Die Wahrheit über Supermarktgemüse

Auf den Tellern der Nation herrscht Monotonie. Dabei gäbe es so viel mehr zu entdecken! Eine Anleitung für fortgeschrittene Gemüsefans.
Volker Plass von der Arche Noah im Gaumen Hoch-Podcast
© Gaumen Hoch

Gelbe Kartoffeln, rote Tomaten und grüne Gurken – das Angebot im Supermarkt ist standardisiert und uniform. Das Ergebnis: wenig Abwechslung, wenig Geschmack und wenig Nährstoffe, bemängelt Volker Plass, Geschäftsführer von Arche Noah, im Gaumen Hoch-Podcast.

Warum essen wir eigentlich immer das Gleiche? Auf unseren Tellern herrscht oft Monotonie, während die Vielfalt der Natur unendlich groß ist. Volker Plass, Geschäftsführer von Arche Noah, bringt es im Gaumen Hoch-Podcast auf den Punkt: „Bei Äpfeln habe ich ja vielleicht noch drei oder vier Sorten, die ich mir aussuchen kann, aber bei Zucchini oder Melanzani gibt es nur eine Sorte.“ Dabei gäbe es so viel mehr zu entdecken.

Volker Plass und die Arche Noah: Retter der Vielfalt

Volker Plass ist nicht nur Geschäftsführer von Arche Noah, sondern auch ein leidenschaftlicher Verfechter der Vielfalt. Der Verein Arche Noah setzt sich seit über 30 Jahren für den Erhalt und die Verbreitung alter Sorten ein und betreibt das größte private Saatgutarchiv Europas. „Wir schützen nicht nur einen Schatz der Vergangenheit, sondern auch einen Baukasten für die Zukunft“, betont Plass im Gaumen Hoch-Podcast. Denn alte Sorten sind nicht nur genetische Schätze, sondern auch wichtige Ressourcen für die Anpassung an den Klimawandel und die Sicherung unserer Ernährung.

Wo ist die Vielfalt geblieben?

„Bei Äpfeln habe ich ja vielleicht noch drei oder vier Sorten, die ich mir aussuchen kann, aber bei Zucchini oder Melanzani gibt nur eine Sorte.“
Volker Plass, Geschäftsführer der Arche Noah

Wer in den Supermarkt geht, findet meist dieselben wenigen Gemüsesorten – laut Plass überwiegend einheitliches Industrieobst und Industriegemüse, das man das ganze Jahr bekommt und das auch so schmeckt. „Nehmen wir als Beispiel den ‚Pink Lady‘-Apfel. Der schmeckt knackig frisch nach Apfel, ist aber ein australisches Industrieprodukt, das patentiert ist und auf italienischen Plantagen angebaut wird. Und das hat mit der wunderbaren Apfelvielfalt, die wir in Österreich haben, überhaupt nichts mehr zu tun.“ Warum sich der Pink Lady dann durchsetzt? Unter anderem, weil er nicht so leicht braun wird. „Wenn du den Apfel aufschneidest und 40 Stunden liegen lässt, bleibt dieser weiß“, sagt Plass, eine alte Apfelsorte würde auf der Schnittfläche mit der Zeit braun werden, was völlig normal ist. Um diese Eigenschaft des Braunwerdens wegzuzüchten, sind allerdings gewisse Vitalstoffe und Substanzen verloren gegangen.

Warum das zum Problem wird

Die Konzentration auf wenige, massentaugliche Sorten hat auch abgesehen von den gesundheitlichen Aspekten weitreichende Folgen. Sie macht unser Ernährungssystem anfälliger für Schädlinge und Krankheiten, reduziert die Geschmacksvielfalt und sorgt dafür, dass wir immer dieselben, oft nährstoffärmeren Lebensmittel essen. Dabei gäbe es Alternativen: seltene, regionale Gemüsesorten, die nicht nur besser schmecken, sondern auch nachhaltiger sind. Volker Plass betont: „Alte Sorten sind oft robuster, benötigen weniger Pestizide und haben sich über Jahrhunderte an ihre Umwelt angepasst.“

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Gemüseeinheitsbrei im Supermarkt
Plass betont im Podcast, dass Saatgut früher in bäuerlicher Hand war und von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Heute kontrolliert die Industrie den Saatgutmarkt, was die Abhängigkeit der Landwirtinnen und Landwirte erhöht.

Wie es dazu kam

Die „Grüne Revolution“ der 1960er Jahre steigerte zwar die Nahrungsmittelproduktion durch Hochertragssorten, Bewässerung, Düngemittel und Pestizide, doch der Preis war hoch: Chemikalien schädigten Böden, die Anfälligkeit für Krankheiten stieg, und traditionelle Anbaumethoden wurden verdrängt.

„Und diese wunderbare Vielfalt an alten bäuerlichen Landsorten, an Gemüsesorten, an Obstsorten, das ist zunehmend verloren gegangen. Die FAO schätzt heute das von den Pflanzen genetischen Ressourcen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch vorhanden waren, etwa 75 Prozent leider schon verloren gegangen sind“, sagt Plass im Gaumen Hoch-Podcast. So wurde zwar kurzfristig mehr Nahrung produziert, langfristig aber die Basis für eine nachhaltige und vielfältige Ernährung untergraben.

„Ein einfaches Beispiel: In Indien hat es angeblich einmal 30.000 Reissorten gegeben. Heute wird der Indische Reismarkt von 50 Sorten dominiert, die alle industriell verbreitet werden und entsprechend gute Erträge bringen.“
Volker Plass, Arche Noah

Organisationen wie die Arche Noah kämpfen weltweit dafür, dass die restlichen 25 Prozent noch erhalten bleiben.

Bewusst einkaufen in 4 Schritten

Was können wir als Konsument:innen tun, um die Vielfalt zurück auf unsere Teller zu bringen? Hier sind vier konkrete Schritte:

„Was vom Aussterben bedroht ist, muss aufgegessen werden.“
Volker Plass, Arche Noah
  1. Bewusst einkaufen:
    • Dort einkaufen, wo das Geld hinfließt, ist entscheidend.
    • Lokale und regionale Produkte kaufen.
    • Betriebe unterstützen, die Qualität und Vielfalt anbieten.
    • Sich bewusst sein, dass Qualität und Vielfalt vielleicht ein paar Cent mehr kosten.
  2. Selbst aktiv werden:
    • Pflanzen selbst anbauen im Garten, auf dem Balkon oder im Blumentopf.
    • Auch im Kleinen kann man sich um Selbstversorgung kümmern.
    • Die Sorten im eigenen Bereich anbauen und so einen Beitrag leisten, dass die sehr alten Sorten angebaut und dadurch verbreitet werden und überleben.
  3. In der Gastronomie nachfragen:
    • Lokale unterstützen, die eben nicht nur das Billigste anbieten, sondern auch wirkliche Qualität in diese Richtung und wirkliche Vielfalt auch selbst auf der Karte haben.
    • Nachfragen, ob es alternative Tomatensorten gibt oder ob es neben den gelben auch violette Kartoffeln gibt.
  4. Vielfalt genießen und weitergeben:
    • Möglichst viele dieser Sorten selbst konsumieren.
    • Sorten selbst anbauen.
    • Sorten selbst weitergeben.
„Wir müssen den Gastronom:innen signalisieren, dass wir an Vielfalt interessiert sind, damit sie diese auch anbieten. Es ist ein Henne-Ei-Problem, aber ich bin überzeugt, dass wir Konsument:innen die Gastronomie zu mehr Qualität motivieren können.“
Volker Plass, Arche Noah

Alternativen für den Supermarkt

Die gute Nachricht: Jede:r kann aktiv werden und die Vielfalt auf den Teller zurückbringen. Man muss den Supermarkt nicht gänzlich meiden, kann aber bewusst einkaufen und andere Bezugsquellen nutzen, die gleichzeitig die lokale Wirtschaft stärken:

  1. Bauernmärkte: Hier gibt es regionale und saisonale Produkte direkt von den Erzeuger:innen. Man kann sich über die Herkunft der Lebensmittel informieren und persönliche Kontakte zu den Bäuerinnen und Bauern knüpfen.
  2. Ab-Hof-Verkauf: Viele Bäuerinnen und Bauern bieten ihre Produkte direkt ab Hof an. Das ist eine gute Möglichkeit, die Landwirtschaft in der Region zu unterstützen und frische, unverarbeitete Lebensmittel zu bekommen.
  3. Arche Noah Vielfaltsbetriebe: Arche Noah hat ein Netzwerk von Partner:innenbetrieben, die alte Sorten anbauen und Jungpflanzen verkaufen. Eine Liste dieser Betriebe findet man auf deren Website.
  4. Eigener Anbau: Wer Platz hat, kann im eigenen Garten oder auf dem Balkon Gemüse anbauen. Auch im kleinsten Blumentopf lässt sich Basilikum oder Kresse ziehen.
  5. Online-Shops: Es gibt immer mehr Anbieter:innen, die regionale und saisonale Lebensmittel anbieten. Hier kann man bequem von zu Hause aus bestellen und sich die Produkte liefern lassen.
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Kartoffelvielfalt
Plass: „Genetische Vielfalt und Nutzpflanzenvielfalt soll nicht nur erlaubt und geduldet sein, sondern Pflicht.“

Vielfalt ist ein Gewinn für alle

Es lohnt sich, über den Tellerrand hinauszuschauen. Seltene Gemüsesorten bieten neue Geschmackserlebnisse, sind oft nachhaltiger und tragen dazu bei, unser Ernährungssystem widerstandsfähiger zu machen. Also: Ran an die alten Sorten – Schluss mit dem Einheitsbrei!

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