Der Bio-Check

Bio steht für gesunde Lebensmittel und Nachhaltigkeit – doch ist Bio wirklich gleich Bio? Eine Orientierungshilfe.
von Eva Komarek
Reiners Erdbeeren und Gemüse
© Gaumen Hoch
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Biohof Reiner

Seit Jahrzehnten steht Bio für gesündere Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion. Bio ist eine Erfolgsstory. Die Folge davon ist, dass auch die biologische Landwirtschaft vielfach industrialisiert wurde. Studien zeigen, dass Konsument:innen bereit sind, mehr für nachhaltige Produkte zu bezahlen, allerdings nur, wenn sie den Mehrwert klar erkennen können. Gleichzeitig gibt es einen Trend hin zu lokal produzierten Lebensmitteln. Bauernmärkte, solidarische Landwirtschaft und Direktvermarktung erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Hanni Rützler, Ernährungswissenschaftlerin und bekannte Food-Trendforscherin kennt das Dilemma.

„Supermärkte haben Bio massentauglich gemacht, das ist eine große Leistung. Aber sie haben auch Schwächen. Die zentrale Organisation macht es schwierig, Saisonalität abzubilden. Gleichzeitig haben wir eine extrem hohe Dichte an Supermärkten. Das schafft zwar Verfügbarkeit, doch oft fehlen regionale und saisonale Alternativen.“
Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler

Für sie wäre beides wichtig.

„Regionalität stärkt die lokale Landwirtschaft und verkürzt Transportwege. Das macht Produkte oft frischer und nachhaltiger. Gleichzeitig bietet Bio durch geschlossene Kreisläufe Vorteile für den Boden und die Umwelt. Am besten ist eine Kombination: regionale Bio-Produkte, wann immer möglich.“
Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler

Rützler empfiehlt Konsument:innen, sich zu überlegen, was ihnen wichtig ist. „Möchte ich regionale Produkte unterstützen? Oder lege ich mehr Wert auf Bio-Qualität? Danach sollte man sich bewusst Zeit nehmen, um diese Prioritäten auch im Alltag umzusetzen. Wochenmärkte sind eine wunderbare Möglichkeit, sich mit Produzent:innen auszutauschen und die Qualität von Lebensmitteln besser zu verstehen.

Regenerativ statt nur Bio

Angesichts der drängenden Umweltprobleme scheint Bio alleine nicht mehr zu reichen. Der Klimawandel, der Verlust der Biodiversität und die Übernutzung landwirtschaftlicher Flächen erfordern Lösungen, die über die traditionellen Prinzipien von Bio hinausgehen.

„Bio ist ein guter Anfang, aber es muss weitergedacht werden. Der Klimawandel bringt neue Herausforderungen, und auch Bio-Produzent:innen müssen sich anpassen und noch stärker auf geschlossene Kreisläufe und Bodenregeneration setzen. Das ist entscheidend, um Dürren oder extreme Wetterbedingungen abzufedern.“
Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler

Hier kommt die regenerative Landwirtschaft ins Spiel, bei der die Regeneration des Bodens im Mittelpunkt steht. Praktiken wie Fruchtwechsel, Kompostierung und der Verzicht auf synthetische Düngemittel sollen die Bodenqualität verbessern, Kohlenstoff speichern und die Biodiversität fördern. Dies könnte nicht nur die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft reduzieren, sondern auch die Erträge langfristig stabilisieren. Denn die industrielle Landwirtschaft trägt maßgeblich zum Verlust fruchtbarer Böden bei. Laut „Bodenatlas 2024“ der Heinrich-Böll-Stiftung sind intensive Landwirtschaft und Klimakrise ein wichtiger Faktor dafür, dass Böden in Europa derart degradieren, dass man von Wüstenbildung spricht „In der EU erodieren jedes Jahr fast eine Milliarde Tonnen Boden. Das entspricht der Grundfläche Berlins“, heißt es im Report.

© Gaumen Hoch
Biohof Reiner
Biohof Reiner in Frauenkirchen. Am Familienbetrieb gibt es Erdbeeren und Gemüse zum Selbstpflücken.

Bio-Check der Gesundheit zuliebe

Kauft man Bio, geht es nicht nur um Umweltschutz, sondern auch um gesundheitliche Aspekte. So finden sich in Lebensmitteln aus herkömmlichem Anbau häufig Pestizidrückstände oder im Fall der Tierzucht Antibiotika. Dazu kommt ein weiterer Faktor:

„Einige Studien zeigen, dass biologisch produzierte Produkte einen höheren Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen aufweisen, da sich Pflanzen bei einem geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln selbst schützen müssen und viele der pflanzeneigenen Schutzmittel zu den sekundären Pflanzenstoffen zählen.“
Petra Rust, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität Wien

„Zudem sind höhere Mengen an ungesättigten Fettsäuren in Bio-Produkten enthalten als in konventionellen, da Tierhaltungssysteme mit viel Grünfutter dies fördern“, so Rust weiter.

Die Qual der Wahl

Als Konsument:in kann man mit dem Einkauf einen wesentlichen Beitrag für Umwelt, Tierwohl und die eigene Gesundheit leisten. Doch die richtige Wahl zu treffen, wird zunehmend komplexer. Supermarktregale sind gefüllt mit Produkten, die als „biologisch“ oder „öko“ bezeichnet werden. Immer öfter tauchen auch Begriffe wie „naturnah“ oder „aus kontrolliertem Anbau“ auf. Das können, müssen aber keine Produkte sein, die den biologischen Standards entsprechen.

„Eine Vielzahl unterschiedlicher Bio-Siegel erschwert es Verbraucher:innen, diese zu verstehen. Daher hat die Europäische Kommission ein einheitliches Bio-Logo entwickelt, das für alle verpackten Nahrungsmittel in der EU verbindlich ist.“
Petra Rust, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität Wien

Dieses Bio-Logo existiert seit 2010 und „garantiert die Einhaltung der europäischen Öko-Verordnung. Diese garantiert Gentechnikfreiheit, artgerechtere Tierhaltung und den Verzicht von organisch-synthetischen Pflanzenschutz- und chemisch synthetischen Düngemitteln. Auch die zuständige Öko-Kontrollstelle muss angegeben sein.“

Der direkte Vergleich schult beim Bio-Check

© Gaumen Hoch
Biohof Reiner

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Bio-Verbände, die weit strengere Vorgaben haben. Der größte Verband ist Bio Austria, die strengsten Kriterien hat Demeter, das auf biodynamische Landwirtschaft setzt, die Klima, Böden und Ressourcen schont. Hier wird Kreislaufwirtschaft und echtes Tierwohl großgeschrieben. Die Qualität von Bio-Produkten zu erkennen, ist also nicht einfach. Das beobachtet auch Food-Trendforscherin Rützler:

„Märkte sind ein guter Ausgangspunkt. Ich empfehle, verschiedene Produkte zu probieren, etwa Karotten von unterschiedlichen Produzent:innen.

Der direkte Vergleich schult die eigene Wahrnehmung für Qualität. Und es macht Spaß, mit der Familie oder Freunden neue Lebensmittel zu entdecken.“ Wenn es um die Verfügbarkeit gehe, blieben Supermärkte für viele die wichtigste Einkaufsquelle. „Für eine bequeme Lösung gibt es außerdem Bio-Kisten, die nach Hause geliefert werden. Das reduziert den Aufwand und stellt sicher, dass man qualitativ hochwertige Produkte bekommt“, rät Rützler.

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