Moritz Bio-Restaurant

Ein Restaurant eröffnen, um „Bio an die Menschen zu bringen“? Der steinige Weg der Bruggers und des Biomoritz.
Das Team des Moritz Bio-Restaurants.
© Vorarlberg Tourismus

Die 100-Prozent-Bio-Challenge

von Martha Miklin

Vielleicht war es von Vorteil, dass Stefanie und ihr Mann Marc aus der Kommunikationsbranche kamen und noch keine Gastroerfahrung hatten, als sie zur Coronablütezeit ihr 100-Prozent-Bio-Restaurant in Hohenems eröffneten. Dass es nicht einfach werden würde, ausschließlich Produkte in Bio-Qualität zu verarbeiten, die noch dazu frisch sind und idealerweise aus der Umgebung kommen, war ihnen schon bewusst. Doch was es wirklich bedeutet, das Konzept konsequent durchzuziehen und en passant zwei Kleinkinder aufzuziehen, spürten sie erst, als das Geschäft so richtig losging. „Es ist ein steiniger Weg mit vielen Extrameilen“, sagt Stefanie Brugger. Aber für das Paar der einzig vorstellbare. 

„Eigentlich geht es uns darum, Bio an die Menschen zu bringen
und zu zeigen, dass man zu 100 Prozent biologisch kochen
kann – und das nicht nur zu Hause.“
Stefanie Brugger
© Vorarlberg Tourismus
Roland König vom Moritz Bio-Restaurant

„Uns ging es nicht in erster Linie darum, ein Restaurant zu eröffnen“, sagt Stefanie. „Eigentlich geht es uns darum, Bio an die Menschen zu bringen und zu zeigen, dass man zu 100 Prozent biologisch kochen kann – und das nicht nur zu Hause.“ Die Idee des Restaurants entstand aus absoluter Überzeugung einerseits. Und aus Frust andererseits. Die Bruggers hatten davor eine Werbe- und Kommunikationsagentur, mit der sie unter anderem Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit berieten. „Wir haben immer g’scheite Konzepte geschrieben, und wenn man dann nach einem halben Jahr nachgefragt hat, was umgesetzt wurde, kamen meistens nur ausweichende Antworten im Sinne von ‚nicht so einfach‘, zu teuer‘“, sagt Stefanie. Als sie den Auftrag erhielten, ein Konzept für ein großes Bio-Kompetenzzentrum in Vorarlberg zu entwerfen, mit Markthalle, Gastronomie und Weiterbildungsmöglichkeiten für Landwirtinnen und Landwirte, legten sie sich ein Jahr lang ins Zeug. „Und dann kam Corona. Und alle zogen sich wieder zurück“, sagt Stefanie. Die Bruggers waren es leid, darauf angewiesen zu sein, dass andere aktiv werden.

Und so beschlossen sie eines Abends bei einem oder zwei Achterl Wein: „Wir machen selbst was. Wir können Marketing, wir können rechnen und Events veranstalten. Und mit dem Gastroprofi Roland König, der bei einem der größten Cateringunternehmen Vorarlbergs gearbeitet hat und auch schon bei drei olympischen Spielen gekocht hat, trauten wir uns drüber.“ 

Einen Unterschied machen durch direkte Kommunikation

Statt monatelangen Arbeitens an Konzepten am Schreibtisch sind sie nun ganz nah dran am Gast. „Dieses direkte Feedback, die Dankbarkeit der Gäste, die strahlenden Gesichter – das macht alles eine Riesenfreude. Man hat das Gefühl, dass man einen Unterschied macht. Man kommt ins Gespräch und merkt, wie die Rädchen sich im Kopf zu drehen beginnen und die Leute anfangen, Dinge zu hinterfragen. Und das war ja eigentlich der Gedanke hinter der ganzen Sache.“ Die Gastronomie ist nur der erste Schritt in einem Prozess, den die Bruggers vorantreiben wollen. 

„Vielleicht trauen sich mehr Betriebe, auf Bio umzustellen, wenn sie sehen, dass sie den Absatz schaffen, ohne jede Woche auf sieben Bauernmärkte zu fahren.“
Stefanie Brugger

80 Innen- und 80 Außenplätze hat das Biomoritz, da muss gut geplant werden. Die richtigen Produzenten und Produzentinnen zu finden, war ein Prozess. Sie müssen in der Lage sein, bestimmte Mengen bei konstanter Qualität zu garantieren und sie zuverlässig und rechtzeitig bereitzustellen. Vertrauen ist nicht nur wichtig, sondern geschäftserhaltend. Und zwar in beide Richtungen. „Wenn wir sagen: Baut mal neues Gemüse oder Melonen an, dann garantieren wir ihnen auch die Abnahme.“ Den Bruggers geht es um eine Vorreiterrolle. „Vielleicht trauen sich mehr Betriebe, auf Bio umzustellen, wenn sie sehen, dass sie den Absatz schaffen, ohne jede Woche auf sieben Bauernmärkte zu fahren.“ 

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Die Außenansicht des Moritz Bio-Restaurants
Im historischen Gebäude des Moritz war früher eine israelische Schule untergebracht. Ein Begegnungsort soll es auch heute wieder sein.
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Die Terrasse des Moritz Bio-Restaurants
Der Name des Restaurants geht auf den ehemaligen Schuldirektor Moritz Federmann zurück.

Das Biomoritz hat im Ländle ein besonderes Zuhause. Früher war in dem alten Hohenemser Gebäude mit dem märchenhaften Garten eine israelitische Schule untergebracht, in der Kinder mit jüdischem und christlichem Hintergrund miteinander das ABC und Einmaleins lernten: ein Ort der Begegnung. Später wurde es zu einem israelischen Restaurant, das den Vornamen des ehemaligen Direktors Moritz Federmann trug. Den Namen behielten die Bruggers bei. „Das Gebäude hat so einen Charme, das ist einfach ein Glücksgriff“, sagt Stefanie. 

Keine Speisekartenangst

Die Karte ist klein und wechselt wöchentlich. Es gibt vier frisch zubereitete Hauptspeisen, zwei davon vegetarisch, und dann noch Vorspeisen und Desserts. „Wir wussten nicht, ob das den Leuten zu wenig ist. Aber wir waren von Anfang an voll.“ Der Tenor ging eher in die Richtung: endlich eine Karte, die nicht überfordert. Sie traf den Nerv der Zeit. Man denke nur an das Phänomen der „Speisekartenangst“, von dem in letzter Zeit immer wieder zu hören war. Es beschreibt unter anderem den Stress, den manche empfinden, wenn die Auswahl zu groß ist. Und die damit einhergehende Angst, das „falsche“ Gericht bestellt zu haben. 

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Der Gastraum des Moritz Bio-Restaurants
Im Service setzen die Bruggers auf „wache und interessierte“ Mitarbeiter:innen, die den Gästen die ständig wechselnde Karte näher bringen.
© Vorarlberg Tourismus
Service im Moritz Bio-Restaurant

Im Sommer läuft das Werk rund, die Herausforderungen zeigen sich im Winter: „Wenn man saisonal kocht, kann man vier Monate lang nicht nur Kartoffeln und Kraut auf den Teller legen“, sagt Stefanie. Deshalb kultivieren die Bruggers in der Küche die uralte Technik des Einlegens und Fermentierens. Dazu braucht es fähiges Personal, „nicht nur Aufwärmer:innen, sondern Leute, die ihr Handwerk verstehen.“ Es braucht viele Hände, die das erdige Bio-Gemüse waschen, schneiden und vorbereiten. Und es braucht Servicepersonal, das den Gästen erklären kann, woraus die Gerichte bestehen und woher die Zutaten kommen. „Im Service brauche ich Leute, die wach und interessiert sind, auch weil sich die Karte ständig ändert. Nur dann ist das Konzept glaubwürdig. Sonst bekommt man schnell den Greenwashing-Stempel aufgedrückt“, sagt Stefanie. Würde jetzt eine:r der zehn Mitarbeiter:innen kündigen, wäre es nicht einfach, die Stelle nachzubesetzen. „Derzeit sind wir zum Glück aber gut aufgestellt.“ 

Stefanie Brugger

Drei Dinge, die du immer in deinem Kühlschrank hast?
Bio-Milch für die Kinder, Bio-Gemüse und gutes Bio-Fleisch.
Deine Lieblingszutat?
Basilikum, das kommt bei mir überall rein und schmeckt nach Sommer.
Der erste Job deines Lebens?
Ein Ferialjob bei der Firma Wolford, im Büro, ganz klassisch.
Wo trifft man dich an, wenn du nicht in der Arbeit bist?
Zu Hause bei meinen Kindern.
Das schönste Lob, das du bekommen hast?
Es ist ein steiniger Weg, den wir gehen, mit vielen Extrameilen. Am schönsten finde ich es, wenn die Leute wirklich verstanden haben, was wir tun und warum. Und es zu schätzen wissen. 
Moritz Bio-Restaurant

Moritz Bio-Restaurant ist Mitglied von Gaumen Hoch*

*Gaumen Hoch ist eine Gemeinschaft von Menschen aus der Gastronomie und Landwirtschaft, die sich mit ihrem verantwortungsvollen Handeln für einen gastronomischen Wandel einsetzen. Mit ihrer Mitgliedschaft leisten sie einen Beitrag, um diese Veränderung zu unterstützen. Gaumen Hoch-Mitglieder bekennen sich zu unserem Wertemanifest und werden jährlich von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle geprüft.

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