Die Gastronomie befindet sich im Wandel – und der geht weit über das bloße Kochen hinaus. Was macht heute eine verantwortungsvolle Küche aus? Wie gelingt es Spitzenköch:innen, Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Qualität zu vereinen? Diese Fragen standen im Fokus unseres ersten Gaumen Hoch-Live-Podcasts, der vor Publikum im Vorfeld des Austria Food Blogger Award (AFBA) stattfand.
Gastgeberin Alexandra Seyer-Gmeinbauer lud mit Parvin Razavi, Creative Head Chef des &flora, und Paul Ivić, Spitzenkoch des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten TIAN, zwei der renommiertesten Protagonist:innen der österreichischen Kulinarik auf die Bühne. Gemeinsam diskutierten sie über die Chancen und Herausforderungen der neuen Verantwortung, die Gastronominnen und Gastronomen heute tragen.
Herkunft und Respekt als Grundpfeiler

„Wenn ich mir was wünschen könnte, dann wäre es, dass man die Lebensmittel, die uns gut tun, anders besteuert, als die Lebensmittel, die uns schaden und von unserem Planeten zerstören.“, sagt Paul Ivic. Für ihn ist der verantwortungsvolle Umgang mit Lebensmitteln nicht nur Beruf, sondern Haltung. Es gehe darum, den Wert der Zutaten sicht- und schmeckbar zu machen – auch gerne mit Hilfe der sozialen Medien: „Ich denke, dass man Social Media bespielen muss und ich versuche, auf diesem Weg, meine Botschaften zu verbreiten. Ich möchte zeigen, dass man auch zuhause – mit wenigen Lebensmitteln, wenigen Handgriffen oder auch einer kleinen Küche – tolle Gerichte kreieren kann. Es geht um Wertschätzung, die in der eigenen Küche beginnt. Als Branche allgemein sollten wir lauter werden und das Gute verbreiten.“
Die neue Bühne: Social Media als Multiplikator
Soziale Medien sind heute aus der Gastronomie nicht mehr wegzudenken – und bieten eine neue Art der Verantwortung. „Die Gäste suchen sich ganz bewusst aus, wohin sie gehen. Es ist daher wichtiger denn je aufzuzeigen, wofür wir stehen und welche Werte wir vertreten. Unsere Branche ist auch nicht umsonst ein Magnet für Influencer:innen, die selbst eine große Verantwortung haben. Von ihnen würde ich mir daher mehr Fokus auf den Inhalt, als auf die Inszenierung wünschen“, betont Razavi.
Verantwortung gegenüber Produzent:innen, Lieferant:innen und Mitarbeiter:innen
Als in Investment in das hier und jetzt, aber auch in Zukunft sieht es Ivić, wenn die Produkte von Bäuerinnen und Bauern bezogen werden. „In der Gastronomie können wir den Landwirt:innen eine Plattform geben. Wenn wir deren Produkte restlos verwerten und am Teller schön präsentieren, ist das ein Zeichen von Respekt. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann dass man die Lebensmittel, die uns und dem Planeten guttun, anders besteuert als die schlechten. Dann würden wir nicht mehr darüber diskutieren müssen, ob Bio oder Demeter zu teuer ist.“

Bei allem gilt für den Spitzenkoch: „Man muss bestmöglich die Herkunft spürbar machen. Essen muss schmecken und freudvoll sein.“
Auch für Razavi ist das Verhältnis und der regelmäßige, persönliche Austausch mit den Produzent:innen essenziell: „Wir haben sehr viel Verantwortung unseren Gästen, Lieferant:innen und Mitarbeiter:innen gegenüber. Daher ist es mir sehr wichtig, was wir verwenden. Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu unseren Lieferant:innen.“
Eine ebenso essenzielle Rolle spielt die Wertschätzung der Mitarbeitenden. „Die Verantwortung eines Chefs ist es, die Mitarbeitenden für das, was man tut, zu begeistern“, sagt Ivić – und beschreibt die Führung als Balanceakt zwischen Disziplin und Empathie. Razavi hebt hervor, dass gerade heute die Arbeitswelt ein Umfeld sein muss, in dem sich Menschen entfalten können: „Wir brauchen Teams, die vielfältig sind und in denen jede und jeder sie selbst sein kann.“ Derzeit gelingt das den beiden Spitzenköch:innenen mit einer bewusst gelebten Diversity-Kultur, die viele junge Menschen anzieht.
Von der Theorie zur Praxis
Die Diskurse um Lebensmittelpreise, Bio-Siegel, Herkunft und Nachhaltigkeit sind für Razavi und Ivić keine abstrakten Debatten, sondern tägliche Herausforderung. „Man muss kreativ mit Produkten umgehen, wirtschaftlich denken und dennoch die Qualität nie aus den Augen verlieren“, sagt Razavi. Ivić ergänzt: „Die Hemmschwelle für nachhaltigen Genuss muss niedrig bleiben. Wir wollen Orte schaffen, an denen jeder gut essen kann, ohne Kompromisse bei der Qualität.“
Der Dialog zwischen Küche, Gast und Produzent wird so zur moralischen Liga der Gastronomie – einem Feld, auf dem Bewusstsein, Haltung und Genuss nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen. „Wenn wir alle mit unseren jeweiligen Stärken in diese Richtung gehen, können wir erheblich bewegen“, resümiert Seyer-Gmeinbauer.



















