„Der Gast ist nicht blöd, sondern falsch erzogen“, sagt Philipp Wimmer-Joannidis. er Vollblutgastgeber weiß ganz genau, wie er die Werte, für die er brennt, in die Köpfe (und Bäuche) seiner Gäste bekommt.
Gemeinsam mit seiner Frau Isabelle führt Philipp das Boutique-Hotel und Restaurant Kaiser’s Hof seit 2022 im ruhigen Straß – einer Ortschaft mit rund 1.500 Einwohner:innen im Herzen des Kamptals.
„Von früher weiß ich noch, wie mit dem Jahr gelebt wird.“
Seine Sehnsucht nach Wertigkeit und Beständigkeit wurzelt in Erinnerungen an die Oma. Von der Nachkriegszeit geprägt, verwertete diese alles, was da war, auf bodenständige und zugleich kreative Weise. Verfügbarkeit verlieh Lebensmitteln einen ganz anderen Stellenwert als heute: „Von früher weiß ich noch, wie mit dem Jahr gelebt wird. Da freut man sich schon im Winter auf die Erdbeer-, Kirschen- oder Walnusszeit.“ Es ist eben diese Wertigkeit der einzelnen Produkte, die Philipp in den heutigen Zeiten des Überflusses, seinen Gästen wieder ins kulinarische Gedächtnis rufen will.
„Innovation entsteht aus Tradition.“
Neues braucht Altes
Im Kaiser’s Hof agiert der Koch nach der obersten Prämisse etwas Gutes, das vielleicht schon in die Jahre gekommen ist, zu erhalten. „Innovation entsteht aus Tradition. Und das zieht sich bei uns durch – vom Hotel über das Interieur bis hin zur Küchenlinie“, sagt Wimmer-Joannidis.
In besten Sinne des Wortes in die Jahre gekommen, ist das 250 Jahre alte, denkmalgeschützte Gebäude, in dem das Werken des Paares stattfinden darf. „Das Erhalten und Bespielen eines so alten Hauses ist der erste Schritt von Nachhaltigkeit“, sagt Philipp. Und restaurierte behutsam und möglichst wenig invasiv das alte Gemäuer.
Aus nächster Nähe
Die hohen Qualitätsansprüche seiner Gäste erfüllt er in enger Zusammenarbeit mit regionalen Produzentinnen und Produzenten. Viele kommen dabei aktiv über Word of Mouth oder Social Media auf ihn zu: „Für dich! Zwei Kilo Limonenseitlinge. Probier‘ damit was aus“ – mit diese Worten kam kürzlich eine Waldviertler Bio-Pilzzüchterin auf Philipp zu. Ganz in seinem Sinne: „Wir wollen kein Restaurant sein, das immer dasselbe anbietet. Es soll einfach spannend bleiben.“
Wirtshausküche 2.0.
Gemeinsam mit Küchenchef Peter Heneis, der einen beeindruckenden Track-Record in der gehobenen Gastronomie aufweist, zaubert Autodidakt Philipp bodenständige und experimentelle Gerichte auf die Teller: „Mein Ansatz ist verrückter, Peter ist ein Handwerker, der sicher in der klassischen Kochkunst ist. Und diese Mischung macht‘s.“
„Wir verwenden Teile, die einfach keiner mehr nimmt, die weggeworfen werden. Stierhoden zum Beispiel.“
Verkocht wird alles. Denn Lebensmittelverschwendung ist laut Wimmer-Joannidis „eine Todsünde“. Eines seiner jüngsten Signature-Gerichte ist ein geschmorter Saurüssel in Sojasauce und Schmorfond mit Kartoffelcreme-Püree. „Wir verwenden Teile, die einfach keiner mehr nimmt, die weggeworfen werden. Stierhoden zum Beispiel. Geht von der Textur in Richtung Kalbsfleisch und Jakobsmuscheln.“
Als Koch, sagt Philipp, habe er auch einen Bildungsauftrag: „Als meine heute 16-jährige Tochter noch klein war, habe ich einmal für rund 250 Kindergartenkinder gekocht. Die Kids haben gesagt: Mama, heute hat’s Bulgur gegeben. Können wir das bitte zu Hause auch machen?“ Das sei genau der Effekt, den er als Koch haben will.
Ob Kindergartenkind oder Gast im Kaiser’s Hof: Seinen Zugang zu gesunden, wertigen Lebensmitteln mit der Welt zu teilen, sieht Philipp als seine Bestimmung: „Als Koch hat man die Aufgabe, vorzuzeigen, wie kreativ Essen sein kann. Mit dieser Rolle geht eine gewisse Art von Erziehung einher. Das ist meine Möglichkeit, die Welt zu verändern.“ Hätte auch der Oma gefallen.