Beim Ortsschild stolzieren gleich einmal zwei Fasane über die Straße, am Feldweg kreuzen die Hasen, es zwitschert und schwirrt. Es tut sich einiges in Prellenkirchen im österreichischen Osten, kurz vor der Grenze zur Slowakei, da, wo sich Reh und Rebhuhn „Guten Morgen“ sagen. Dorli Muhr sagt „Hallo“ und zeigt, was sie hier macht.
Es ist, so viel kann man gleich verraten, eindrucksvoll: Als Winzerin bringt Dorli ihren Hausberg, den Spitzerberg, zu seinem endgültigen Ausdruck – mit ausdrucksstarken, Charakterweinen, überwiegend Blaufränkisch, aus den Lagen Obere Spitzer oder Obere Roterd, von der Ried Kranzen oder den weiter unten am Hang gelegenen Dorflagen. „Bei uns sind die Weingärten immer noch da, wo sie hingehören, also am Hang“, erklärt Dorli Muhr, „weil die Bauern bis heute eine gemischte Landwirtschaft betreiben und in der Ebene ihre Weizen-, Hafer- und sonstigen Felder haben.“ Ja, falls nicht eine Betriebsnachfolge ansteht und die Jungen lieber die Weingärten roden, als sich die mühsame Arbeit anzutun. Aber dann springt Dorli Muhr gern ein: Sie glaubt an diesen Berg, beziehungsweise weiß sie längst, welches Potenzial hier vorhanden ist.
Saisonkräfte werden hier nicht beschäftigt
Die biologische Bewirtschaftung versteht sich für Dorli von selbst, die schonende Verarbeitung der Trauben ebenso, aber Nachhaltigkeit geht für sie noch weiter. Es geht nicht nur um gesunde Böden, natürliche Weine oder geringen Energieverbrauch, sondern auch darum: „Wie gut geht es meinen Mitarbeiter:innen?“ Sie beschäftigt keine Saisonkräfte, sondern ganzjährig Angestellte, die sich ihre Arbeit weitgehend selbständig einteilen. „Das ist ihre Aufgabe, und ich habe meine. Ich bin Unternehmerin, keine Controllerin, und als solche habe ich eine Verantwortung, die über den Unternehmensgewinn hinausgeht. Und die betrifft eben auch die Mitarbeiter:innen, die Dorfgemeinschaft und die kommenden Generationen. Das ist Unternehmertum.“
Dorli weiß, was sie tut
Hier am Spitzerberg hat alles begonnen, mit einer Miniparzelle, die einst ihrer Oma Katharina gehörte und die Muhr 1995 wieder rekultivierte. 0,17 Hektar in der Ried Roterd, wo Dorli wie schon ihre Eltern ein wenig Wein als Haustrunk keltern wollte, als Hobby und Ausgleich.
„Was du nicht so schnell schaffst, ist das Wichtigste: zu verstehen, was du da eigentlich tust.“
Aber sehr schnell hat sie, die im Haupterwerb die Wein-PR-Agentur „Wine&Partners“ betreibt, ihre Zukunft geschmeckt: „Der Wein war nämlich wirklich, wirklich gut.“ Also hat sie Parzellen dazugekauft oder gepachtet, das war damals relativ einfach – niemand wollte hier noch groß Wein machen, der Trend ging damals, vor gut zwanzig Jahren, noch nicht in Richtung Blaufränkisch aus Carnuntum. Aber Dorli Muhr ist auch nicht naiv, sie weiß: „Einen Weingarten hast du in zwei Tagen gekauft, eine Kellermeisterin oder einen Kellermeister findest du in zwei Monaten. Aber was du nicht so schnell schaffst, ist das Wichtigste: zu verstehen, was du da eigentlich tust.“
Nicht Berg, eher Paradies
Und zwar: Die Natur zu ihrem Recht kommen lassen. Und das Besondere des Terroirs so in die Flaschen bringen, wie es eben nur hier möglich ist: am Spitzerberg, der weder spitz ist noch ein wirklicher Berg. Dorli Muhr kennt ihn schon seit Jahrzehnten, aber die Liebe hält an: „Es ist ein Paradies hier. Wirklich genial.“
„An meinem Weingut kommen am Tag im Schnitt drei Fahrzeuge vorbei: zwei Traktoren und ein Fahrrad.“
Der Spitzerberg liegt genau am Verbindungskorridor zwischen Alpen und Karpaten, ist knapp vier Kilometer lang und 300 Meter hoch, oben von einem Naturschutzgebiet gekrönt, unter dem sich die Weingärten erstrecken, aber auch hier gibt es keine Monokulturen, sondern die reine Vielfalt: Brachen, Böschungen, Waldstücke, „und wenn du da ein bisschen länger hinausschaust, kommst du dir vor wie in einem Walt-Disney-Tierfilm.“ Die Idylle ist tatsächlich ungestört. „An meinem Weingut kommen am Tag im Schnitt drei Fahrzeuge vorbei: zwei Traktoren und ein Fahrrad.“
Und Reh und Rebhuhn sagen: Aber Hallo!