Im Wallfahrtsort Mariazell gibt es zwei Arten von Pilger:innen: die, die über die Via Sacra tagelang zu Fuß marschieren, um in der barocken Basilika einer der wohl spektakulärsten Eucharistiefeiern weltweit beizuwohnen. Und die, die es, nun ja, etwas weniger gottesfürchtig angehen. Das heißt in diesem Fall: kulinarischer.

Weil’s in Mariazell nicht nur besagte Basilika und die – übrigens nicht minder spektakuläre – Gnadenstatue gibt, sondern auch das Restaurant Lurgbauer. So heißt das Gasthaus von Max Leodolter, das eigentlich weit mehr ist als ein Gasthaus: Rund zehn Autominuten von der Wallfahrtskirche entfernt ist der Lurgbauer ein fast 15 Hektar großes Anwesen, das zum allergrößten Teil aus hügeligen Wiesen besteht. „Die gehören unseren Bio-Rindern“, sagt Max Leodolter und meint damit die Herde an schwarzen Prachtexemplaren der Rasse Aberdeen Angus. Sie sind es auch, die das kulinarische Geschehen im Gasthaus bestimmen.
„Das Gasthaus ist ohne die Landwirtschaft nicht denkbar und umgekehrt.“
Von Kopf bis Huf
Ja, man könnte so weit gehen und sagen: Nirgendwo wird die österreichische Rindfleischküche ehrlicher, gekonnter und nachhaltiger zelebriert als hier „in der Lurg“, rund zwei Autostunden von Wien entfernt. „Das Gasthaus ist ohne die Landwirtschaft nicht denkbar und umgekehrt“, erklärt Leodolter vom Lurgbauer. „Von den etwa 20 Rindern, die wir hier haben, wird alles für das Restaurant verwendet – jeder Knochen, jedes Teilstück“, sagt er und zuckt beim Begriff „Nose to tail“ müde mit den Schultern.
Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich den trendigen Anglizismus nicht gerade wenige Köch:innen auf die Kochjacken heften, die in sieben Gängen mal ein Stückerl Leber einfließen lassen. „Wobei“, relativiert Leodolter fast schon etwas zu bescheiden: „Zwei Teile vom Rind gibt es dann doch, bei denen mir die Ideen für Gerichte fehlen: die Hufe und der Kopf. So ein Kopf kann schnell einmal zehn Kilo haben, und abgesehen von den Backerln wird es da sehr schwierig.“ Dass sich Leodolter mit dem Rest so leichttut, liegt auch daran, dass er quasi mit den Rindern hier aufgewachsen ist.
Zurück nach Hause
Seit drei Generationen wird der Hof von der Familie Leodolter bewirtschaftet. 1989 übernahmen Max‘ Eltern Andreas und Brigitte die Geschicke – und entschieden sich, zusätzlich zur Viehwirtschaft und den Gästezimmern eine kleine Jausenstation für die Pilger:innen zu eröffnen. „Damit war die Basis für das Restaurant, wie es heute ist, gelegt. Auch, weil von Anfang an Rindfleisch auf dem Programm stand“, erklärt Max. Ein Programm, das kulinarisch immer feinere Stückerl spielte, dank des autodidaktischen Händchens von Max‘ Mutter Brigitte, die sich als Köchin einen immer größeren Namen machte. „1997 holte sie sogar die erste Haube im Gault Millau, das war damals eine Sensation!“, erinnert sich Leodolter. Der mindestens genauso ehrgeizige Junior holte sich zur selben Zeit sein kulinarisches Rüstzeug bei Heinz Reitbauer am Pogusch und bei Joschi Walch am Arlberg. Doch nach dem frühen Tod seiner Mutter war klar: Der Hof, das Gasthaus, die Rinder brauchten ihn – mehr denn je.
Tut euch was an!
In den vergangenen 15 Jahren hat Max Leodolter die kulinarische DNA dieses einzigartigen Ortes nicht nur hochgehalten, sondern vertieft und verfeinert. Vielen gilt die Lurgbauersche Rindsuppe zurecht als – Achtung, seltener Superlativ – beste des Landes. Das Carpaccio mit Belper-Knolle und Walnussöl oder das gekochte Rindfleisch haben mittlerweile Klassikerstatus. Und Gerichte wie die geselchte Rinderzunge mit Brennnessel, Vichysoisse und Radieschen, Flank Steak mit Erdäpfelgratin oder geschmortes Ochsenwadl mit gebackenem Sellerie, Selleriecreme und Ribiselchutney zeigen, wie filigran österreichische Rindfleischküche heute sein kann.
Dass auf der Speisekarte des Restaurant Lurgbauer all jene (Bio-)Produzent:innen aus nächster Nähe aufscheinen, die die Lurgbauers mit allem anderen außer Rindfleisch versorgen, ist für Max Leodolter Ehrensache und Herzensangelegenheit zugleich. „Als Gastronomiebetrieb, der sich etwas antut, setzen wir natürlich auch auf Produzentinnen und Produzenten, die sich etwas antun“, sagt er. „Und natürlich wollen wir, dass das unsere Gäste wissen. Ganz gleich, welche Art von Pilger:in bei uns einkehrt: Ehrliches Essen hat sich jeder Gast verdient.“