Rosa gesprenkelte Blätter schmiegen sich elegant aneinander und bilden einen runden Kohlkopf. Daneben leuchten purpurviolette Stängel aus den aufgefächerten, marmorierten Kohlblättern. Clara Heinrich baut auf ihrer 2200 Quadratmeter großen Gartenfläche in Gols nicht nur die schönsten aller Kohlsorten an, sondern verarbeitet ihre landwirtschaftliche Arbeit auch noch in Lyrik. Die Ästhetik des Gemüses ist dabei nicht nebensächlich, sondern auch die Verbindung zu Claras Kunst. Sie ist Essayistin, Autorin, Sprachkünstlerin und Gemüsegärtnerin.
Zurück zu den Wurzeln – literally
Die Burgenländer:innen haben ja einen Hang dazu, in die Heimat zurückzukehren, und so findet sich auch Clara – die Tochter des bekannten Weinguts Heinrich – nach acht Jahren Berlin in Gols wieder. Zurück am Land macht die Dreißigjährige auf der Fläche des Weinguts der Eltern gleich mal ihr eigenes Ding und baut Wintergemüse an: Spitzkraut, Kohlsprossen, Grünkohl (aber auch in Violett), Schwarzkohl und noch viel mehr wunderschöne Kulturen, von Radicchio bis Paradeiser.
Auch wenn es anfangs nicht so leicht war, Abnehmer:innen für violette Karotten oder farbige Spitzkohlvarianten zu finden, war das Interesse bald groß. Immerhin verkocht der Heimlich-Wirt im Ort Claras Gemüse und ein besseres Aushängeschild gibt’s nicht. Auch das Landgasthaus Schiller in Sommerein ist ein treuer Kunde. Bald soll es einmal pro Woche einen Ab-Hof-Verkauf geben.
Sorten-Nerd
Was Clara genauso liebt, wie im Beet zu jäten und das fesche Gemüse zu ernten, ist, darüber zu recherchieren, zu schreiben und zu philosophieren. „Ich ziehe alles selbst vor und kaufe keine Pflanzen zu. Ich verbringe also viel Zeit mit Recherche und weiß, wer, wo, welche Sorte hat“, erzählt sie. „Wenn ihr also mal auf der Suche nach dem Wassermelonen-Rettich seid, der ‚innen ur schön pink ist‘ – ihr wisst, wen ihr fragen könnt!“ Ein Angebot, das auch für die Kolleginnen und Kollegen der beiden befreundeten Marktgärtnereien „Gartenkiste“ und Reiners Erdbeeren und Gemüse im Seewinkel gilt.
„Es ist schön, weil man nicht allein kämpft.“
In dem gemeinsamen Netzwerk „See Winkelgärten“ steht man sich gegenseitig mit Rat und Tat, Maschinen oder Insiderinfos zur Seite. Egal, ob es darum geht, wie man einen Folientunnel baut oder einen bestimmten Schädling loswird. „Wir stehen vor den gleichen Herausforderungen und es ist schön, weil man nicht allein kämpft“, sagt Clara.
„Mein Schreiben kreist sehr viel um Natur und die Annäherung an Natur.“
Nature Writing
Ein weiteres Ventil, das im Leben der Landwirtin so unvermeidbar ist wie der Ausblick auf die burgenländischen Windräder, ist das Schreiben: „Mein Schreiben kreist sehr viel um Natur und die Annäherung an Natur. Und selbst hier arbeite ich mit den Jahreszeiten: Fürs Schreiben ist hauptsächlich in den Wintermonaten Zeit, wo der Garten weniger Aufmerksamkeit benötigt.“
In ihren Texten stellt sich Clara viele Fragen: Wie kann man sich der Natur nähern? Wo liegen ihre Grenzen? Wo macht Sprache einen Unterschied? Im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen Arbeit, die sie bei der Aufzucht ihrer Jungpflanzen und Saatgut-Recherchen braucht, kann die Autorin in ihren Essays und in der Lyrik ganz subjektiv und emotional gefärbt ihre eigene Perspektive und Beziehung zur Natur ausleben.
Heinrich 2.0
Ihre eigene Perspektive bringt Clara auch Schritt für Schritt im Weingut Heinrich ein. Gemeinsam mit ihrem Bruder wird sie den Familienbetrieb einmal übernehmen, wobei Bruder Laurenz für den Wein zuständig ist und Clara sich der versorgenden Landwirtschaft wie ihrer Marktgärtnerei widmen kann. „Der Vorteil an der Sache ist, dass ich immer die Wahl hatte“, erzählt Clara. „Ich dachte bis vor Kurzem, dass ich nicht für die praktische Arbeit gemacht bin, aber es funktioniert gut und macht mir Riesenspaß.“. Während sie sich also um Digital-Marketing-Agenden des Weinguts kümmert, bekommt sie auch Einblick in die Herausforderung, den Betrieb in eine erfolgreiche Zukunft zu lenken. Natürlich mit Wein, aber auch mit dem schönsten Kohl im Burgenland.