Alfred Schwendinger war fast 40 Jahre Bio-Bauer und gründete 2020 die erste Regionalwert-AG in Österreich. Diese besteht aus Aktionärinnen und Aktionären, die zusammen mit engagierten Bio-Landwirtinnen und -Landwirten sowie Verarbeitungsbetrieben die kleinteilige Landwirtschaft und Biodiversität in unserem Land erhalten wollen. Doch wie funktioniert diese Bürgeraktiengesellschaft genau? Was macht sie? Und was hat Schwendinger noch alles mit ihr vor? Der hemdsärmelige Idealist im Interview.
Was genau verstehen Sie unter Gründerinnen und Gründern? Und wie kann man sich die Struktur der Regionalwert AG vorstellen?
Schwendinger: Wenn ich Gründerinnen und Gründer sage, meine ich damit Konsumentinnen und Konstumenten – beziehungsweise Bürgeraktionärinnen und -aktionäre, wie wir sie nennen. Diese 50 Aktionärinnen und Aktionäre hatten gemeinsam rund 200.000 Euro eingelegt. Das war ein guter Anfang…
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Wie hat sich die Regionalwert-AG Niederösterreich-Wien seither entwickelt? Und was, würden Sie sagen, macht Ihre AG aus?
Schwendinger: Stand heute sind wir 33 Betriebe und 193 Aktionärinnen und Aktionäre. Wofür wir stehen, ist mit folgenden zwei Punkten am besten erklärt. Zum einen für die Vernetzung im gesamten Wertschöpfungsverbund. Das heißt: vom landwirtschaftlichen Betrieb über den Verarbeitungsbetrieb bis hin zum Handel und zur Gastronomie aus unserer Region, also Niederösterreich und Wien. Zum anderen stehen wir für die verantwortungsvolle Einbindung von Konsumentinnen und Konsumenten. Deswegen werden wir auch als Bürgeraktiengesellschaft bezeichnet. Dabei geht es darum, dass eben auch die Konsumentinnen und Konsumenten Verantwortung übernehmen für das, was in der Landwirtschaft und der Verarbeitung passiert.
„Wir wollen die gesamte Wertschöpfungskette miteinbeziehen. Vom Acker bis zum Teller im Restaurant. Das verbindet uns mit Gaumen Hoch.“
Alfred Schwendinger
Was erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit mit Gaumen Hoch?
Schwendinger: Es gibt da eine große Schnittstelle, nämlich, dass auch wir das große Ganze im Blick haben. Wir wollen nicht nur die Landwirtschaft und unsere Aktionärinnen und Aktionäre einbinden, sondern die gesamte Wertschöpfungskette miteinbeziehen. Vom Acker bis zum Teller im Restaurant, wenn man so will. Das verbindet uns auch so stark mit Gaumen Hoch. Deswegen glaube ich, dass man gemeinsam da viel bewirken kann, was die verstärkte Eingliederung der Bio-Landwirtschaft in die österreichische Gastronomie angeht. Meines Erachtens ist da noch viel Luft nach oben, und ich bin froh, dass dieses Vorhaben mit Gaumen Hoch jemand wahrnimmt.
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Was bewegt die Leute dazu, Regionalwert AG-Aktionär:innen und Aktionäre zu werden?
Schwendinger: Sie wollen eine engere Verbindung zur Landwirtschaft und der gesamten Wertschöpfungskette aufbauen, aber als solche auch Verantwortung übernehmen. Vor allem dafür, dass nachhaltige Lebensmittel von Menschen produziert werden, die davon auch leben können. Das ist bis heute leider immer noch viel zu selten der Fall.
„Unsere Aktionär:innen und Aktionäre wollen, dass nachhaltige Lebensmittel von Menschen produziert werden, die davon auch leben können.“
Alfred Schwendinger
Dem Wort „Aktie“ hat etwas Elitäres an. Wie wird man bei Ihnen Aktionär:in?
Schwendinger: Um mit einer Aktie dabei zu sein, liegt der Ausgabewert bei 600 Euro. Damit ist man als Aktionär:in bei der Hauptversammlung dabei, wird auf verschiedenste Events eingeladen und erhält regelmäßig Informationen über die Entwicklungen in den Mitgliedsbetrieben, um ein paar Beispiele zu nennen.
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Und was bewegt die Betriebe, bei Ihnen Mitglied zu werden?
Schwendinger: Um Lizenzpartner:in von uns zu werden, zahlt man meines Erachtens einen recht niedrigen Betrag von 300 Euro pro Jahr. Als Lizenzpartner:in kann jeder Betrieb dafür ansuchen, dass wir Investitions- oder Beteiligungspartner:innen werden. Das heißt: Wenn beispielsweise ein Betrieb eine Investition tätigen will – wie zum Beispiel die Anschaffung einer neuen Getreidereinigungsmaschine –, aber weder das Geld dafür hat, noch zur Bank gehen will, dann kann er bei uns ansuchen.
Wir schauen dann, wie viel im Topf ist, ob diese Investition sinnvoll ist – und entscheiden dann, ob wir das finanzieren oder mitfinanzieren können. Es gibt verschiedene Varianten, wie wir uns bei diesen Investitionen beteiligen. Eine mögliche Form ist die stille Beteiligung. Die andere ist die, dass wir als AG – um beim Beispiel von besagter Maschine zu bleiben – die Maschine kaufen und dann vermieten. Dabei versuchen wir möglichst breit gestreut zu agieren: Von Getreide- über Milchbäuerinnen und -bauern bis hin zu Bio-Läden oder Kaffees möchten wir die gesamte Wertschöpfungskette abdecken.
Wir schauen dann, wie viel im Topf ist, ob diese Investition sinnvoll ist – und entscheiden dann, ob wir das finanzieren oder mitfinanzieren können. Es gibt verschiedene Varianten, wie wir uns bei diesen Investitionen beteiligen. Eine mögliche Form ist die stille Beteiligung. Die andere ist die, dass wir als AG – um beim Beispiel von besagter Maschine zu bleiben – die Maschine kaufen und dann vermieten. Dabei versuchen wir möglichst breit gestreut zu agieren: Von Getreide- über Milchbäuerinnen und -bauern bis hin zu Bio-Läden oder Kaffees möchten wir die gesamte Wertschöpfungskette abdecken.
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Gibt es aus der jüngeren Vergangenheit für Sie ein Best-Practice-Beispiel für eine solche Investition?
Schwendinger: Wir haben jetzt einen Verarbeitungsbetrieb mit 50.000 Euro unterstützt, der aufgrund der Krise, die in der Bio-Vermarktung seit dem Ukraine-Krieg und der Inflation um sich wütet, nicht mehr wirklich produzieren konnte. Das hat viel und nachhaltig geholfen. Was ich auch wertvoll finde, ist, dass wir mit solchen Investitionen junge Leute unterstützen können. Die Jungen sind in diesem Bereich heute sehr kreativ geworden und auch offen dafür, dass sich wer finanziell beteiligt. Gerade in Projekten von jungen Leuten, die gründen oder einen Betrieb von den Eltern übernehmen, ist mit verhältnismäßig kleinen Summen wie 20.000 Euro auch schon geholfen. In der normalgroßen, konventionellen Landwirtschaft wären solche Summen ja nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein.
„Was ich auch wertvoll finde, ist, dass wir mit solchen Investitionen junge Leute unterstützen können.“
Alfred Schwendinger
Wie sieht es mit österreichweiten Regionalwert AGs aus? Ist da etwas geplant? Wie es scheint, ist das ja eine ziemliche Win-win-Situation für alle Beteiligten.
Schwendinger: Ja, es gab bis jetzt Anfragen von Tirol und der Steiermark. Wir werden sehen. Es ist aber nicht so einfach, wie man vielleicht denkt, so ein Projekt auf eine wirtschaftliche Basis zu stellen. Fakt ist, dass wir uns am besten dann weiterentwickeln können, wenn es irgendwann einmal auch Einnahmen gibt.
Und die gibt es nicht?
Schwendinger: Sagen wir so: Wir arbeiten nun einmal mit vielen Klein- und Kleinstbetrieben zusammen, die allesamt keinen Gewinn machen. Das bedeutet für uns, die da und dort eine stille Beteiligung haben, natürlich auch keinen Rückfluss. Zumindest noch nicht.
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Wird sich in absehbarer Zeit ändern? Und überhaupt: Was sind Ihre Ziele in den kommenden Jahren mit der Regionalwert AG Niederösterreich-Wien?
Schwendinger: Mein Wunsch ist natürlich, dass die sich einmal wirtschaftlich selbst trägt und auf stabilen Füßen steht. Daran arbeiten wir. In Deutschland gibt es bei den acht Regionalwert AGs unterschiedliche Versuche, in die Wirtschaftlichkeit zu kommen. Einige gehen in die Beratung, andere versuchen, mit größeren Unternehmen zusammenzuarbeiten. Ideen gibt es ja! Mein Ziel lautet: 30.000 Aktionärinnen und Aktionäre sowie 200 Mitgliedsbetriebe. Dabei geht es mir vor allem um eines: Dass wir endlich politisches Gewicht haben und gehört werden. Vielleicht gelingt es uns dann, die Politik zu einem Umdenken zu bringen – vor allem, was die Förderungsstrukturen betrifft, die rein über die Größe eines Betriebs definiert werden. Das gehört meines Erachtens geändert. Weltweit weiß man ja, dass es die Kleinstbetriebe sind, die die Welt ernähren, und nicht die Großbetriebe. Und ich behaupte: Die meisten der Kleinstbetriebe sind auch nachhaltiger unterwegs.
Alfred Schwendinger
Gründer Regionalwert AG