In Plastik abgepacktes Bio-Fleisch aus dem Großhandel oder konventionelles, plastikfreies Fleisch direkt vom Bauern aus der Region – was ist „besser“? An Fragen wie diesen zeigt sich das Dilemma, mit dem Konsument:innen und Gastronom:innen, denen es nicht egal ist, was auf den Teller kommt, konfrontiert sind. Natürlich wäre Bio-Qualität aus der Region das Optimum, aber das ist nun mal nicht immer möglich.
Christina Luger, die Gastronomin und Chefin de Cuisine der Lounge 81 in Bad Gleichenberg, kennt diesen Zwiespalt. Seit sie mit ihrem Mann Thomas Rauch – er hat im unteren Teil des Hauses ein Kunstatelier – 2010 eröffnet hat, bezieht sie die Ingredienzien für ihre Küche hauptsächlich aus der Region. „Es gibt zwar immer mehr Bio-Betriebe, aber ich würde mir wünschen, dass es noch mehr werden“, sagt sie.
„Ich mache die Menüs immer abhängig von dem, was gerade da ist.“
Der Wunsch ist durchaus realistisch, denn die Südoststeiermark soll eine Bio-Modellregion werden. „Und wenn man selbst mehr in diese Richtung geht, ist das auch ein Anreiz für die Lieferantinnen und Lieferanten. Der Austausch ist ja da, es wird viel kommuniziert und man darf mitreden bei dem, was angebaut wird.“
Christina ist Quereinsteigerin. Zuerst war sie Volksschullehrerin, dann 15 Jahre lang Flugbegleiterin. „Da bin ich in der Welt herumgeflogen und hab in allen möglichen Küchen essen können“. Immer wieder machte sie Kochkurse, die asiatische Küche hat es ihr besonders angetan. Die Liebe zur Kulinarik gibt es schon länger. „Einmal ein Restaurant zu haben, diesen Traum hatte ich schon, als ich klein war.“
Wohnzimmeratmosphäre mit Schauküche
Der Traum sollte sich bewahrheiten und ein Zuhause bekommen. Und zwar in der Lounge 81, deren Zahl die Hausnummer benennt, wo das Haus mit der Wahnsinnsaussicht auf die grünen Hügel der Südoststeiermark steht – und sie und ihr Mann zu zweit das ganze Business schupfen. Es liegt wunderbar in der Natur etwas weg vom Schuss, sprich: Man muss schon gezielt hierherkommen, wenn man ihre fast täglich wechselnden Gerichte gustieren will.
Und das tut man, die Lounge 81 hat sich weit über die Grenzen des Bundeslandes hinaus allein durch Mundpropaganda einen Namen gemacht. „Es gibt keine fixe Speisekarte, ich mache die Menüs immer abhängig von dem, was gerade da ist“, sagt sie. Was es dann gibt, können die Gäste auf der schwarzen Kreidetafel nachlesen, die von Tisch zu Tisch gereicht wird. Das kann steirisches Sushi sein oder Wels-Curry, je nachdem. Oder sie lassen sich auf ein Überraschungsmenü ein, das ist sehr beliebt. Christina kocht die Gerichte in der Schauküche vor den Augen der Gäste. „Wir haben nur 18 Sitzplätze, da ist man sehr nah am Gast. Diese Wohnzimmeratmosphäre mag ich sehr.“
Wenn man in der Lounge 81 einkehrt, dann fühlt es sich ein bisschen so an, als würde man in eine Welt mit anderem Tempo eintauchen, wo die Sinne sich schärfen, der Puls runtergeht, man das Smartphone in der Tasche lässt und sich ganz auf das einlässt, was da ist: die Aromen und Konsistenzen, die Gerüche und Geschmäcker, die Natur und das Panorama, das Zwitschern der Vögel, die Holzbildhauer-Werke ihres Mannes Thomas Rauch. Für Christina ist das Haus mit der Kulinarik und der Kunst ein Ruhepol. „Ich habe einen sehr schönen Arbeitsplatz, dafür bin ich dankbar.“
Verankert in der Region und der Welt
Ihre Menüs beschreibt sie als kleine Weltreisen. Sie verwendet dafür aber fast ausschließlich Zutaten aus der Umgebung, die sie entsprechend würzt, verarbeitet und kombiniert, sodass ihr Faible für das Asiatische zur Geltung kommt. Die Bresse-Hühner, deren Fleisch als besonders edel gilt, kommen aus dem Bio-Geflügelbetrieb von Katharina und Patrick aus Tirol, die sich mit dem K&P Hendlhof in der Region niedergelassen haben, die Gemüseraritäten vom Bio-Gemüsehof Pranger, das weitere Fleisch von etwas weiter her, weil sie es in Bio-Qualität haben will.
„Ich wünsche mir, dass die Leute ruhiger werden, wenn sie genießen.“
Tiere verarbeitet sie „from nose to tail“, die eigenen Schafe sind davon ausgenommen: „Dazu sind wir emotional nicht in der Lage.“ Stattdessen grasen die flauschigen Tiere unterhalb der Terrasse, auf der die Gäste sitzen, fröhlich entlang. „Sie haben eigentlich keinen Job – außer Rasenmäher und Psychologen zu sein,“ sagt Christina. Wobei diese Funktionen zum Gesamterlebnis Lounge 81 beitragen, das mehr sein soll als der schnelle Konsum von Nahrungsmitteln. „Ich wünsche mir, dass die Leute ruhiger werden, wenn sie genießen. Dass sie sich Zeit nehmen und darauf besinnen, was sie eigentlich essen. Denn es ist nicht egal, was man zu sich nimmt.“
Dass sich im Untergeschoß die Werkstatt von Thomas Rauch befindet, der oben das Service übernimmt, passt da ganz gut ins Konzept. Sowohl in der Kunst als auch in der Kulinarik geht es ein stückweit darum, in etwas anderes einzutauchen, Schönheit zu spüren und sich dabei im besten Sinne zu verlieren. Während Thomas das aus dem Holz rausholt, was in ihm angelegt ist, tut das Christina einen Stock weiter oben in gewissem Maß auch mit den Produkten, die sie veredelt, indem sie aus ihnen den ureigenen Geschmack herauskitzelt und ihn mit ausgewählten Gewürzen anreichert. Eine gute Kombination an einem wundervollen Fleck Erde.