An dem vermeintlichen Gegensatzpaar von Natur und Kultur („nature versus nurture“) haben sich Wissenschaftler:innen, Forscher:innen und Denker:innen schon seit jeher abgearbeitet. Was ist stärker? Das Naturgegebene oder die Umwelt, in die es eingebettet ist? Es ein Wechselspiel von beidem, keine Frage. Aber wie es genau funktioniert, wird wohl immer etwas rätselhaft bleiben.
Dieses Aufeinander-Bezogen-Sein zeigt sich jedenfalls besonders schön am Beispiel Weinbau. Da gibt es auf der einen Seite den Boden mit seinen Eigenschaften, das Klima und die topografischen Begebenheiten, während auf der anderen Seite die Menschen stehen, die diese Natur auf ihre Art und Weise kultivieren. Und am Ende steht das Produkt, das sowohl von dem einen als auch dem anderen erzählt.
„Das Weinviertel war immer schon ein Sektanbaugebiet“
Im Falle von Else Zuschmann und ihrem Mann Peter Schöfmann sind es fruchtbare, kalkreiche Böden und das kühle Klima im Weinviertel nördlich der Donau, wo sie seit der Jahrtausendwende auf 16 Hektar und vier Lagen Weinbau betreiben. „Das Weinviertel war immer schon ein Sektanbaugebiet. Seit 2007 konzentrieren wir uns auf das Thema. Es gibt nicht viele Betriebe, die selbst versekten, weil er nicht einfach herzustellen ist“, sagt Else Zuschmann-Schöfmann.
„Der schönste Moment ist für uns das Degorgieren, weil das Produkt dann nach vielen, vielen Jahren fertig ist.“ Beim Degorgieren wird die Hefe, die sich während der Gärung angesammelt hat, entfernt und der Wein wird schön klar und trinkfertig – ein heiliger Moment. So wie eine Perle jahrelang in der Auster heranreift, tun es Perlweine im Keller. Geduld ist gefragt. Und zwar eine große Portion.
Ihre Schaumweine bieten sie in drei Kategorien an – Sekt Austria, Reserve und die am längsten gereifte Grosse Reserve. Die Komplexität lässt sich am Alter ablesen, erfrischend und belebend sind sie aber alle. Das mag Else am Schaumwein. Und sie freut sich über die Tatsache, dass er vom Anlassgetränk zum Alltagsgetränk und Speisebegleiter geworden ist. Bubbles boomen eben.
„Bio bedeutet zwar mehr Arbeit und weniger Ertrag, aber wenn man richtig gute Qualität will, ist die biologische Bewirtschaftung unverzichtbar.“
Versekten auf die biologische Art
2012 haben sich Else und Peter dazu entschieden, auf die biologisch-organische Bewirtschaftungsweise umzusteigen. „Gerade bei Sekt ist die Nährstoffversorgung für die zweite Gärung besonders wichtig und die kann man mit Bio besser erfüllen. Bio bedeutet zwar mehr Arbeit und weniger Ertrag, aber wenn man richtig gute Qualität will, ist die biologische Bewirtschaftung unverzichtbar.“ Bei der zweiten Gärung entsteht die Kohlensäure.
Die Weingärten florieren nun wunderbar, wie Else sagt. Für die Winzersekte, die sie herstellen, verlesen sie die Trauben von Hand. Ihr Signature-Tropfen ist der Grüne Veltliner Sekt, 2020 wurde ihr „Grüner Veltliner Brut Nature, Grosse Reserve 15“ von Gault Millau zum Sekt des Jahres gekrönt. „Der Grüne Veltliner ist wertbestimmend, weil er in unserem Gebiet ganz wichtig ist, aber wir widmen uns auch sehr den Burgundersorten wie Pinot Noir und Weißburgunder.“ Pet Nats, bei denen der spontan gegorene Most ohne Zugabe von Schwefel zur Flaschengärung abgefüllt wird, was eine feine Perlage bewirkt, haben sie auch im Sortiment – unkomplizierte, jugendliche Tropfen, die wegen des verbleibenden Hefesatzes, der sie trüb macht, aber eine besondere Geschmacksintensität besitzen. Sie sind gleichzeitig leicht und intensiv, kann man sagen.
Mit einer gewissen Leichtigkeit und Freude lässt es sich auch besser intensiv arbeiten. Und vielleicht auch mit Genen von Eltern, die selbst schon Weinbau betrieben haben, wie es bei Else der Fall ist – ein anderes Beispiel für „nature“. Ein anderes Beispiel für „nurture“ wiederum ist die Ausbildung an der Weinbauschule Klosterneuburg, die sie absolvierte. Ihr Mann ist gelernter Koch und war auf der ganzen Welt unterwegs, bevor auch er sich in Sachen Wein weiterbildete und die Weinakademie abschloss.
Die Arbeit auf einem Weingut ist hart, das braucht man sich gar nicht schönzureden, auch wegen der sich immer rascher verändernden klimatischen Bedingungen. Neben dem Weingut betreibt das Paar auch noch eine Greisslerei und zwei Kinder haben sie außerdem. Aber Else und Peter mögen die Herausforderung und sind Botschafter des Genusses. Sie sehen den Sinn ihres Tuns darin, ein Kulturgut zu erhalten. Sie schätzen die Freiheit, die sie haben, und mit einem Produkt arbeiten zu können, das nicht nur ihnen, sondern auch anderen Freude bringt. Ihre Schaumweine beweisen, dass Natur und Kultur Hand in Hand gehen. Und etwas Magisches geschieht, wenn beides optimal ineinandergreift.