Man muss sich Gerhard Schiller als glücklichen Koch vorstellen. Er betreibt in Sommerein in Niederösterreich das urige, pittoreske und hochambitionierte Landgasthaus Schiller. Dieses befindet sich seit 1908 im Familienbesitz, anno 2013 nahm sich Gerhard Schiller dem Betrieb an, der damals aber schon fast acht Jahre geschlossen war. „Der Onkel, der den Betrieb von den Großeltern übernommen hatte, hat aufgehört und keinen Nachfolger gefunden“, erinnert sich Schiller heute.
Es kam, wie es kommen musste: „Meine Frau Angelika und ich haben einen Bauernhof gesucht – und den von den Großeltern bekommen. Allerdings unter der Prämisse, dass wir auch das Gasthaus wieder eröffnen.“
Wer nicht wagt…
Gesagt, getan. „Wir haben uns gedacht: Wird schon nicht so schwierig sein. Und man muss sich ja auch was trauen“, sagt Schiller. Das erklärt er auch gern den angehenden Köchinnen und Köchen, denen er sein Wissen an der Tourismusschule Pannoneum in Neusiedl weitergibt – wenn es seine Zeit erlaubt. Er ist diesbezüglich allerdings ziemlich streng: Es soll nämlich schon auch ein Leben neben der Arbeit geben, und genug Zeit für die kleine Tochter. Nicht, dass die Arbeit ihm eine Last wäre, Gerhard Schiller macht eigentlich nicht vieles lieber, als zu kochen.
„Man muss sich ja auch was trauen.“
Gelernt hat er es im Nyikospark in Neusiedl und bei Werner Matt im Wiener Hilton Plaza, verfeinert im alten Steirereck in der Rasumofskygasse unter Küchenchef Helmut Österreicher, zur Perfektion getrieben als langjähriger Souschef von Heinz Reitbauer im neuen Steirereck im Stadtpark.
Inspirationsquelle Garten
Im Landgasthaus Schiller arbeitet er nun auf kleinerer Flamme, mit fünf Mitarbeiter:innen, nur zwei davon in der Küche. Aber was da zu Tisch kommt, muss keinen Vergleich scheuen. Auf eine bestimmte Küchenlinie möchte sich Gerhard Schiller dabei nicht festlegen lassen. „Ob wir ein Wirtshaus sind, ein Landgasthaus oder ein Restaurant, das kann ich gar nicht sagen. Ich will einfach so kochen, wie ich es für richtig halte. Und das bedeutet, dass ich mit Lebensmitteln arbeite, von denen ich weiß, wo sie herkommen.“
Bei etlichen weiß er es sogar ganz genau, sie stammen aus der eigenen Landwirtschaft, die ja schließlich auch am Anfang seiner Landgasthaus-Wirtschaft stand: aus dem Kräuter- und Gemüsegarten hinterm Haus, der Streuobstwiese daneben, von der kleinen Ziegenherde, den eigenen Hendln und Schweinen.
Herkunft: bekannt
„Wir sind über die Jahre einfach immer skeptischer geworden, was Lebensmittel betrifft, deren Herkunft wir nicht kennen“, sagt Schiller, und außerdem hätte ihn das Angebot im Großhandel oft auch einfach erschlagen. Er will sich lieber überraschen lassen, was seine Gemüselieferantinnen und -lieferanten im Kistl haben, oder was der Fischer halt fängt.
„Wir sind immer skeptischer geworden, was Lebensmittel betrifft, deren Herkunft wir nicht kennen.“
Denn Ja: Nicht alles, was im Landgasthaus Schiller auf den Tisch kommt, stammt aus eigenem Anbau, aber das muss es auch nicht. Schiller hat über die Jahre ein dichtes Netz aus Produzentinnen und Produzenten geknüpft, denen er vertraut, die er mag, die oft auch Freundinnen und Freunde geworden sind – kleine Biobetriebe, Marktgärtnereien, qualitätsfanatische Fischer:innen, Geflügelzüchter:innen oder Jäger:innen.
Und mit dem, was sie ihm bringen, kocht er dann: Artischockensalat mit Endivien zum Beispiel, oder eine Fasanensuppe mit Buchweizennudeln und Miso. Den zarten Rehrücken oder einen Neusiedlersee-Wels mit Herbsttrompeten – und natürlich auch eine legendäre Leberknödelsuppe, einen zauberhaften Zwiebelrostbraten und paradiesische Powidltascherl. Man muss sich Gerhard Schillers Gäste als glückliche Menschen vorstellen.