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Österreich braucht mehr Markt­gärtnereien

Martkgärtnereien können, was kein Supermarkt der Welt kann. Sarah von „Dirndln am Feld“ erklärt, worauf es bei ihrer Arbeit wirklich ankommt.
von Lucas Palm
Arbeit in der Marktgärtnerei
© Dirndln am Feld

Immer mehr. Immer größer. Immer schneller. Was in der globalisierten Geschäftswelt unseres Jahrhunderts als selbstverständlich gilt, kümmert Sarah Schmolmüller wenig. „Unser Geschäft lässt sich schlecht skalieren“, sagt sie – und meint damit ihre Marktgärtnerei im niederösterreichischen Kirchberg am Wagram. 2021 mit ihrer Geschäftspartnerin Bianca Rabel gegründet, hegen, pflegen und ernten die beiden auf 1,5 Hektar eine beeindruckende Vielfalt an Gemüse und Kräutern. Biologisch, natürlich. Damit beliefern sie namhafte Gastrobetriebe in Wien. Doch was ist das genau, eine Marktgärtnerei?

„In einer Marktgärtnerei geht es darum, vielfältiges Gemüse auf kleinstmöglichem Raum zu produzieren.“
Sarah Schmolmüller von der Marktgärtnerei „Dirndln am Feld“
Dirndln am Feld

Wie Omas Gemüsegarten

„Ich würde sagen: ein größerer Gemüsegarten von der Oma“, antwortet Sarah schmunzelnd. „In einer Marktgärtnerei geht es darum, vielfältiges Gemüse auf kleinstmöglichem Raum zu produzieren, weil wir davon ausgehen, dass wir nicht endlos viel Fläche zur Verfügung haben. Deswegen ist uns das Thema Bodengesundheit auch so wichtig.“

“Wir sorgen nach der Ernte dafür, dass dem Boden wieder möglichst viel Nährstoffe zurückgegeben werden.“
Sarah Schmolmüller

Um die vergleichsweise kleine Fläche, auf der die ambitionierte Gemüsevielfalt sprießt, möglichst gesund zu halten, setzen die Dirndln am Feld auf Gründüngung. „Unsere Gemüsekulturen verlangen dem Boden ja ziemlich viel ab, deswegen sorgen wir nach der Ernte dafür, dass ihm wieder möglichst viel Nährstoffe zurückgegeben werden“, sagt Sarah.

Das gelingt, indem Pflanzen mit hohem Stickstoffgehalt gepflanzt werden: Leguminosen wie Erbsen oder Bohnen, aber auch Klee und Phacelia. „In dieser Zeit lassen wir den Boden auch möglichst in Ruhe, damit er Zeit hat, sich zu regenerieren. Er ist ja auch ein Habitat für viele Lebewesen, da muss man nicht die ganze Zeit darin herumwühlen.“ 

Bodengesundheit

Die Vorteile der Gründüngung

Neben der hohen Stickstoffversorgung, die durch Gründüngung erreicht wird, hat diese natürliche Methode zur Förderung der Bodengesundheit weitere Vorteile: So reduziert das Wurzelsystem von Gründüngungs-Pflanzen das Erosionsrisiko des Bodens massiv. Auch das Wachsen von Unkraut wird stark unterdrückt, weil dadurch schlicht kein Platz mehr dafür ist. Da es durch Gründüngung oft weder chemische Herbizide noch chemische Düngemittel braucht, erhält sie nicht nur die biologische Vielfalt eines Bodens, sondern fördert diese auch.

„In vielen Supermärkten wird Gemüse von weit her geschifft und ist anonym. Dadurch ist eine große Distanz zwischen Produzenten und Konsumenten entstanden.“
Sarah Schmolmüller

Marktgärtnereien leisten Gemüseaufklärung

So sehr die Bodenarbeit bei Sarah und ihrer Partnerin Bianca im Mittelpunkt steht – eine Marktgärtnerei lebt auch vom Kontakt zu anderen Menschen. Vermarktet wird direkt, das Gemüse wird eigenhändig an die Kundinnen und Kunden verkauft – ohne Zwischenhändler:innen. „In vielen Supermärkten wird Gemüse von weit her geschifft und ist anonym. Dadurch ist vor allem in den letzten Jahren eine große Distanz zwischen Produzent:innen und Konsument:innen entstanden. Durch die Direktvermarktung stärkt man diese Beziehung wieder“, sagt Sarah.

Vor allem aber kann die gelernte Touristikerin durch den direkten Kontakt auch wertvolle Aufklärungsarbeit leisten. Zum Beispiel, indem sie Kundinnen und Kunden zeigt, dass auch das Karottengrün verwendet werden kann, genauso die Wurzeln des Lauchs oder die Blätter von roten Rüben. Dadurch lassen sich nicht nur Abfälle vermeiden, es wird auch das gesamte Gemüse wiederentdeckt und wertgeschätzt – ganz im Sinne der Root to Leaf-Philosophie. 

@ Dirndl am Feld
Gemüsevielfalt

Konkurrenzdenken ist fehl am Platz

Der Kontakt zu Kundinnen und Kunden ist das eine. Der zu anderen Marktgärtnereien und Menschen, die selbst eine solche gründen möchten, ist für die Dirndln am Feld aber mindestens genauso wichtig. Hier herrscht keine Ellbogenmentalität, die möglichst alle Konkurrentinnen und Konkurrenten vom Markt drängen will. Im Gegenteil.

„Wir finden: Jede Gemeinde braucht eine Marktgärtnerei.“
Sarah Schmolmüller

„Wir unterstützen Neugründerinnen und Neugründer, wo es geht“, sagt Schmolmüller. „Weil wir ein Umfeld schaffen möchten, in dem es einfach möglichst viele Marktgärtnereien gibt. Wir finden: Jede Gemeinde braucht eine Marktgärtnerei.“ Das liegt auch daran, dass beide Gründerinnen von der Krisenfestigkeit von Marktgärtnereien überzeugt sind. „Es ist sehr resilient als System, weil man ziemlich unabhängig in Bezug auf Krisen wird: Wir sind energieautark, produzieren Nahrung regional und haben auch Gemüse, das im Winter gedeiht, wie etwa Lauch oder Grünkohl.“

Nicht ohne unsere Radhacke

Wer mit dem Gedanken spielt, selbst eine Marktgärtnerei zu gründen, dem legt Sarah übrigens ein ganz bestimmtes Werkzeug ans Herz: die Radhacke. Dabei handelt es sich um ein rund 40 Zentimeter breites Messer, mit dem der Boden schonend „unterschnitten“ wird, wie die versierte Gärtnerin verrät. „Damit wird die Erde nicht über den Haufen gewurschtelt, sondern das Unkraut wird lediglich an der Wurzel abgeschnitten und bleibt so liegen, wie es gewachsen ist. Das ist sicher eines der wichtigsten Geräte für unsere Arbeit!“ Wobei das Allerwichtigste für eine gelingende Marktgärtnerei für Schmolmüller etwas ganz anderes ist: „Es braucht Liebe. Und zwar zu den Pflanzen und zu den Menschen gleichermaßen. Das ist es, was unsere Arbeit ja letztlich ausmacht.“ 

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