Regional statt importiert: Die Rückkehr des Wintergemüses

Wintergemüse statt Importware – Experte Wolfgang Palme zeigt, wie nachhaltiger Genuss auch in der kalten Jahreszeit wächst.
Wintergemüse
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Während andere längst ihre Beete abräumen, beginnt für Wolfgang Palme die spannendste Zeit des Jahres. Der Gründer der City Farm Wien und Leiter der Abteilung Gemüsebau an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn (HBLFA) sieht den Winter nicht als Ende der Gartensaison – sondern als Neubeginn. „Der Winter ist frisch, grün und genussvoll“, sagt er. „Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was in dieser Jahreszeit möglich wäre.“ Und selbst, wenn die Hauptzeit für die Saat schon früher liegt, auch im Oktober ist hier noch einiges zu holen.

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Wolfgang Palme von der City Farm Wien
Wolfgang Palme hat die City Farm in Wien mitbegründet und plädiert dafür, dass der Jahresrhythmus wieder mehr Einzug in unsere Speisepläne erhält.

Vielfalt statt Flaute

Mit einer Vielzahl an porträtierten Arten in seinem Buch „Ernte mich im Winter“ räumt Palme mit dem Vorurteil auf, der Winter sei die „tote Jahreszeit“ im Gemüsegarten. Denn während viele an Kohl und Rüben denken, sprießen auf der City Farm Salate, Kressen, Kräuter und sogar Asia-Gemüse.

„Aber der Herbst ist der Frühling des Winters – im September und Oktober legt man den Grundstein für die kalte Jahreszeit.“
Wolfgang Palme

„Der klassische Kopfsalat ist im Winter heikel, aber Lollo Rosso, Rucola, Winterportulak oder Barbarakresse trotzen -10 bis -15 Grad“, erklärt Palme. Selbst Petersilie, Schnittsellerie oder Koriander fühlen sich im Winter wohler als in der sommerlichen Hitze. „Jedes Gemüse hat seinen Platz im Jahresrhythmus – man muss ihn nur kennen.“

Der Herbst ist der Frühling des Winters

Wer im Winter ernten will, muss im Sommer und Herbst planen. „Manche Kohlgemüse müssen schon im Mai ausgesät werden“, so Palme. „Aber der Herbst ist der Frühling des Winters – im September und Oktober legt man den Grundstein für die kalte Jahreszeit.“

Seminar für Interessierte: Endivie, Radicchio & Co

Am 27. November 2025 lädt die City Farm Wien gemeinsam mit der HBLFA für Gartenbau Schönbrunn zu einem genussvollen Seminartag rund um Endivien und Zichorien ein. Unter dem Motto „Bitter schön!“ dreht sich alles um die faszinierende Welt dieser traditionsreichen Wintergemüse – von der Rohverkostung seltener Sorten mit Haubenkoch Johann Reisinger bis zu spannenden Vorträgen von Wolfgang Palme und anderen Expert:innen. Ein mehrgängiges Spezialmenü rundet das Seminar kulinarisch ab. Alle weiteren Informationen hier.

Jetzt, im Oktober, sei es zwar schon spät, aber einige Chancen gibt es noch: Radieschen, Winterpostelein, Feldsalat oder Knoblauchgrün lassen sich auch jetzt noch aussäen oder stecken. „Es hängt vom Herbst ab, aber die Tageslänge ist unser limitierender Faktor“, sagt Palme. „Wenn es zu dunkel wird, wachsen die Pflanzen kaum noch.“

Schutz vor Feuchtigkeit statt vor Frost

Viele Hobbygärtner:innen fürchten den Frost – zu Unrecht, meint Palme: „Mehr Gemüse verfault, als erfriert.“ Der wahre Feind sei die Nässe. „Nasse Blätter, nasser Boden – das ist ein Paradies für Pilzkrankheiten.“

„Wir müssen wieder lernen, im Takt der Jahreszeiten zu gärtnern.“
Wolfgang Palme

Abhilfe schaffen kalte Folientunnel oder Frühbeete, die vor allem eines leisten: Trockenheit. Geheizt wird bei Palme allerdings nie. „Wir nutzen den natürlichen Treibhauseffekt der Sonne. Das reicht völlig – nachhaltig und energiesparend.“ Ein Tipp vom Profi: „Nie gefrorenes Gemüse ernten! Erst auftauen lassen, sonst zerstören die Eiskristalle die Zellstruktur.“

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Folientunnel
Kalte Folientunnel können im Winter Abhilfe gegen die Nässe schaffen – und natürlich gibt es sie für den heimischen Garten auch kleiner.

Lagern wie früher

Auch bei der Lagerung plädiert Palme für Gelassenheit. „Viele ernten zu früh, aus alter Gewohnheit. Dabei bleibt das Gemüse im Beet oft länger frisch als im Keller.“ Wenn Frost droht, eignen sich klassische Methoden wie Erdmieten oder feuchter Sand. „Früher wusste man, wie man Gemüse auf natürliche Weise frisch hält. Dieses Wissen sollten wir wiederentdecken.“

„Im Winter importieren wir Tausende Tonnen Gemüse quer durch Europa oder beheizen riesige Gewächshäuser. Das ist kein zukunftsfähiges Konzept.“
Wolfgang Palme

Wintergemüse als Zukunftsmodell

Für Palme ist Wintergemüse weit mehr als ein gärtnerisches Nischenthema – es ist eine Frage der Nachhaltigkeit. „Im Winter importieren wir Tausende Tonnen Gemüse quer durch Europa oder beheizen riesige Gewächshäuser“, sagt er. „Das ist kein zukunftsfähiges Konzept.“ Wer im Rhythmus der Jahreszeiten lebt, ernährt sich nicht nur ressourcenschonend, sondern auch abwechslungsreicher. „Jede Jahreszeit hat ihre Stars – das sollten wir feiern.“

Lernort Garten

Die City Farm Wien, die Palme gemeinsam mit Lisa Reck-Burneo und Ingrid Greisenegger gegründet hat, ist heute ein lebendiges Beispiel für dieses Denken. Zwischen Salatreihen und Kindergruppen vermittelt das Team Gartenwissen zum Anfassen – von Wintergemüse bis zur Saatgutvielfalt. Täglich besuchen Schulklassen die Anlage, Erwachsene lernen bei Workshops und den beliebten „Vier-Jahreszeiten-Jungpflanzenmärkten“, wie man Gemüse im Einklang mit der Natur anbaut.

„Wir müssen wieder lernen, im Takt der Jahreszeiten zu gärtnern“, sagt Palme. „Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, es macht auch glücklich.“

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