Wenn Robert Brodnjak vom Sellerie erzählt, weitet sich der Horizont, es beginnt zu leuchten, und eine Superknolle geht auf. Er erzählt dann nämlich, wie er einmal zu Forschungszwecken dreizehn verschiedene Sorten von dem Gemüse angebaut und die verschiedenen Pflanzenbestandteile später noch einzeln zubereitet und verkostet hat: Teile des Herzstücks der Knolle: klare Grapefruit-Noten. In den Wurzelhaaren: Macadamia-Nuancen. Am Wurzelansatz: Orange-Zitrus. Und im Herzstück ein cremiges Hühnerfleischaroma. „Sellerie ist Sellerie ist Sellerie? Ja, schmeck’s!“
Fröhliche Wissenschaft
Robert Brodnjak geht mit seinem Gemüse fast schon wissenschaftlich um, aber es ist eine fröhliche Wissenschaft. Ja, auch weil sie froh macht. Nicht zuletzt den Gemüsebauern selbst, und zwar von Anfang an: Als Brodnjak und seine Frau Claudia Detz im Jahr 2012 mit dem Gemüseanbau begannen, war das auch ein Seelenfriedensstiftungsprojekt.
Brodnjak hatte Koch gelernt, war in der Gastronomie aber nie ganz glücklich geworden und hatte schließlich zum IT-Administrator umgesattelt. Detz war als Bilanzbuchhalterin tätig. So richtig happy waren sie damit beide nicht – mit dem Gemüse, das zunächst auf ihrer Terrasse, dann auf einem Versuchsfeld in Stammersdorf wuchs, dagegen sehr wohl, weshalb dieses immer wichtiger und zentraler wurde und schließlich tatsächlich zum Haupterwerb: Eine kleine Ackerfläche wurde gepachtet, das „Krautwerk“ gegründet. Fehler wurden gemacht und fortan vermieden, Erfolge gefeiert und akribisch – wissenschaftlich – weiterverfolgt.
„Und irgendwann rief Heinz Reitbauer, der Steirereck-Chef, an: Ihm sei zu Ohren gekommen, dass der Herr Brodnjak elf verschiedene Erbsensorten anbauen würde und wollte fragen, ob er denn nicht eine Probelieferung bekommen könne. Er konnte. Und er wollte mehr, und nicht nur Erbsen.“
„Irgendwann rief der Steirereck-Chef, an: Ihm sei zu Ohren gekommen, dass der Herr Brodnjak elf verschiedene Erbsensorten anbauen würde.“
Von Ernteplänen und Sonderwünschen
Heute sind Reitbauer und ein paar auserlesene Kolleginnen und Kollegen aus der heimischen Spitzengastronomie – 15 Restaurants, und basta – immer noch die Krautwerk-Hauptkundschaft. Mit ihnen besprechen Robert Brodnjak, Claudia Detz und die gemeinsame Tochter Saskia Detz individuelle Erntepläne und sonstige Sonderwünsche, entwickeln Sorten weiter, geben sachdienliche Hinweise, zum Beispiel, wie ein Karfiol sich geschmacklich entwickelt, wenn man ihn bis kurz vor die Blüte weiterzieht, oder auf welche Weise jede Karotte ihr Terroir schmeckbar macht. Man kann das alles zum Glück auch als Privatkundin und -kunde erfahren: Das Krautwerk vertreibt seine Produkte am Karmelitermarkt, Samstagvormittag, früh kommen lohnt sich.
Die Krautwerk-Farm liegt in der Weinviertler Gemeinde Großmugel, genauer: zwischen Porrau und Füllersdorf, oder sagen wir: ein paar Felder östlich von Hollabrunn. Sie war schon einmal größer, etwas mehr als drei Hektar. Dann gab – schon wieder! – Heinz Reitbauer den Wink mit dem Gartenzaunpfahl: Man möge sich doch einmal die Blue Hill Farm in Upstate New York anschauen. Man schaute – und beschäftigte sich danach noch intensiver mit dem Prinzip Marktgärtnerei, also dem streng handwerklichen Gemüseanbau auf kleinster Fläche.
„Wir sind flächenmäßig kleiner geworden, aber als Betrieb gewachsen.“
Handarbeit vom Feinsten
Brodnjak und Detz stellten ihr System um. Auf Chemie oder Bewässerungsanlagen hatten sie schon immer verzichtet, nun ließen sie auch die Maschinen im Schuppen, machten alles nur mehr von Hand. Das bedeutet mehr Aufwand, aber bringt auch mehr ein, weil enger gesetzt und schneller reagiert werden kann. Aus drei Hektar wurde einer, von dessen Ertrag die Familie und sechs Mitarbeiter:innen leben können. „Wir sind flächenmäßig kleiner geworden, aber als Betrieb gewachsen“, sagt Robert Brodnjak.
Es geht nicht ums Reichwerden, es geht ums gute Leben, um die Vielfalt der Sorten und der Geschmäcker. Die entstehen nämlich, davon sind sie bei Krautwerk überzeugt, beim Wachsen, also am Feld, und nicht erst in der Küche. Und ansonsten gilt, ganz ehrlich: „Unser Gemüse ist zu schade, um es in einer Suppe zu verarbeiten.“