Wenn die Ernte von Paradeisern, Melanzani oder Gurken ansteht, sind die Lieblingsaufgaben des Tages eindeutig – auch wenn alles Handarbeit ist. Es kann zwar passieren, dass eine rote Melanzani versehentlich im Paradeiser-Korb landet, aber hier wachsen alle mit ihren Aufgaben. „Wir haben weiße Gurken, gelbe Paradeiser oder rote Melanzani. Viele unserer Mitarbeiter:innen sehen das zum ersten Mal“, erklärt Betriebsleiterin Cornelia Fürlinger. Bei WUK bio.pflanzen sind nicht nur die Gemüsesorten Raritäten, auch die Menschen sind kunterbunt: Die insgesamt 29 Beschäftigten des Betriebs werden über ein Programm vom AMS vermittelt und können bis zu einem Jahr in der Landwirtschaft arbeiten. Das Ziel ist, langzeitarbeitslosen Menschen eine Perspektive zu geben – mit echter und sinnvoller Arbeit und der Chance, in den Arbeitsmarkt zurückzufinden.
„Wir haben weiße Gurken, gelbe Paradeiser oder rote Melanzani. Viele unserer Mitarbeiter:innen sehen das zum ersten Mal.“
Arbeit mit Sinn
Gegründet wurde der Betrieb 2009 in Kooperation mit dem ADAMAH Biohof. „Gerhard Zoubek hat das Grundstück im Marchfeld damals gekauft und zehn Jahre lang dem WUK verpachtet. Dadurch war von Anfang an klar, dass wir biologisch arbeiten“, erinnert sich Cornelia.
Die befristet Beschäftigten werden von elf Fachkräften begleitet. „Die meisten sind Quereinsteiger:innen. Unsere Arbeitsanleiter:innen zeigen ihnen, wie man pflanzt, erntet oder Bestellungen vorbereitet. So können alle sofort mitmachen“, sagt Cornelia.
Kleine Strukturen, große Vielfalt
Das Gelände umfasst nur einen halben Hektar, bewirtschaftet wird fast alles von Hand. Statt riesiger Maschinen prägen Glashaus, Folientunnel und Beete den Alltag. „Wir haben viele Küchenkräuter, aber auch Besonderheiten wie Sandthymian oder Schnittknoblauch. Auch im Gemüsesortiment liegt der Fokus auf Vielfalt, darum gibt es Raritäten wie Andenbeeren oder essbare Blüten.“ Diese Vielfalt kommt an – bei Bioläden, Foodcoops und auch direkt bei den Menschen, die über den eigenen Online-Abholmarkt bestellen. Zweimal pro Woche liefert das Team Pflanzen und Gemüse nach Wien ins WUK in der Währinger Straße.
„Wir haben Nützlinge wie Eidechsen und Schlupfwespen am Feld. Die gäbe es nicht, wenn wir konventionell arbeiten würden.“
Bio ist alternativlos
Cornelia ist ausgebildete Gärtnerin, später studierte sie Landschaftsplanung und Agrarpädagogik. Für sie ist biologisch zu arbeiten selbstverständlich. „Es ist ressourcenschonender, nachhaltiger und gesünder, für die Böden, für die Mitarbeitenden und für die Umgebung.“ Der Unterschied zeigt sich jeden Tag. „Wir haben Nützlinge wie Eidechsen und Schlupfwespen am Feld. Die gäbe es nicht, wenn wir konventionell arbeiten würden.“ Auch für die Menschen ist es angenehmer: „Niemand muss bei uns mit giftigen Mitteln hantieren.“
Durch die große Vielfalt gestaltet sich auch die Arbeit abwechslungsreich, dabei ist aber nicht alles gleich beliebt. „Unkrautjäten kommt nicht so gut an, obwohl ich das so meditativ finde. Aber Bestellungen verpacken macht vielen Spaß. Wer einen Führerschein hat, fährt auch gerne die Lieferungen aus.“ Immer wieder gibt es Erfolgsmomente im Alltag. Etwas, das viele der Beschäftigten nicht kennen. „Wir bieten leistungsgerechte, altersgerechte Arbeitsplätze. Viele bei uns sind 50 plus und erleben hier zum ersten Mal seit Langem, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird“, erzählt Cornelia.
Doppelt nachhaltig
Natürlich gibt es Herausforderungen wie extreme Hitze im Marchfeld, Starkregen oder die Unwägbarkeiten der Landwirtschaft. Aber das Grundprinzip bleibt klar: nachhaltige Lebensmittelproduktion verbunden mit einem sozialen Auftrag. „In erster Linie steht bei uns der Mensch im Mittelpunkt“, sagt Cornelia. Doch am Ende geht es immer um eine Kombination aus allem: gesunde Böden, vielfältige Pflanzen und Menschen, die durch die Arbeit neues Selbstvertrauen gewinnen. Wenn Cornelia im Folientunnel durch bunte Paradeiserreihen geht oder eine zusammengewürfelte Kiste voller Raritäten vor sich hat, wird klar: Hier wächst nicht nur Gemüse, sondern auch eine Idee davon, wie Nachhaltigkeit ökologisch und sozial zusammengehen kann.