Wer bei Ilse im Eberhard in St. Michael in der Obersteiermark zum Essen und Wohnen einkehrt, muss ein bisschen Flexibilität mitbringen. Die erste Frage lautet: „Gibt’s etwas, das ihr gar nicht mögt?“ Ausgehend von den Antworten überlegt sich die Gastronomin, was sie hat und was sie kochen könnte. Speisekarte gibt es keine. Dafür darf man sich das Bier auch mal selbst zapfen, wird auf eine Nachmittagswanderung mitgenommen, zur Weinverkostung eingeladen oder ganz einfach in Ilses Freundeskreis integriert. „Bei uns verschwimmt die Grenze zwischen Gast und Freund“, erzählt sie. Das hat zur Folge, dass die Wirtin jede und jeden kennt. „Ja, ich bin in der Gegend schon recht umtriebig“, meint sie. Und die Obersteiermark profitiert davon.
„Wir haben ein offenes Haus“, meint die Gastgeberin. Hausgäste des urigen Hotels – im Eberhard kann man nicht nur gut essen, sondern auch übernachten – mischen sich mit Stammgästen, Freund:innen und Durchreisenden. „Und wenn ein Radfahrer vorbeikommt, koch ich dem was. Es gibt ja nicht viel in der Gegend, nach 60 Kilometern auf dem Radl werd‘ ich ihn nicht weiterschicken“, sagt Ilse.

Wirtshausküche mit Kreativität
Wenn der Radfahrer Glück hat, schaut er an einem Dienstag im Eberhard vorbei – da gibt’s den berühmten Schweinsbraten mit ordentlicher Kruste. „Ich arbeite sehr viel mit der Kochkiste“, erklärt Ilse. Das ist eine besonders energieeffiziente Zubereitungsart für Schmorgerichte.

Ohne zusätzlichen Energieaufwand werden Fleisch, Eintöpfe, Reis oder Knödel langsam geschmort oder gegart. Ilse ist der Meinung: Fürs Kochen sollte man sich immer Zeit nehmen. Das vermittelt sie auch in ihren Kochkursen. Von Strudel über Krapfen bis zu Schupfnudeln – wer zum Kochkurs kommt, wird eingeteilt, muss anpacken und bekommt Einblick in Ilses Stil. Als weitgereiste Frau kombiniert Ilse klassische Wirtshausküche mit Inspirationen aus aller Welt. Beim Frühstücksbuffet gibt’s den hausgemachten Hummus und wenn Falafel, dann mit Käferbohnen statt mit Kichererbsen. Als Restlverwertung werden auch schon mal Fleischreste zu einem wunderbaren italienischen „Al Ragú“. Veranstaltungen gibt’s bei Ilse zuhauf, wie zum Beispiel im Sommer ein französisches Déjeuner mit Rosé aus dem Luberon und im Winter eine Friaul-Weinverkostung mit Weinbäuer:innen und einer befreundeten Köchin aus Cormons.
„Ich finde die direkte Zusammenarbeit zwischen Gastronomie und produzierenden Betrieben enorm wichtig. Ich möchte die Wertschöpfung in der Region halten und gleichzeitig den Leuten bewusst machen, was es für tolle Produkte bei uns gibt.“
Eberhard bevorzugt steirische Produkte
Kreativität in der Verwertung gehört für Ilse zu den wichtigsten Kochskills – aus Gründen der Nachhaltigkeit und aus Wertschätzung den Lebensmitteln gegenüber. Und wenn in der Krapfensaison nach dem Backen recht viel Eiweiß übrigbleibt, dann wird dieses eben bei einer Averna-Sour-Night in den Drinks verwertet. Win-win für eine Gastgeberin, die gerne feiert.
„Ich finde es klasse, wenn junge Leute wieder Ideen haben und schauen, was sie anders machen könnten.“

Zu Ilses Events im Eberhard – von Jazzbrunch bis Weinverkostung – kommen alle gern. Vor allem Winzer:innen, Bäuer:innen und Produzent:innen, die zu Freunden geworden sind. Regionalität ist für Ilse das oberste Credo. „Ich finde die direkte Zusammenarbeit zwischen Gastronomie und produzierenden Betrieben enorm wichtig. Ich möchte die Wertschöpfung in der Region halten und gleichzeitig den Leuten bewusst machen, was es für tolle Produkte bei uns gibt“, erklärt sie ihre Philosophie. Schon vor 15 Jahren hat Ilse die Vereinigung GenussReich mitgegründet und setzt sich seither für die Vermarktung regionaler Produkte ein. „Am allerwichtigsten sind mir kurze Wege“, meint sie. Ihre Lieferantinnen und Lieferanten kennt sie alle persönlich, von der Gemüsemacherei bis zum Edelwels-Produzenten Martin Temmel. „Ich finde es klasse, wenn junge Leute wieder Ideen haben und schauen, was sie anders machen könnten“, erklärt sie.

Ilse ist in dem über 500 Jahre alten Gebäude mitten am alten Dorfplatz aufgewachsen und hat noch erlebt, wie das Eberhard noch Teil einer Landwirtschaft war. Hier wurde das verarbeitet, was selbst angebaut wurde. Die Flächen sind mittlerweile verpachtet, aber der Gedanke blieb. Genauso wie die Obstbäume. Ilses Cousin brennt nach wie vor Schnaps und die Familie produziert weiterhin 2000 Liter Apfelsaft im Jahr.

Die Feste feiern
In einem Haus, wo viel gefeiert wird, gibt’s natürlich auch Weine – vorrangig aus der Steiermark und aus dem Burgenland. Auch hier sind die Beziehungen gewachsen und bestehen seit Generationen. Eine Weinkarte gibt’s nicht, aber einen „gut sortierten Keller“ und eine Gastgeberin, die auf individuelle Wünsche eingeht. „Wir sind so klein, wir richten es uns, wie es passt. Bei uns gehört jede:r dazu“, meint Ilse. Und ob man zum Tarockieren, zum Abendessen oder auf ein Glaserl in den Eberhard kommt, ist dabei ganz egal. Bei Ilse kommen immer alle zusammen.




















