„Wood Wide Web“ oder auch „Myzel“ – so nennt sich das unterirdische Netzwerk aus Pilzfäden, das Bäume und andere Pflanzen miteinander verbindet. Auch wenn wissenschaftlich noch nicht ganz erforscht ist, wie genau dieses Netzwerk funktioniert, geht man davon aus, dass Bäume und andere Pflanzen über diese Verbindungen miteinander kommunizieren, sich mit wichtigen Nährstoffen versorgen und einander vor Schädlingen warnen. Ein gesunder Wald hat also viel mit dem zu tun, was sich tief unter der Erde im Verborgenen abspielt. Vielleicht lässt es sich sogar mit dem menschlichen Unterbewusstsein vergleichen, das mehr Einfluss auf das eigene Denken und Verhalten hat, als man sich vorstellen kann.
„Es wird immer mehr bekannt, wie gesund Pilze sind. Aus ihnen werden Medikamente gemacht. Und sie sind einfach die beste Fleischalternative, die wir haben.“
Die Faszination für Pilze ist nicht nur des Wood Wide Webs wegen groß. Aus Pilzen lassen sich beispielsweise lederartige Stoffe herstellen, die für Kleidung und Schuhe verwendet werden können. Oder Baustoffe für Dämmungen. Es gibt sogar schon einen „lebenden“ Sarg aus Pilzen, der – samt der Person, die dann darin liegen wird – wieder in die Erde eingeht und Teil der Natur wird, wenn man ihn mit Wasser füllt. Als „future food“ gelten Pilze außerdem. Warum das so ist, weiß Andreas Eibl, der seit 2019 in Obertrum am See in Salzburg Bio-Pilze züchtet: „Es wird immer mehr bekannt, wie gesund Pilze sind. Aus ihnen werden Medikamente gemacht. Und sie sind einfach die beste Fleischalternative, die wir haben.“ Das feste, nahrhafte Fleisch und der intensive Geschmack so mancher Pilzarten machen immer mehr Menschen zu Fans. Zudem brauchen Pilze wenig Platz im Anbau, was in Zeiten des Klimawandels und der Ressourcenknappheit ein großer Vorteil ist. Ganz zu schweigen von der Renaissance, die psychedelische Pilze gerade im therapeutischen Kontext erleben.
Schon mal was vom Igelstachelbart gehört?
Andreas hat mit dem Anbau von Shiitake-Pilzen und Austernpilzen begonnen, Kräuterseitlinge sind dazugekommen. Mit anderen Sorten experimentiert er, wie zum Beispiel dem schneeweißen Igelstachelbart, auch Löwenmähne genannt, weil er aussieht wie ein korallenartiges Gebilde mit herabhängenden Fäden, die an dickes Haar erinnern. „Der Igelstachelbart ist vor allem für die Gastronomie interessant“, sagt er. Er ist nicht nur ein bewährter Heilpilz in der Traditionellen Chinesischen Medizin und erlebt derzeit einen Hype als konzentrationsförderndes Nahrungsergänzungsmittel, sondern mit seinem zarten, zitronigen Geschmack auch eine Gaumenfreude für Gourmets.
„Ich war einer der ersten, der damit begonnen hat. Damals hab ich Shiitakepilze auf Baumstämmen angebaut, zuerst für den Eigenbedarf. Und ich hab gemerkt: Geschmacklich stehen ihnen Steinpilze in nichts nach.“
Andreas‘ Biopilze wachsen in speziellen Zuchträumen, die ähnlich wie Kühlhäuser funktionieren und ihnen das perfekte Klima bieten. Feuchtigkeit, eine bestimmte Temperatur und Frischluft sind die Komponenten, die dieses Klima erzeugen. Die Räume hat ein Experte aus Holland geplant, weil Andreas zu dem Zeitpunkt, als er sich der Pilzzucht verschrieben hatte, keine Spezialistinnen oder Spezialisten aus Österreich finden konnte. „Ich war einer der ersten, der damit begonnen hat. Mittlerweile gibt es auch einige andere“, sagt er. In der intensiven Zucht wachsen die Pilze auf Substrat wie Sägespänen und Stroh und nicht auf alten Baumstämmen oder Totholz wie in der Natur, wo sie dafür sorgen, dass letzteres verrotten kann. Wobei Andreas die ersten Exemplare sehr wohl auf Baumstämmen kultiviert hat.
Startschuss mit Shiitake
Pilze haben ihn immer schon interessiert. Als er klein war, war er mit seinen Brüdern und seinem Vater immer wieder auf Pilzsuche im Wald. Damals hat er schon gelernt, was essbare Pilze von ungenießbaren unterscheidet und was für ein erhebendes Gefühl es ist, einen stolzen Steinpilz zu entdecken oder einen großen Parasol. Die Eltern betrieben eine Landwirtschaft, die sie Ende der 90er Jahre aus gesundheitlichen Gründen stilllegten.
Andreas probierte sich in Bürojobs aus, die aber gar nicht seinem Naturell entsprachen. Und dann war da 2015 dieser Pilzzuchtkurs, der in der Nähe angeboten wurde – der Startschuss für das Unternehmen. „Damals hab ich Shiitakepilze auf Baumstämmen angebaut, zuerst für den Eigenbedarf. Und ich hab gemerkt: Geschmacklich stehen ihnen Steinpilze in nichts nach.“ Andreas fand schnell ein paar Abnehmer:innen, die ihn immer öfter anriefen, weil sie Nachschub wollten. „Die Nachfrage war da. Und so hab ich 2020 den Entschluss gefasst, die Landwirtschaft wiederzubeleben und die Pilzzucht intensiv zu betreiben.“
„Theoretisch können wir unsere frischen Pilze mit der Post innerhalb eines Tages an die Gastronomie liefern.“
Für den Naturmenschen Andreas, der gern draußen ist und mit seinen Händen arbeitet, ist es ein Privileg, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Gemeinsam mit seiner Frau Anna, die gerade das zweite Kind erwartet, und der Hilfe der Familie hat er ein zukunftsorientiertes Unternehmen aufgebaut, das sowohl die Gastronomie beliefert als auch diverse Bauernläden und Gemüsebauern und -bäuerinnen in der Umgebung. Einen Hofladen mit frischen und Onlineshop mit verarbeiteten Pilzen für Privatkunden und -kundinnen gibt es ebenso, auch auf Bauermärkten in der Umgebung ist die Familie vertreten. „Und theoretisch können wir unsere frischen Pilze mit der Post innerhalb eines Tages an die Gastronomie liefern. Da haben wir auch schon einige Kunden, wie die Riederalm in Leogang oder den Seehof in Goldegg“, sagt er. Top-Adressen, die die Qualität und den feinen Geschmack der Bio-Pilze zu schätzen wissen, die Andreas mit großem Gespür züchtet.
Eine Herausforderung besteht darin, die Logistik zu planen, denn „die Pilze können dann geerntet werden, wenn sie reif sind, und nicht, wenn der Kunde bestellt.“ Pilze haben ihren eigenen Willen und ihr eigenes Tempo. Aber wenn sie zum richtigen Zeitpunkt geerntet werden, bedanken sie sich mit ihrem außergewöhnlichen Geschmack und vielen Nährstoffen.
Jeden Mittwoch, wenn die Haupternte stattfindet, gibt es in der Familie ein Ritual: Eine Eierspeis mit frischen Pilzen – „ein richtiges Powerfrühstück“, das der zweieinhalbjährige Sohn auch sehr gern hat. „Er ist überall dabei und hat eine Freud, wenn er was ernten darf. Das weiterzugeben, was mir mein Papa schon mitgegeben hat, ist einfach schön“, sagt Andreas.