Wer Steirereck im Stadtpark sagt, muss auch Steirereck am Pogusch sagen. Denn so einiges, was in der Küche des am Wienfluss gelegenen Haupthauses verarbeitet und veredelt wird, ist „Importware“ aus der steirischen Außenstelle – und das war nicht immer so. „Früher“, sagt Heinz Reitbauer, Hausherr und Küchenchef des österreichischen Vorzeige-Gourmet-Tempels, „wurde das Lamm aus Neuseeland eingeflogen, und das schmeckte mir nicht. Also das Lamm natürlich schon, aber der Umstand, was für eine Reise dieses Produkt hinter sich hatte, der schmeckte mir nicht.“ Und so ist heute die kontinuierlich gewachsene und inzwischen 120 Muttertiere zählende hauseigene Zucht am Pogusch der alleinige Lieferant.



Lieber von daheim
Das Reitbauersche Umdenken begann vor knapp 20 Jahren. „Nach der Trennung von Helmut Österreicher 2005 habe ich die alleinige Küchenverantwortung unseres Betriebes übernommen und wollte auch stilistisch etwas ändern. Und da war der erste Schritt, Meeresfische oder auch Garnelen aus Übersee aus dem Repertoire zu nehmen. Weil erstens schon damals klar war, dass es um die Meere immer schlechter bestellt sein würde, und weil ich zweitens der Meinung war und bin, dass – der Seeteufel möge es mir verzeihen – eine gesunde und verantwortungsvoll gefütterte Forelle aus glasklaren heimischen Gewässern mindestens genauso gut sein kann. Vor allem aber ist sie mit Sicherheit gesünder.“
„Früher wurde das Lamm aus Neuseeland eingeflogen, und das schmeckte mir nicht. Also das Lamm natürlich schon, aber der Umstand, was für eine Reise dieses Produkt hinter sich hatte, der schmeckte mir nicht.“
Und nach dem Meeresgetier und dem Lamm aus weiter Ferne verabschiedete Reitbauer schließlich auch noch das US-Beef, „das bis dahin als quasi unverzichtbar galt“. Die Zitrusfrüchte übrigens, die legen auch nur sehr wenige Kilometer zurück, um im Steirereck anzukommen, die liefern nämlich die Kaiserlichen Orangerien aus Schönbrunn.
Die Kräuter auf dem Dach
Der Umstand, heimische Produkte in den Fokus zu rücken, bedeutete naturgemäß auch einen immer engeren Kontakt zu Landwirtinnen und Landwirten, Züchter:innen und Hersteller:innen wie Robert Brodnjak vom Krautwerk oder Obstforscher Alois Wilfling. „Und diese Zusammenarbeit“, so Reitbauer, „sorgt auch für ein gegenseitiges Befruchten auf einem gemeinsamen Weg.“ Und damit Gutes wie etwa das Streuobst auf dem Pogusch nicht nur im Steirischen, sondern auch in Wien ganz besonders nahe liegt, ließ Heinz Reitbauer auf dem Dach des Steirereck einen 240 Quadratmeter großen Kräutergarten mit beinahe unglaublichen 90 unterschiedlichen Sorten anlegen.
Stammgast im Spitzenfeld
„Unsere Philosophie ist denkbar einfach“, sagt Birgit Reitbauer, die so souveräne wie charmante wie humorvolle Gastgeberin. „Wir wollen mit Leidenschaft Tradition und neue Techniken verbinden, um charaktervolle Produkte voll zur Geltung zu bringen. Und wir sind überzeugt, dass das Steirereck diese Philosophie in Reinform verkörpert.“ Und obgleich dieses Zwei-Sterne- und Fünf-Hauben-Restaurant seit Jahren als heimische Nummer eins gilt und ebenso seit Jahren Stammgast im Ranking der World’s 50 Best ist, ist es ein ungemein herzliches und ausgesprochen zugängliches Lokal. Eines, das so natürlich ist wie die Zutaten, mit denen der Chef kocht, so „ung’spritzt“ wie die Zitronen aus Schönbrunn. Eines, in dem man beim Betreten keine Schwellenangst zu haben braucht. „Wir sind Menschenfreunde“, sagt Birgit, „und das sollen unsere Gäste auch spüren.“