![Edlingers Tempel Eingangsbereich](https://gaumenhoch.at/wp-content/uploads/2024/10/edlingers-tempel-eingangsbereich-720x1200pxedlingers-tempel.jpg)
Auf Wildes hat es Thomas Edlinger in seinem Restaurant Edlingers Tempel in der Wiener Praterstraße 56 abgesehen. „Aber nicht nur in Form von Wildfleisch. Mit Wild meinen wir alles, was die Natur hergibt: Fische, Pilze, Beeren.“ Er setzt auf eine regionale Küche mit außergewöhnlichen Produkten. Das Experiment gehört dazu. „Es hat sich schon herumgesprochen, dass wir ein bissl verrückt sind“, sagt er. Man könnte auch sagen: produktvernarrt, konsequent, im besten Sinne kompromisslos bei Geschmack und Qualität. Immer wieder klopfen Produzentinnen und Produzenten mit neuen Waren an. „Da sind Dinge dabei, die ich selbst noch nie ausprobiert habe. Die zerlege ich und baue sie neu wieder zusammen.“
„Das Lokal war Liebe auf den ersten Blick. Der perfekte Rahmen für unser neues Konzept, das alte österreichische Rezepte neu interpretiert.“
Das Lokal liegt versteckt in einem wunderschönen Hinterhof der Wiener Praterstraße. In den warmen Monaten kann man im Gastgarten sitzen. Es ist eine kleine grüne Oase mitten in der Stadt. Drinnen ist es urig mit Stil, ganz früher war hier ein Pferdestall. Bevor Thomas und sein Geschäftspartner das Lokal 2019 übernahmen, war es 30 Jahre lang in den Händen von Gastro-Urgestein Rudi Warzwiesinger.
Er hatte seinen „Tempel“ zu einer kulinarischen Institution in Wien erhoben. In dieser Zeit betrieben Thomas und Kompagnon Wolfgang Hetzel das „Pan e Wien“, einen Edelitaliener im Botschaftsviertel des dritten Bezirks mit zeitweise zwei Hauben. „Der Zeitgeist hat sich dann immer mehr geändert und es kam der Zeitpunkt, an dem wir uns von der italophilen Küche mit den importierten Waren und Meeresfrüchten verabschieden wollten.“ Drei Jahre Pause folgten. Dann wurde der Tempel frei. Und Thomas wieder aktiver Wirt. Ganz ablegen kann man das Wirt-Sein ja nicht.
„Unser Wildbrethändler ist wahnsinnig gut. Er ist niemandem was neidig und arbeitet auch mit anderen zusammen, damit ich eine super Ware bekomme“
„Es war Liebe auf den ersten Blick. Der perfekte Rahmen für unser neues Konzept, das alte österreichische Rezepte neu interpretiert.“ Johann Strauß war anno dazumal Nachbar und auch Johann Nestroy flanierte gerne in der Gegend ganz in der Nähe des Praters herum, dem einstigen privaten Jagdgebiet von Kaiser Franz Joseph. Da steckt Monarchie zwischen den Pflastersteinen und da ist Geschichte gespeichert in den Wänden mit der Kunst, zwischen denen die gehobene Regionalküche serviert wird.
Kreativ sein zu können, ist befreiend
Kalb und Rind für Thomas‘ Gerichte kommen aus dem Waldviertel, Schwein aus dem Tullnerfeld, Mangalitza-Schwein aus dem Burgenland, das Wild aus dem Wiener Wald und den Auen in Wien-Umgebung. „Unser Wildbrethändler ist wahnsinnig gut. Er ist niemandem was neidig und arbeitet auch mit anderen zusammen, damit ich eine super Ware bekomme“, sagt Thomas. Der Fleischer Christian Metzker aus dem 17. Bezirk („er heißt wirklich so“) ist ein weiterer, den er zu schätzen weiß.
„Generell sehe ich es als größte Herausforderung, reine, saubere Produkte in bester Qualität zu bekommen.“
Auch da geht es in erster Linie um die Sache. „Er gibt mir immer wieder auch nicht alltägliche Tipps, und eigentlich hat er nix davon. Zudem geht’s bei uns um Mikromengen. Es ist ja nicht so, dass wir Tonnen bestellen.“ Über das Zebu-Rind („das ist das mit dem Höcker“), das er gerade auf der Karte hat, freut er sich besonders: „Es ist ganz schwer, dass man sowas bekommt. Generell sehe ich es als größte Herausforderung, reine, saubere Produkte in bester Qualität zu bekommen.“
Das gilt auch für den Fisch. Dafür musste er ein Jahr lang einen Wildfangfischer vom Traunsee umwerben, bis dieser bereit war, ihm die heiß begehrte und spärlich vorhandene Ware zu verkaufen. Der Wildfang macht nur einen Bruchteil der heimischen Fischproduktion aus. Dieses Jahr war die Lage besonders heikel, „weil die eingeschleppte Miesmuschel den Fischen das Futter wegfrisst und die Seen so warm waren, dass die Fische immer weiter unten schwimmen.“ Der heurige Wildfang war also so etwas wie eine kleine Sensation.
Für Pilze ist Thomas mindestens genauso dankbar. Oder frisch gepflückte Heidelbeeren, die in Österreich nicht mehr „gebrockt“ werden, wie er sagt – also gesammelt. „Die alten Damen, die früher in Oberösterreich und Salzburg Heidelbeerbrocken waren, können nicht mehr und die Generation, die nachgekommen ist, will nicht mehr. Gott sei Dank haben wir noch Leute im benachbarten Polen, in Schlesien, die Waldheidelbeeren brocken.“
„Kreativ sein zu können, ist befreiend.“
Manchmal sind bei seinen Schätzen aus dem Wald auch Trüffeln dabei. Die weiße Trüffel, also die Naturtrüffel, ist Thomas‘ Liebling. „Sie hat etwas Mystisches: ein faszinierendes Aroma und einen sehr ansprechenden Duft und Geschmack.“ Vor 16 Jahren hat er den Wiener Trüffelmarkt ins Leben gerufen. Er findet Jahr für Jahr statt und soll dem Klischee entgegenwirken, dass Trüffeln teuer sein müssen: „Die Gäste haben oft die Befürchtung, dass da ein Vermögen übers Teller gehobelt wird. Um ihnen die zu nehmen, machen wir Marktpreise.“
Thomas hat sich ein Netzwerk aufgebaut, das ihm ermöglicht, nach seinen Vorstellungen zu wirken und zu walten. Das hat gedauert, aber es funktioniert. „Ich kann den Tag so gestalten, wie ich es mir vorstelle, und bin nicht irgendeine Nummer in irgendeinem Büro, die nur das macht, was andere sagen. Kreativ sein zu können, ist befreiend.“