leisen Vertrauen darauf, dass nicht alles planbar ist. Du weißt, wie sich ein Jahr anfühlt, das trotz aller Mühe nicht auf deiner Seite ist, und du kennst das Gegenteil, wenn ein Herbst plötzlich alles richtet. Zwischen diesen Polen wächst eine Haltung, die weniger nach Kontrolle klingt und mehr nach Dialog: Du stellst Fragen an den Weingarten und akzeptierst, dass die Antworten manchmal erst Monate später kommen.
Manche nennen es Intuition, andere Erfahrung. Für dich ist es das Gefühl, im richtigen Moment stehen zu bleiben, eine Beere länger in den Fingern zu halten, einen Tag mit der Lese zu warten, obwohl alles nach Eile schreit. In diesen Momenten entsteht der Teil deines Weins, der später niemandem mehr erklärt werden muss.
Was du loslässt
In diesem Jahr verabschiedest du dich mehr und mehr von der Rolle, immer alles mitzumachen, was in Verkostungen gefeiert wird. Nicht jeder Trend gehört in deinen Keller, nicht jede Ausbaustufe auf deinen Hof. Du musst nicht gleichzeitig „klassisch“, „orange“ und „ikonisch“ sein, nur weil es möglich wäre.
Auch das Bild vom unermüdlichen Einzelkämpfer beginnt Risse zu bekommen. Du erlaubst dir, Arbeiten abzugeben, Kooperationen einzugehen, Hilfe anzunehmen. Das ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern eine stille Anerkennung dessen, dass ein lebendiger Betrieb mehr ist als die Summe einer Person. Wo du früher versucht hast, jede Lücke selbst zu füllen, lässt du jetzt bewusst welche offen – und erlebst, dass andere hineintreten.
Was kommt
Das nächste Jahr bringt dir nicht unbedingt Ruhe, aber mehr Klarheit. Viele, die deinen Wein trinken, werden genauer darauf hören, wie du über Herkunft, Klima, Jahrgänge sprichst. Du musst dafür keine großen Reden halten. Ein paar präzise Sätze reichen: warum ein Wein leichter geworden ist, warum ein anderer knapp ist, warum eine bestimmte Lage heuer fehlt. Ehrlichkeit ist längst die stärkste Marke, die du hast.
In der Arbeit selbst wird sich vieles weiter verschieben: hin zu Sorten, die Hitze besser tragen; zu Bewirtschaftungsformen, die nicht erst dann greifen, wenn es kritisch wird; zu Vertriebskanälen, die weniger Lärm machen und dafür verlässlicher sind. Vielleicht landen deine Flaschen häufiger dort, wo sie wirklich gewollt sind – auf Tischen, an denen Menschen sitzen, die spüren, wie viel Geduld in einem Wein steckt, der nicht jeden Trend mitgehen muss.
Wein, der so entsteht, braucht Kontext – und Menschen, die bereit sind, zuzuhören. Gaumen Hoch schafft diesen Rahmen: für Herkunft, für Arbeit, für ehrliche Einordnung. Weinbau bei Gaumen Hoch
















