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Magische Samen: Was man von der Bohne lernen kann

An den Ranken der Feuerbohne gelangt man in Märchen bis in den Himmel. Gourmets und Freunde der steirischen Käferbohne zelebrieren den Bohnenhimmel bereits hier auf Erden.
von Ute Woltron
Feuerblüten-Bohnen
© Klaus Fritsch

Es ist erstaunlich, in wie vielen uralten Märchen und Fabeln ausgerechnet die Bohne eine tragende Rolle spielt. Bei näherer Betrachtung ist das jedoch gar nicht so abwegig. Die Bohne ist tatsächlich eine faszinierende Erscheinung, sowohl als Pflanze, insbesondere aber als Kern.

Botanisch korrekt müsste man die Bohnenkerne natürlich als Samen bezeichnen, und die sind wunderschön: Glatt und glänzend liegen sie angenehm kühl in der Hand. Sie tragen je nach Sorte unendlich viele Farben in Nuancen von Weiß, Kanarienvogelgelb über Ochsenblutrot bis Tiefschwarz, und gelegentlich sind sie auch prächtig getüpfelt und gemustert. Manche, wie etwa die sogenannten Flohbohnen, sind winzig klein, nur wenige Millimeter lang. Andere, wie die Limabohnen, erreichen stattliche Dimensionen von drei Zentimetern und mehr.

© Klaus Fritsch
Fisolen
Fisolen: Über die Sommermonate bis in den Herbst bilden die großen Käferbohnenpflanzen eine neue Schote nach der anderen aus. Sind sie noch klein und zart, können sie auch als Fisolen, auch Grüne Bohnen genannt, in den Kochtopf wandern, aber eigentlich ist es schade drum, denn Fisolensorten gibt es viele, doch gute Käferbohnen sind rar.

Doch das Faszinierendste an diesen Samen ist die offensichtliche Kraft, die ihnen innewohnt, und die in der Tat etwas Magisches in sich trägt. Selbst in schnell aushärtenden Gips eingegossen, werden die Samen die Feuchtigkeit aufnehmen, unverdrossen zu keimen beginnen und ihr steinhartes Gefängnis problemlos sprengen. Auch der Bohnenkeimling selbst ist von unbeirrbarer Vitalität. Er wird, in eine dunkle Schachtel eingesperrt, über alle Barrieren hinweg den Weg zum Licht finden, wird in Windeseile auch aus diesem Verlies ausbrechen und in die Freiheit ranken.

© Klaus Fritsch
Schlinger-Bohnen
Schlinger: Warum die Feuerbohne ausschließlich linkswindend wächst und alle Kletterhilfen stets gegen den Uhrzeigersinn erklimmt, das weiß nur die Evolution. Die Pflanze ist so groß und mächtig, und ihr Blattwerk bildet einen dichten grünen Filz, sodass Bohnenpflanzen gerne auch als Sichtschutz verwendet werden.

Käferbohnen sind Feuerbohnenkerne

Feuerbohnen sind die vitalsten und wuchsfreudigsten unter all den Phaseolus-Gewächsen. Möglicherweise sind sie auch die schönsten. Die Feuerbohne, deren Heimat in den Hochebenen Mittelamerikas liegt, ist eine stattliche Erscheinung. Sie rankt bis zu fünf, sechs Meter hoch und blüht in einem unverschämt kräftigen Rotorange. Die auffällige Farbe dieser Schmetterlingsblüten hat der Pflanze auch ihren Namen gegeben.

Die Feuerbohnenkerne selbst sind ebenso unverwechselbar. Sie sind entweder schneeweiß oder, im Fall der sogenannten Käferbohnen, lila-schwarz gefleckt, und sie behalten diese schöne Musterung auch nach dem Kochen. Apropos: Die Käferbohne ist, wenn sie richtig zubereitet wird, eine seidig-sämige Köstlichkeit. Perfekt gegarte Kerne sind cremig-weiche Angelegenheiten in einer gar zarten Hülle. Der Geschmack ist nussig und erinnert ein wenig an Maroni.

Die wunderbarsten Gerichte lassen sich daraus zubereiten, wobei das hierzulande bekannteste aus der Steiermark stammt und die Bohne in würzigem Kürbiskernöl badet, mit etwas roher Zwiebel in feinen Scheibchen und gutem Essig würzt. Der steirische Käferbohnensalat ist ein Klassiker, den wohl jeder kennt und schätzt

© Klaus Fritsch
Bohnenkerne
Bohnenkerne: Wie auf einer Perlenkette aufgefädelt ruhen die Bohnenkerne in ihrer grünen Schatulle. Solange die Schoten noch saftig und nicht abgetrocknet sind, können die Bohnen zwar bereits verspeist werden. Nur nach dem Kochen, versteht sich. Sie sind jetzt jedoch noch lange nicht lagerfähig.

„Steirische Käferbohne“ als Marke geschützt

Insbesondere die Südoststeiermark gilt als das Käferbohnen-Paradies Österreichs. Hier gedeiht diese Bohnensorte zumindest seit dem 19. Jahrhundert in klimatisch begünstigter Hügellandschaft und zieht ihre Kraft aus dem von ihr bevorzugten lehmigen Boden. Feuerbohnen sind in jedem steirischen Bauerngärtlein zu finden und ranken dort allerorten sattgrün und feuerrot an langen Stangen empor. Und die Käferbohnenbäuerinnen und -bauern der Region erzeugen mit etwa 250 Tonnen pro Jahr, je nach Witterung, 90 Prozent der heimischen Gesamtproduktion. 

Seit 2016 ist die Bohnensorte im EU-Register der Ursprungsbezeichnungen als „Steirische Käferbohne“ eingetragen und solchermaßen als lokale Spezialität und Marke geschützt. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, denn Feuerbohnen wachsen auch in anderen Weltgegenden. Vor allem China tut sich seit einiger Zeit als Exporteur der Delikatesse hervor. Doch Kenner:innen werden auf jeden Fall lieber auf lokale Quellen zurückgreifen, denn hier ist garantiert, dass die bei aller Vitalität und Wuchskraft dennoch kapriziöse Bohne unter idealen Bedingungen angebaut, geerntet und getrocknet wird.

Denn niemals darf dürfen Gourmets vergessen, dass Nahrung etwas Lebendiges ist, oder zumindest sein sollte! Ein paar vergleichende Keimversuche offenbarten Erstaunliches. Die Steirerinnen keimten innerhalb weniger Tage und wuchsen auf das Robusteste sogleich an. Die billigeren Importe hingegen waren unter denselben Versuchsbedingungen eine herbe, ja klägliche Enttäuschung. Sie keimten großteils überhaupt nicht, und die wenigen Bohnenkerne, die doch noch so etwas wie Leben in sich trugen, waren zu schwach, um weiterzuwachsen.

© Klaus Fritsch
Fisolen
Feuerblüten: Ein Bohnenfeld in voller Blüte ist ein prächtiger Anblick, und angesichts der zierlichen, doch so kräftig feuerrot gefärbten Blüten kann man verstehen, dass viele Gartenmenschen die Käferbohne auch wegen ihrer Schönheit großziehen. Natürlich ist es diese auffällige Blütenfarbe, die der Feuerbohne den Namen gab.

Bohnen-Anbau: Geheimnisse der steirischen Käferbohnenkönigin

Michaela Summer, als derzeit amtierende Käferbohnen-Königin gewissermaßen die Botschafterin der steirischen Delikatesse, kann, wie auch wir, nur mutmaßen, was der Grund dafür ist: „Vielleicht wurden die Bohnen zu schnell und bei zu hohen Temperaturen getrocknet, was dem Keimling logischerweise nicht guttut.“ Als Käferbohnenproduzentin und Direktvermarkterin weiß die Steirerin, wie leicht die Bohnenernte verderben kann, wenn nicht jede Phase ihres Wachsens und Reifens unter möglichst guten Bedingungen erfolgt.

Summer zieht ihre Bohnen nach einem jahrtausendealten, seit jeher in Mexiko üblichen Prinzip, das die Symbiose zwischen der Maispflanze und der Bohne ausnutzt. Die Aztekinnen und Azteken hatten entdeckt, dass die beiden Pflanzen einander guttun. In Mittelamerika hatte man zusätzlich auch Kürbisse am Fuß der beiden gepflanzt, denn deren große Blätter beschatteten den Boden und hielten ihn feucht. Dieses bewährte System wäre jedoch mit Maschinen nicht zu bestellen oder zu ernten, deshalb wachsen die Kürbisse in Summers Garten doch lieber separat.

Die Bohne reichert das Erdreich mit Stickstoff an, den sie aus der Luft holt, was dem Gedeihen des Maises in Form von Dünger zugutekommt. Sie selbst rankt am kräftig gebauten Kukuruz empor, wird von ihm beschattet und gemeinsam produzieren sie ein gedeihliches Kleinklima und Miteinander. Die Feuerbohne ist im Gegensatz zu anderen Gartenbohnensorten nicht sehr kälteempfindlich. Sie kann deshalb bereits Ende April, Anfang Mai gemeinsam mit dem Mais ausgesät werden.

„Ist der Herbst mild und trocken, bleiben die Felder gelegentlich sogar bis Anfang Dezember hinein unangetastet, erst dann wird geerntet und gedroschen.“
Michaela Summer, Käferbohnenproduzentin

Ab dann bleibt den Bohnenbauern wenig mehr zu tun, als gelegentlich das Unkraut zwischen den Zeilen in Schach zu halten und auf zuträgliches Wetter zu hoffen. Es darf nicht zu trocken, aber auch nicht zu regnerisch sein. Hohe Luftfeuchtigkeit hingegen wirkt sich äußerst günstig aus, und wenn die Temperaturen im Sommer bitteschön nicht zu hoch ausfallen, ist es auch recht. Hitze vertrage die Pflanze nicht gut, wenn das Thermometer über 32 Grad anzeige, sagt Michaela Summer, werfe die Bohne ihre Blüten teilweise ab. Geht jedoch alles gut, dann steht der Mais-Bohnenacker ab Juni in voller feuerroter Blüte und wächst sich bis zum Hochsommer zu einem Dickicht aus Ranken, Blättern und Mais-stangen aus. Während der Mais in seinem Wachstum schließlich innehält und die Kolben ausreifen lässt, wächst die leichtfüßigere Bohne weiter und treibt bis zum ersten Frost Ranken und Blüten ohne Ende. Mit dem Frost ist die Vegetationszeit vorbei, die Pflanze stirbt ab.

Idealerweise reifen die Samen in den Schoten auch danach noch einige Wochen aus, trocknen ab und holen sich die letzten Kräfte und Aromen aus der Pflanze. „Ist der Herbst mild und trocken“, erzählt die Bohnenkönigin, „bleiben die Felder gelegentlich sogar bis Anfang Dezember hinein unangetastet, erst dann wird geerntet und gedroschen.“ Nur glänzende, glatte, unversehrte Bohnenkerne zeugen von höchster Qualität und werden des Verkaufs für würdig befunden, aus diesem Grund muss die Ernte nach maschineller Vorsortierung und Reinigung nochmals handverlesen werden.

© Klaus Fritsch
Reifezeit der Bohnen
Reifezeit: Jetzt ist es vollbracht, die Hüllen sind bereits vollständig abgetrocknet und dürr, die Bohnen haben wochenlang alle Kraft daraus geschöpft und sind nun ausgereift. Wenn sie dann gut getrocknet aufbewahrt werden, wachsen daraus im nächsten Jahr neue Feuer-bohnenpflanzen. Vorausgesetzt, sie werden nicht alle aufgegessen.

So bereitet man Bohnen zu

„Die Kerne müssen gut gewaschen und mindestens zwölf 
Stunden eingeweicht werden, besser noch länger.“
Michaela Summer, Käferbohnenproduzentin

Michaela Summer glaubt, dass vor allem das günstige Klima und die vorzügliche Kombination mit dem steirischen Kürbiskernöl die Bohnentradition in der Südoststeiermark hervorgebracht haben. Doch der beliebte Salat ist nur eines der zahllosen Gerichte, in dem die schwarz-lila Hülsenfrucht eine Hauptrolle spielen kann. Summer erklärt zuerst einmal die Grundlagen der Bohnenzubereitung. „Die Kerne müssen gut gewaschen und mindestens zwölf Stunden eingeweicht werden, besser noch länger. Zum Kochen wird das Wasser abermals gewechselt. Immer kommen Bohnenkraut und Lorbeerblatt dazu, niemals jedoch schon vor dem Kochvorgang Salz, denn damit bleiben die Bohnen hart.“

Nach etwa eineinhalb Stunden sanften Vor-sich-hin-Köchelns sind die Bohnen weich. Jetzt erst werden sie gesalzen, verbleiben noch eine Viertelstunde im Sud, damit das Gewürz einziehen kann, erst dann wird abgeseiht. Die Bohnenkönigin bereitet jedoch auch die herrlichsten Süßspeisen aus Käferbohnen, und in diesem Fall bleibt das Salz natürlich weg.

Was man mit Bohnen alles machen kann

Tatsächlich wäre es ein Versäumnis, lediglich den Kernöl-Bohnensalat in Betracht zu ziehen, wo doch etwa auch Püree, verschiedenste Aufstriche, sogar Marmeladen, Torten, Strudel und zahllose weitere Speisen mit der Bohne als Hauptzutat herrlich munden. Sogar ein Bohnenschokolade-Rezept hat Summer ersonnen, an der Perfektion des Käferbohnen-Eierlikörs arbeitet sie derzeit noch. Der schmecke zwar jetzt schon ausgezeichnet, doch die Konsistenz, so meint die ausgebildete Kochlehrerin, sei noch nicht perfekt. Etwas zu dickflüssig nämlich. Am besten, man urteilt selbst, begibt sich in Michaela Summers Käferbohnenkabinett in Dietzen, lässt sich dort inspirieren und kostet sich durch die diversen Käferbohnenprodukte durch.

Was gegen Tönchen hilft und wie man Bohnen keinesfalls essen sollte

Die steirische Bohnenspezialität dürfte jedoch nicht nur auf dem Gourmet-Sektor Interessentinnen und Interessenten finden. Aufgrund des hohen Eiweißgehalts sieht Summer vor allem auch auf dem veganen Markt Potenzial. Mit den großen, schönen Bohnen lässt sich also allerlei anstellen. Nur eines darf man niemals machen – sie roh verzehren. Ungekocht enthalten alle Bohnen das giftige Phasin, das jedoch bereits ab einer Temperatur von 75 Grad umgewandelt und vollkommen zerstört wird. Und zu guter Letzt: Wer die Tönchen der Böhnchen fürchtet, dem sei geraten, niemals, auch im Fall der Verwertung in Süßspeisen, auf die Zugabe von Bohnenkraut und Lorbeer zu verzichten. Außerdem erübrigt sich diese Sorge von selbst, wenn Bohnen regelmäßig und nicht nur gelegentlich auf dem Speiseplan stehen.

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