Am 18. Juni ist der internationale Tag der nachhaltigen Gastronomie. Erstens: Ja, diesen Tag gibt es wirklich – und zweitens: Das ist durchaus ein Grund zur Freude, denn diesen Tag braucht es mehr denn je. Warum? Weil nur wenige Begriffe in den vergangenen Jahren so inflationär gebraucht und – sagen wir es ruhig – weichgespült worden sind wie jener der Nachhaltigkeit.
Dieser 18. Juni ist also ein Tag, an dem wir uns zurückbesinnen können – und sollten – auf das, was nachhaltige Gastronomie wirklich ist. Und wirklich sein kann. Jenseits von all den Marketinggags, die den Begriff der „Nachhaltigkeit“ so ausgehöhlt haben, dass nichts als eine verkaufsfördernde Mogelpackung übriggeblieben ist.
Was also ist nachhaltige Gastronomie? Was braucht es, um als Gastronom:in einen wirklich nachhaltigen Betrieb zu führen? Diese Fragen lassen sich konkret beantworten – und zwar mit dem tagtäglichen Tun der Gaumen Hoch-Mitgliedsbetriebe. Folgende zehn Beispiele zeigen, wie umfangreich und mehrdimensional Nachhaltigkeit im gastronomischen Sinne ist – und dass sie einfach verdammt gut schmeckt, diese gelebte Nachhaltigkeit.
Das gesamte Lebensmittel als Edelteil
Weltweit werden geradezu verstörende Mengen an Lebensmitteln verschwendet, die noch genießbar wären. Laut dem Food Index Report der Vereinten Nationen waren das im Jahr 2021 ganze 931 Millionen Tonnen. Rund ein Viertel davon geht auf das Konto der Gastronomie. Wie es anders geht, das zeigen Vorzeigebetriebe wie etwa das TIAN in Wien: Dort wird das Gemüse „from root to leaf“, also von der Wurzel bis zum Blatt, verarbeitet. Angelehnt an das „Nose-to-tail-Konzept“ in Sachen nachhaltiger Ganztierverarbeitung wird damit allerhand Hochwertiges aus Karottengrün, Sellerieschalen oder Karfiolstielen gezaubert – und auch elaborierte Fermentationsskills sorgen dafür, dass hier nichts weggeschmissen wird.
Kurze Lieferwege, große Wirkung
Kurze Lieferwege vermeiden nicht nur CO2-Emissionen, die bei weiten Transportwegen unumgänglich sind – sie sorgen oft auch dafür, dass regionale Kleinbetriebe mit echtem Nachhaltigkeitsanspruch gestärkt werden. Michael Wankerls Gerüchteküche in Graz etwa bezieht den allergrößten Teil seines Gemüses von einer Marktgärtnerei, die nicht einmal fünf Kilometer entfernt liegt. Hier zeigt sich: Nachhaltige Gastronomie sorgt auch für Nachhaltigkeit außerhalb der vier Restaurantwände – und stärkt Österreichs kleinteilige Landwirtschaft.
Vom Feld auf den Tisch – geht überall!
Natürlich: Ein eigenes Gemüsefeld zu haben, kann als Koch oder Gastronomin viel (zusätzliche) Arbeit sein, doch der nachhaltige Mehrwert hat es in sich: Man kann genau das anpflanzen, was man braucht, lernt sein Gemüse und saisonale Besonderheiten noch besser kennen – und man ist nochmal eine Spur autarker. Konstantin Filippou macht’s mit seinem bald biozertifizierten Gemüsefeld in Niederösterreich für sein Wiener Mama Konstantina-Restaurant vor – und zeigt: Farm to table geht auch in einer Großstadt wie Wien.
Gemeinwohlökonomie, die man schmeckt
Das ethische Wirtschaftsmodell, in dem Solidarität und wertschätzendes Tun im Vordergrund stehen, kann auch die Gastronomie ein schönes Stück nachhaltiger machen. Das beweist etwa das Henriette Stadthotel in Wien, wo der wertschätzende Umgang mit Mitarbeiter:innen dafür sorgt, dass es quasi keinen Fachkräftemangel gibt. Zahlreiche Arbeitszeitmodelle, faire Bezahlung, Weiterbildungsmöglichkeiten – ein gemeinwohlorientiertes Betriebswirtschaftsmodell, das schmeckt auch den Gästen zu Tisch, die gut und kompetent bedient werden.
Transparenz als neue Normalität
Kennzeichnungspflicht hin oder her: Wer wirklich hochwertige Lebensmittel in seinem Betrieb verarbeitet, will das auch seine Gäste wissen lassen. Davon haben alle etwas: Die Produzentinnen und Produzenten, die ihre verdiente Aufmerksamkeit bekommen. Der Betrieb, der transparent kommuniziert und damit das Vertrauen der Gäste gewinnt. Und die Gäste selbst, die wissen, woher die Lebensmittel kommen. Der Trautenalwirt in Geistthal etwa macht’s vor: Da wird die Speisekarte mit allen regionalen Produzentinnen und Produzenten eröffnet. Macht das Schmökern gleich doppelt so schön – und man lernt mit einem einzigen Essen die Landwirtschaft einer Region kennen.
Nachhaltigkeit hört beim Kochen nicht auf
Ein Restaurant ist bekanntlich mehr als nur eine Küche. Die Familie Kolarik beweist, wie nachhaltig Gastronomie auch außerhalb der Küche sein kann. So heißt das nächste große Ziel: CO2-Neutralität. Gebäude sollen in absehbarer Zukunft besser gedämmt werden, neue Systeme verarbeiten Lebensmittelreste zu Biomasse, Altöl wird zu Biodiesel, Gas wird als Energieträger abgelöst und Photovoltaik am Dach verwandelt Sonnenlicht in Strom. Gastronomie als Kreislauf also, der unserem Planeten Gutes tut und nichts verheizt.
Authentischer Geschmack als nachhaltigster USP
Natürlich: Steinbutt von der Atlantikküste oder Lamm aus Neuseeland, das alles schmeckt vorzüglich. Doch Österreich hat selbst so viele großartige Produkte, dass es alles andere als nachhaltig ist, auf solche Auslandsdelikatessen zu setzen. Im Steirereck beweist Heinz Reitbauer: Heimischer Karpfen und Saibling machen den Steinbutt vergessen, genauso das Lamm vom Pogusch, jenes aus Neuseeland. Auf echten, authentischen Geschmack unserer heimischen Lebensmittel zu setzen – mit dem richtigen Handwerk und einem immer stärker aufkommenden Selbstbewusstsein wird die Gastronomie damit immer nachhaltiger. Und vor allem: unverwechselbar.
Auch das Personal isst mit
In internationalen Fine-Dine-Tempeln ist es gar nicht so selten: Das Mise en place braucht so viel Zeit, dass es plötzlich schnell gehen muss – und das Personal geliefertes Fast-Food zu essen bekommt. Gut, gesund und sonderlich nachhaltig ist das nicht. Die Wiener Hollmann Beletage sieht das auch so – und versorgt damit nicht nur seine Gäste, sondern auch seine Mitarbeiter:innen mit den besten Bio-Produkten aus Wien und Umgebung.
Weniger Fleisch – und wenn, das gute
Nein, Fleisch anzubieten ist per se nicht klimaschädlich. Es geht um die Menge – und auch darum, wo es herkommt. Im Wiener Restaurant &flora beispielsweise, setzt es Küchenchefin Parvin Razavi sehr behutsam, das heißt: maximal als Beilage ein. Bei Martin und Christiane Pichlmaier in ihrem Hernalser Restaurant „Pichlmaiers zum Herkner“ hingegen ist es so: Fleisch gibt es schon, aber eben nur in Topqualität. Das beweist das Gastropaar etwa beim Wiener Schnitzel, das vom österreichischen Bio-Kalb kommt – und eigentlich in jeder neu aufflammenden Schnitzeldiskussion als Best-Practice-Beispiel erwähnt werden sollte.
Vegan? Geht auch ohne Industrie
Die Marktführerschaft bei industriell hergestellten Fleischersatzprodukten ist heiß umkämpft, doch wer auf nachhaltige Gastronomie setzt, dem oder der kann das völlig wurst sein. Schließlich tut vegane Küche uns und unserem Planeten erst dann etwas Gutes, wenn die pflanzlichen Lebensmittel frisch verarbeitet werden, ohne Zwischenstation bei Verarbeitungskonzernen. Hochwertig Pflanzliches, das Bio ist und noch dazu aus der Region kommt, darum geht’s auch dem Restaurant Sattva Vegan in Wien. Von der Kohlrabi-Cremesuppe bis zum Borschteintopf: Der echte Geschmack von Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und Co. ist ein wesentlicher Hebel, um die Gastronomie zukunftsfit zu machen.