Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof

Es gibt in Wien wohl keinen gastronomischen Betrieb, in dem das Prinzip „Farm to Table“ authentischer erlebbar ist.
Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof
© Farm2Table-Gartenbar

Schnecken mit alles

von Klaus Buttenhauser

Schneckentolerante Fans der vegetarischen Küche kommen in der Gartenbar seit 2020 voll auf ihre Rechnung. Während der Saison von Ende Mai bis Ende September finden mehr als 100 verschiedene Kräuter, Gemüse- und Obstsorten ihren Weg aus der Marktgärtnerei über die Küche und von dort auf die Teller der Gäste. Wenn es Noten für die Nachhaltigkeit eines Gastrobetriebs gäbe, bekäme die Gartenbar eine „römische Eins“ mit Sternderl. 

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Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof

Ähnliches gilt auch für das Bistro im ersten Stock des Hofs, gleich vis-à-vis über die Rosiwalgasse. Bereits seit 2016 werden hier zweimal pro Monat siebengängige Schneckenmenüs zelebriert. Seit dem ersten Dinner vor neun Jahren sind die 25 Plätze stets ausreserviert. Zusätzlich finden hier auch Führungen und Events statt.

Seit 2018 fungiert Jürgen Winter als Küchenchef und Produktionsleiter. Der Liebe wegen nach Wien emigrierte Bayer mischte früher als Küchenchef im Do & Co im Haas Haus und im „Kristians Monastiri“ an vorderster Fine-Dining-Front mit. Er hat in der Gestaltung der Menüs den Einsatzradius der Weinbergschnecken in der Menü- und Bistroküche wohl wie kein zweiter Koch ausgelotet. Da wäre eigentlich schon längst ein Orden für die Pflege und Weiterentwicklung der Wiener Küche fällig.

Täglich grüßt das Gugumuck-Gemüsebeet 

„In der Gartenbar schreibt die Ernte am Vormittag die Speisekarte des Tages. Regionaler und saisonaler geht nicht“, erklärt Jürgen Winter das von ihm 2020 im Zuge der Corona-Pandemie mitentwickelte Konzept der Farm2Table-Gartenbar. „Das ist meine Version einer frischen und ressourcenschonenden Küche, die in diesem besonderen Ambiente einen niederschwelligen Zugang zu Gerichten mit hochwertigen Zutaten bietet.“ 

© Farm2Table-Gartenbar
Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof
Bühne für Schneckenküche – Von hier aus bringt Jürgen Winter seine kreative, naturnahe Küche auf die Teller – unkompliziert und raffiniert zugleich.

Die Eröffnung der Gartenbar war auch der ideale Einstieg für Andreas Tochter Lena, die damals noch die Tourismusfachschule Modul in Wien besuchte. Im ersten Jahr schupfte sie mit ihren Schulkolleg:innen das Service. Nach einem Auslandssemester in Australien fungiert sie heuer wieder als charmante Restaurantleiterin.

Der Kreislauf wird noch runder

Ein wichtiger Aspekt seines Gastrokonzepts ist für Schneckenkönig Andreas die konsequente Abfallvermeidung. „Wir nutzen alles, was uns die Natur gibt. Was wir aus unserem Garten nicht verkochen, fermentieren wir oder legen wir ein. Blattsalate und Mangold sind die Leibspeisen unserer Schnecken. Aus Gartenabfällen produzieren wir Kompost für die Beete“, beschreibt Andreas Gugumuck sein Zero-Waste-Konzept: „Nichts bleibt über, alles wird verwertet. Gartenbar und Bistro sind ganz wichtige Faktoren in unserer Kreislaufwirtschaft.“ 

© Farm2Table-Gartenbar
Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof
Genussplatz im Grünen – In der Gartenbar wird Erntefrisches mit Blick auf Gemüsebeete und Obstbäume serviert.

Aktuell wird neben der Gartenbar eine Aquaponikanlage errichtet, in der Barsche, Welse und Gemüse in einem Nährstoffkreislauf kultiviert werden. So wird der Kreis ab 2026 noch runder.

Gugumuck-Schneckensnacks

In der Gartenbar liegt der Schwerpunkt auf unkomplizierten Wohlfühlgerichten, wie etwa der „Backschnecke“. Inspiriert vom Altwiener Backfleisch werden Schnecken in Kren, Senf und Petersilie mariniert und in der Pfanne gebraten. Im Bistro peppen ein Rote-Rüben-Espuma und je nach Saison diverse marinierte Salate dieses Gericht auf Fine-Dining-Niveau auf.

© Farm2Table-Gartenbar
Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof
Die Gartenbar ist nicht nur kulinarischer Hotspot, sondern Teil eines durchdachten Zero-Waste-Systems.

In der Gartenbar stehen auch Pilzbratwürstl, Caragoles a la Catalana, in Kräuterbutter gratinierte Weinbergschnecken, vegetarische Flammkuchen und ähnliche Gerichte auf der Karte – mit täglich frisch geernteten Zutaten. Auch die Herausforderung, Schnecken als Dessert zu kredenzen, meistert Jürgen souverän – beispielsweise als „Rumschnecken“. 

Als Weinempfehlung des Hauses zu diesen Gerichten ist der „Schneckenwein“ obligatorisch. Die Reben des Weins stehen auf einer gepachteten Parzelle eines Weingartens am Nussberg, die Andreas Gugumuck. Der Wiener Top-Winzer Fritz Wieninger, ein langjähriger Wegbegleiter und Freund, bewirtschaftet die Parzelle und produziert den Wiener Gemischten Satz in seiner Kellerei, natürlich in Bio-Qualität. Die Jahresernte von etwa 700 Flaschen wird verlässlich ausgetrunken.

© Farm2Table-Gartenbar
Farm2Table-Gartenbar und Bistro am Gugumuck-Hof
Die Farm2Table-Gartenbar – direkt an den Beeten gelegen, ist sie das Herzstück eines außergewöhnlich nachhaltigen Gastronomiekonzepts.

Genuss mit gutem Gewissen

Jürgen Winter, dessen Karriere in der klassischen Hauben- und Sterneküche begonnen hat, fand am Gugumuck-Hof seine Erfüllung als Koch und Lebensmittelveredler jenseits weißer Tischtücher und edlem Porzellan. Er setzt selbst Ginger Beer, Botanical Gin und den Sirup für den hauseigenen „Kräuterdudler“ an, er fermentiert und legt ein, überwacht die hauseigene Pilzzucht per App am Handy. Er leitet die Veredelung der Weinbergschnecken von der Ernte bis zur verpackten Ware und kann sich am Herd kreativ austoben.

„Was ich hier mitgestalten darf, ist ein Ort, der für einen genussorientierten Umgang mit Lebensmitteln steht, kombiniert mit dem Verantwortungsbewusstsein für Boden, Umwelt und Biodiversität. Was könnte es Schöneres geben?“ Um diese Mission der Gastronomie künftig noch stärker darzustellen, steht die Bio-Zertifizierung von Gartenbar und Bistro ganz oben auf der To-do-Liste.

Gugumuck Schneckenmanufaktur

Andreas Gugumuck

Worauf bist du stolz?
Dass wir mit den Wiener Schnecken über die Gastronomie eine fast vergessene kulinarische Tradition neu belebt haben – und dass wir unseren Hof in Rothneusiedl zu einem lebendigen Beispiel für zukunftsweisende, nachhaltige Stadtlandwirtschaft entwickeln konnten.
Deine Leibspeise?
Seit meiner Kindheit liebe ich Kaiserschmarrn mit unseren eigenen frischen Eiern – heute allerdings am liebsten mit unseren Rum-Schnecken statt Rosinen.
So einfach und so gut – welches Gericht ist das für dich?
Spaghetti Aglio e Olio – mit nur drei Zutaten: Petersilie, Knoblauch und Olivenöl. Einfach, ehrlich, perfekt.
Was möchtest du noch lernen?
Aquaponik – also die Fischzucht in Kreislaufsystemen mit hydroponischem Gemüseanbau. Ich möchte verstehen, wie wir damit die Kreisläufe am Gugumuck-Hof noch weiter schließen können. Ziel ist es, künftig auch die Eingeweidesäcke unserer Schnecken als Futter für die Fische zu verwerten.
Was kann man von dir lernen?
Dass sich Stadtentwicklung und Landwirtschaft nicht ausschließen – sondern in der „Essbaren Stadt“ gemeinsam gedacht und gestaltet werden können: im öffentlichen, halböffentlichen und privaten Raum. Von begrünten Dächern über essbare Plätze bis zu Marktgärtnereien – wie gestaltet man ein urbanes Ernährungssystem mit Zukunft.
Wiener Schnecken Manufaktur Gugumuck

Wiener Schnecken Manufaktur Gugumuck ist Mitglied von Gaumen Hoch*

*Gaumen Hoch ist eine Gemeinschaft von Menschen aus der Gastronomie und Landwirtschaft, die sich mit ihrem verantwortungsvollen Handeln für einen gastronomischen Wandel einsetzen. Mit ihrer Mitgliedschaft leisten sie einen Beitrag, um diese Veränderung zu unterstützen. Gaumen Hoch-Mitglieder bekennen sich zu unserem Wertemanifest und werden jährlich von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle geprüft.

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