Was UPFs wirklich sind – und warum sie uns alle betreffen

Was steckt in den Produkten, die wir täglich essen? Neue Forschung und ein juristischer Paukenschlag aus den USA bringen Bewegung in eine unterschätzte Ernährungsdebatte.
UPFs
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Wir greifen zu ihnen, ohne darüber nachzudenken: Müsliriegel, Joghurt, Toastbrot, Snacks. Produkte, die nach Alltag schmecken – und doch so verarbeitet sind, dass wir sie in keiner Küche der Welt nachkochen könnten. Jetzt zeigen neue Studien und eine brisante US-Klage, wie weitreichend ihre Folgen sein könnten.

Was sind UPFs?

Ultra-Processed Foods (UPFs) sind industriell hergestellte Produkte, die zahlreiche Verarbeitungsschritte durchlaufen und Zutaten enthalten, die man in einer normalen Küche kaum findet – etwa Aromen, Emulgatoren, Farbstoffe, Stabilisatoren oder gehärtete Fette. Typisch für UPFs sind hoher Zucker-, Fett- oder Salzgehalt und gleichzeitig wenig Ballaststoffe und Mikronährstoffe. Beispiele reichen von Fertiggerichten, süßen Cerealien und Snacks bis zu aromatisierten Joghurts, Toastbrot und vielen veganen Ersatzprodukten. Je länger und technischer die Zutatenliste, desto wahrscheinlicher handelt es sich um ein UPF.

Im November legte ein Forschungsteam der Nurses’ Health Study II neue Ergebnisse vor: Frauen unter 50, die besonders viele UPFs konsumieren, weisen ein deutlich erhöhtes Risiko für sogenannte konventionelle Adenome auf – Polypen, die sich zu Darmkrebs entwickeln können. Jene mit dem höchsten Konsum hatten laut Studie ein 45 Prozent höheres Risiko als Frauen, die weniger stark verarbeitete Lebensmittel essen.

Die Forschenden werten dies als möglichen Baustein zur Erklärung der steigenden Darmkrebsraten bei Jüngeren. Einen kausalen Zusammenhang kann die Studie nicht nachweisen, doch die Hinweise passen zu bisherigen Erkenntnissen über Stoffwechselstörungen, Entzündungsprozesse und Veränderungen im Darmmikrobiom, die mit UPFs in Verbindung stehen.

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Fermentiert
Veränderungen im Darmmikrobiom sind wohl eine der am häufigsten Auftretenden Folgen von UPFs-Konsum. Dagegen gut für ein intaktes Darmmikrobiom sind fermentierte Lebensmittel.

Wie stark verarbeitete Lebensmittel traditionelle Esskulturen verdrängen

Deutlich weiter gefasst, aber nicht weniger brisant, sind Ergebnisse einer dreiteiligen Studie aus dem November, die unter dem Titel „Ultra-Processed Foods and Human Health“ im Lancet veröffentlicht wurde. Diese zeigt, dass UPFs traditionelle Ernährungsweisen auf Basis frischer und minimal verarbeiteter Lebensmittel weltweit zunehmend verdrängen. Die Studien weisen darauf hin, dass eine hohe Aufnahme von UPFs mit schlechterer Ernährungsqualität, Nährstoffungleichgewicht, Überessen und erhöhter Belastung durch Schadstoffe einhergeht. Erkenntnisse, die sich mit denen des deutschen Max-Rubner-Institutes decken. Diese verwiesen bereits auf ein „verstärktes Auftreten von Erkrankungen, wie beispielsweise Adipositas, Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie der Gesamtsterblichkeit“ im Zusammenhang mit UPFs.

Was die Politik plant

Ein Erkenntnisgewinn, der auch politisch nicht folgenlos bleibt. Nur wenige Wochen nach Veröffentlichung der Studien reagierte ein Akteur der US-Politik: San Francisco reichte die erste Regierungsklage gegen große Lebensmittelkonzerne ein, darunter bekannte Hersteller:innen von Getränken, Snacks, Fertiggerichten und Frühstücksprodukten. Die Stadt wirft ihnen „unfaire und irreführende“ Vermarktung vor und argumentiert, dass Kommunen seit Jahren die gesundheitlichen Folgekosten tragen. Grundlage der Klage sind zahlreiche Hinweise auf Zusammenhänge zwischen UPF-Konsum und chronischen Erkrankungen – von Diabetes über Herz-Kreislauf-Leiden bis hin zu bestimmten Krebsarten. 

Kalifornien wiederum hat bereits gesetzliche Definitionen von UPFs eingeführt und erste Zusatzstoffe in Schulen verboten. Für Verbraucher:innen bleibt die Lage ambivalent. UPFs sind breit verfügbar und oft günstig, gleichzeitig schwer klar einzuordnen: Naturjoghurt zählt nicht dazu, aromatisierte Joghurts mit Zusatzstoffen schon; Vollkornbrot kann ebenso unverarbeitet sein wie ein Tiefkühlgemüse-Paket, während Toastbrot, Crunchy-Müslis oder Schmelzkäse als eindeutig hoch verarbeitet gelten. Orientierung bietet die Zutatenliste: Je länger und technischer, desto stärker die Verarbeitung.

Wie ist die Lage in der EU beim Thema UPF-Regulierung?

Die EU bewegt sich beim Thema UPF-Regulierung spürbar, aber vorsichtig. Zwar plant die Kommission, ab 2026 eine Abgabe auf stark verarbeitete Lebensmittel mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt vorzuschlagen und ein europaweites Bewertungssystem für verarbeitete Produkte einzuführen – eine direkte Regulierung von „UPFs“ als eigener Kategorie gibt es bisher allerdings nicht. Grund dafür ist vor allem die unklare wissenschaftliche Definition: Die NOVA-Klassifikation ist zwar verbreitet, aber umstritten. Viele Expert:innen sehen derzeit zu wenig belastbare Evidenz für harte gesetzliche Eingriffe speziell gegen UPFs. In diese Richtung argumentiert auch eine Analyse des Institute of Food Science & Technology, die sich mit den Anliegen von europäischen Konsument:innen im Zusammenhang mit UPFs beschäftigt. Bis jetzt setzt die EU eher auf gesundheitspolitische Anreize, Reformulierungen und Verbraucher:innen-Information. Stärkere Maßnahmen könnten nun durch klarere Definition seitens der Wissenschaft angestoßen werden.

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UPFs
Überlage Zutatenlisten sind oft ein Hinweis auf hochverarbeitete Lebensmittel.

So erkennst du UPFs beim Einkauf

  • Je kürzer die Zutatenliste, desto besser.
  • Zucker erkennen: Maltodextrin, Glukosesirup und Ähnliches verbergen oft zusätzliche Süße.
  • Fette prüfen: „Gehärtete Pflanzenfette“ weisen auf Transfette hin.
  • Frische bevorzugen: Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Vollkorn bleiben die verlässlichsten Bausteine.
  • Nicht alles Verteufeln: Produkte wie Tofu, ungesüßte Pflanzenmilch oder Tiefkühlgemüse zählen trotz Verarbeitung nicht zu den problematischen UPFs.

Es geht also weniger um ein komplettes Meiden, sondern um ein bewussteres Auswählen – und darum, zu verstehen, wie sehr die Lebensmittelindustrie das „Food Environment“ prägt, in dem wir Entscheidungen treffen.

Und jetzt? Ist die Debatte über UPFs wieder eine Ernährungsdebatte, die im Sand verläuft, oder ist vielmehr ein Stein ins Rollen gekommen, der möglicherweise durch die Bestrebungen der EU-Kommission weiter an Tempo gewinnt? Vieles spricht dafür, dass Wissenschaft und Politik sich auf einem neuen gemeinsamen Pfad bewegen: Die Forschung liefert immer klarere Hinweise auf gesundheitliche Risiken, während europäische Behörden erstmals konkrete Schritte erwägen – von Abgaben auf stark verarbeitete Produkte bis hin zu einem Bewertungssystem für verarbeitete Lebensmittel. Noch steht die Regulierung vor definitorischen und wissenschaftlichen Hürden, doch der politische Wille, die Ernährungsumgebung gesünder zu gestalten, ist erkennbar gewachsen. Für eine nachhaltige Esskultur bedeutet das: Die Frage ist nicht mehr, ob sich etwas bewegt, sondern wie schnell – und wie konsequent Hersteller:innen, Handel und Konsument:innen auf diesen Wandel reagieren.

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