Im traditionell geprägten Zillertal ein vegetarisch-veganes Restaurant zu eröffnen, ist mutig. Die Idee, sich auf Gemüse zu spezialisieren, kam Peter Fankhauser, Chef de Cuisine im Guat’z Essen, 2008. „Ich koche seit 32 Jahren und habe mich nur in Sterne- und Haubenhäusern bewegt. Manche Köche haben oft nur das Beste vom Produkt verwendet und der Rest landete in der Biotonne. Das war für mich immer eine große Sünde. Lebensmittel brauchen ja Zeit, um zu wachsen, sie brauchen Energie, Sonne und Wasser“, sagt Peter.
„Permakultur heißt einfach, im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Was die Natur dir schenkt, das gibt es dann auch.“
Der Drei-Hauben-Koch und Gault Millau „Newcomer des Jahres 2024“ sorgt ordentlich für Wirbel – im besten Sinne. 80 Prozent der Zutaten für seine hochgelobten Gerichte kommen aus dem eigenen Garten, der nicht nur eine einfache Grünfläche ist, sondern in Permakultur betrieben wird. „Permakultur heißt einfach, im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Was die Natur dir schenkt, das gibt es dann auch“, sagt Peter, der zuvor u. a. als Patissier bei Reinhard Gerer im Corso oder bei Christian Petz im Palais Coburg war.
Bei der Permakultur handelt es sich um ein ganzheitliches „Mehr-als-Bio“-Konzept, das besonders nachhaltig ist, weil der Mensch nicht in das Ökosystem eingreift und Schädlinge durch natürliche Feinde bekämpft werden.
Nicht alle Permakulturgärten, so auch jener von Peter, sind bio-zertifiziert, weil eine Zertifizierung Zeit und Geld kostet – wobei die Art der Bewirtschaftung tatsächlich über Bio hinausgeht.
„Es ist wichtig, zu wissen, welche Pflanzen gut miteinander harmonieren und sich gegenseitig unterstützen.“
Ein solches System ist resilient und idealerweise selbsterhaltend. Und bringt Lebensmittel hervor, die einen intensiven und einzigartigen Eigengeschmack haben. Knappe 800 Kulturen baut Peter an. „Es ist wichtig, zu wissen, welche Pflanzen gut miteinander harmonieren und sich gegenseitig unterstützen“, sagt er. Vielleicht vergleichbar mit einer Hochzeitsgesellschaft, bei der entscheidend ist, wer neben wem sitzt.
Idee: gut, Welt: noch nicht bereit
„Die Leute wollten keine zwei Euro für einen Salatkopf bezahlen, der im Supermarkt die Hälfte kostet.“
Als Peter mit dem Anbau anfing, schloss er sich mit zwei Permakultur-Gärtnern im Zillertal zusammen. Sie gründeten einen Verein, der zum Ziel hatte, den Zillertaler:innen eine Gemüsekiste anzubieten. Auf 1200 Quadratmeter bauten sie unterschiedliche Kulturen an. „Für das Zillertal war es damals zu früh. Die Leute wollten keine zwei Euro für einen Salatkopf bezahlen, der im Supermarkt die Hälfte kostet.“ Die Indieband Tocotronic sang mal in einem Song: „Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit.“
Dafür lernte Peter seine heutige Frau kennen, deren Familie eine betriebliche Stätte mit Zimmern und Frühstück hatte. Und dort befindet sich heute auch das Guat’z Essen, mit dem Peter sich den Traum des eigenen Restaurants erfüllte.
Seine Gerichte haben eine eigene Handschrift und Optik. Sie sehen aus wie kleine Kunstwerke, bei denen man sich im ersten Moment vielleicht sogar scheut, mit Messer und Gabel zu intervenieren. Wenn sich beim ersten Bissen der intensive Geschmack offenbart, legt sich diese Scheu aber verlässlich. Die restlichen 20 Prozent der Zutaten, die nicht aus dem eigenen Garten kommen – Getreide, Milchprodukte, Eier –, bezieht Peter aus der Region. Zwei Drittel seiner Partnerbetriebe sind bio-zertifiziert. Die Milchprodukte kommen vom Demeterhof Lengau in Ginzling, die Eier vom benachbarten Bauernhof. „Alles selbst herzustellen ist unmöglich, das geht sich einfach nicht aus“, sagt er.
„Ich hab in den letzten sechs Jahren kein einziges Gericht wiederholt.“
Veränderung als Konstante
Seine Küche beschreibt er als modern und international angehaucht: „eine Reise quer durch den Permakulturgarten.“ Bei ihm gibt es nicht nur keine Signature-Dishes, sondern wirklich immer etwas anderes. „Ich hab in den letzten sechs Jahren kein einziges Gericht wiederholt. Mein Menü ändert sich monatlich, es passt sich an den Garten an. Die Gäste können sich zu 100 Prozent sicher sein, dass etwas Neues am Teller liegt, wenn sie wiederkommen.“ Was bei Peter konstant bleibt, ist also die Veränderung. Die lebt er konsequent und mit Überzeugung aus.
„Ich bin überzeugt davon, dass sich die Natur wieder stabilisieren wird.“
Für die Permakultur braucht man Zeit und Geduld. Zwei Gründe, warum es in Österreich nur eine Handvoll Permakulturgärten gibt, die ihre Produkte verkaufen. An die Gastronomie liefert kein einziger, soweit Peter weiß. „Alles dauert länger, und wenn du Nützlinge brauchst, kann es sein, dass sie sich nicht ansiedeln, und dann hast du auch schon verloren“, sagt er. Die Klimakrise bewirkt, dass immer wieder neue Schädlinge kommen, wie derzeit die rote Nacktschnecke, die aus Spanien eingeschleppt wurde und ursprünglich aus Indien kam. „Sie hat viel zu wenige natürliche Feinde und überlebt auch den Winter, wenn kein Frost im Boden ist.“
Extremwetterereignisse bringen außerdem Ausfälle, bei den Hagelstürmen im letzten Jahr waren es 50 Prozent. „Ich bin überzeugt davon, dass sich die Natur wieder stabilisieren wird, aber das dauert alles. Auch der Mensch braucht Zeit, sich anzupassen, wenn es von heute auf morgen einen Temperaturunterschied von 15 Grad gibt.“ Bis dahin müssen Peter und sein Team die Schädlinge so gut wie möglich händisch entfernen – mit der Hilfe von ein paar indischen Laufenten, die gerne Schnecken fressen. „Mein Glück ist es, dass wir einige sehr gute Jahre hatten und genügend Produkte eingelegt haben“, sagt er.
Von der Permakultur ist er überzeugt. Seit drei Jahren verhandelt er mit dem Land Tirol über ein Ausbildungszentrum, weil er es wichtig findet, das Wissen an die Jugend weiterzugeben. Permakultur hat Zukunft. Sie ist nachhaltig, resilient und bringt gesunde Lebensmittel hervor, die dem Menschen guttun. Und sie ist ein Modell, das sich auf andere Bereiche übertragen lässt, geht es dabei darum, sich natürliche Kreisläufe zum Vorbild zu nehmen. Sie zahlt auf den One-Health-Ansatz ein, der auf dem Wissen aufbaut, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren und Umwelt eng miteinander zusammenhängt.
„Ich will später Produzent sein und Permakultur-Gemüse für die Spitzengastronomie herstellen. Ich traue mich zu wetten, dass man mir das Gemüse aus der Hand reißen wird.“
Geduld ist eine Tugend, die in der beschleunigten Zeit von heute viel zu wenig kultiviert wird. Von der Permakultur kann man sie lernen. Die Ausdauer, die dafür ebenso hilfreich ist, hat Peter vom Marathonlaufen und Trailrunning, das er 23 Jahre lang betrieben hat, aber mit der Eröffnung des Restaurants aus Zeitmangel bleiben ließ. Vielleicht empfindet er auch deshalb die 16-Stunden-Tage als „entspannend“, wie er sagt. „Ich empfinde das, was ich tue, nicht als Arbeit.“ Seine eigene Zukunft sieht er in der Produktion. „Kochen ist meine Berufung und größte Leidenschaft. Aber ich werde nicht ewig Koch bleiben, sondern will später Produzent sein und Permakultur-Gemüse für die Spitzengastronomie herstellen. Ich traue mich zu wetten, dass man mir das Gemüse aus der Hand reißen wird.“