Diese Geschichte hätte ihren Höhepunkt auch in New York oder Wien finden können – geworden ist es Wimpassing. Dort gehen Werner Tschiedel und Julia Weber auf einem vormals brachliegenden Industrieareal neue – und beeindruckende – gastronomische Wege.
Auf den ersten Blick wirkt es, als wären hier schon mehrere Generationen am Werk. So natürlich und, ja, organisch gewachsen wirkt das Gasthaus Ziegelwerk im idyllischen Wimpassing. Nur: Vor Werner Tschiedel hatte hier niemand von seiner Familie was mit Gastronomie am Hut.
Dass das Ziegelwerk so heißt, geht auf Werners Urgroßvater zurück: „Unter ihm wurde das Areal zur Ziegelerzeugung genutzt, aber seit Ende der 1970er lag das Gelände brach“, erklärt der Hausherr.
„Das Bauen allein hat rund drei Jahre gedauert.“
Tschiedel arbeitete mehrere Jahre als Koch in der deutschen Botschaft in New York, lernte dort seine Partnerin Julia kennen, führte dann in Wien das Coté Sud Bistro, das mit einer Haube ausgezeichnet wurde. Im Jahr 2016 beschlossen Werner und Julia gleich zwei Dinge auf einmal: Erstens, im heimatlichen Wimpassing sesshaft zu werden, um eine Familie zu gründen. Und zweitens: Dort etwas Neues zu schaffen. Einen gastronomischen Ort, der durch und durch auf Qualität setzt – aber trotzdem so viele Menschen wie möglich zusammenbringt.
Neuer Glanz für alte Brocken
Das war alles andere als einfach. „Das Bauen allein hat rund drei Jahre gedauert“, erinnert sich Tschiedel an die vielen Arbeiten, die aus dem bröckelnden Industriebau ein modernes, lichtdurchflutetes Gasthaus machen sollten. Die Holz-und Ziegelelemente stehen hier für das Frühere, das Verwurzelte auch. Sie bilden aber gleichzeitig auch den Rahmen für die großflächigen Scheiben, die für viel Weitblick, Leichtigkeit und modernen Touch sorgen.
Auch der Gastgarten mit dem alten, hoch gen Himmel ragenden Industriekamin aus Ziegelsteinen spielt gekonnt mit den Wurzeln dieses Ortes. Und wo früher der Kalkofen war, steht heute eine Bäckerei mit zwei Holzbacköfen, die für himmlisch knuspriges Sauerteigbrot sorgen, das hier mehrmals die Woche selbstgemacht wird. Überhaupt hat sich das Ziegelwerk seit der Eröffnung im Frühjahr 2019 als ein Ort des beneidenswerten Handwerks erwiesen.
Kein Chichi auf den Tellern
Julia Weber ist nicht nur die umsichtige Gastgeberin des Hauses, sie schupft auch die Pâtisserie, die hier – ein Blick in die Dessertkarte genügt – eine tragende Rolle spielt. Und die zusammen mit Werner Tschiedels geradliniger Küche vom Gault Millau mittlerweile mit drei Hauben und 15 Punkten ausgezeichnet wird – eine Seltenheit für einen Betrieb mit über 100 Sitzplätzen.
„Ich wollte nie etwas machen, was für den Gast abschreckend oder kompliziert sein soll.“
Gerichte wie etwa das Bio-Beuschel mit Serviettenknödel, Zwiebelrostbraten von der Kalbin oder Hausgemachte Gnocchi mit Grünkohl, Maroni, Ziegenfrischkäse und Birne zeigen: Im Ziegelwerk steht das Produkt im Vordergrund. Nichts wirkt überladen, kein Chichi liegt da auf den Tellern.
Die Speisekarte nennt und würdigt alle Lieferanten der einzelnen Produkte namentlich. „Das hochwertige Produkt steht bei uns im Vordergrund, ich wollte nie etwas machen, was für den Gast abschreckend oder kompliziert sein soll“, sagt Tschiedel, der das Küchenzepter mittlerweile an Küchenchef Markus Zapfel abgegeben hat.
Ein besserer Ort
Werner besteht darauf, dass das Ziegelwerk kein Restaurant, sondern ein Gasthaus ist. „Und zwar für alle – ob für Radlfahrer, die hier kurz Halt machen, oder Leute, die nur wegen des Essens herkommen.“
„Die Gastronomie kann ein noch besserer Ort werden, als er ohnehin schon ist!“
Es ist genau dieser Anspruch an hochwertige Kulinarik als verbindendes Element, das Werner Tschiedel und Julia Weber auch bewogen hat, Teil von Gaumen Hoch zu werden. „Wir wollen und brauchen mehr Austausch mit Gleichgesinnten, die es genauso ernst meinen mit den Themen Regionalität und Nachhaltigkeit“, sagt Tschiedel. „Das bringt ja nicht nur uns was, sondern auch den Gästen, die immer öfter wissen wollen, woher unsere Produkte kommen, was drinnen und auch dahintersteckt. Ich bin überzeugt: Indem wir uns verstärkt gemeinsam diesen Themen widmen, kann Gastronomie ein noch besserer Ort werden, als er ohnehin schon ist!“