Der Pöllauberg im oststeirischen Joglland hatte schon immer eine Anziehungskraft. Vor 100 Jahren nahmen bereits Gäste die Anreise mit dem Zug samt anschließendem 15-Kilometer-Fußmarsch in Kauf, um unweit der berühmten Wallfahrtskirche im heutigen Naturpark-Gebiet die Sommerfrische zu verbringen. Ein Gästemagnet ist dieser Platz immer noch, und das liegt an Ulli und Hermann Retter, dessen Familie schon 1886 an diesem schönen Flecken Erde eine Landwirtschaft mit Gasthaus betrieb, das genau 100 Jahre später von Hermann in ein Seminarhotel verwandelt wurde. Einzigartig inmitten von Bio-Obstgärten gelegen, zieht heute das zum Bio-Natur-Resort ausgebaute Schmuckstück seine Gäste an. Auszeichnungen sonder Zahl von der 20-fachen Kür zum Seminarhotel des Jahres über den „Hermes Wirtschaftsaward in gelebter CSR“ bis hin zum besten Zero-Waste-Hotel sind die sichtbare Bestätigung dafür, vieles richtig zu machen.
Dahinter steht die Haltung, alles im Einklang mit der Natur und unter den Prämissen Achtsamkeit und Nachhaltigkeit zu gestalten. Auch das ist für die Gäste sichtbar – von der Ausstattung der Zimmer bis hin zu den Köstlichkeiten, die im Restaurant auf die Teller gezaubert werden.
„Beim Retter wollen wir es immer ganz wissen. Halbe Sachen sind nicht unser Ding, und nach diesem Motto leben wir auch Nachhaltigkeit im Haus.“
30 hausgemachte Backwaren
Die Landwirtschaft, mit der einst alles begonnen hatte, gibt es immer noch – nur ist sie seit mittlerweile 32 Jahren biozertifiziert. So wie seit gut 20 Jahren auch die Küche im Haus und das angeschlossene Bio-Gut, eine ehemalige Schnapsbrennerei, in der heute unter anderem drei angestellte Bäcker jeden Tag 30 verschiedene Backwaren produzieren: „Und das alles mit Getreide aus dem Pöllauer Tal – das ist ein komplett geschlossener Kreislauf“, sagt Chefin Ulli Retter nicht ohne Stolz.
Ebenso werden die Früchte der eigenen Bio-Landwirtschaft zu Speiseeis, Säften und feinsten Destillaten veredelt. Diesen Kreislauf hat sie, wie auch ihr Mann Hermann, schon in jungen Jahren verinnerlicht: „Wir sind beide Landwirtschafts- und Wirtshauskinder. Da bekommt man auch bei den Tieren diesen Kreislauf vom Füttern bis zum Schlachten mit – und auch, dass alles verwertet werden kann und man nichts wegwirft.“ Deshalb wird beim Retter auch der Zero-Waste-Gedanke ganz großgeschrieben.
Aber auch wenn vieles in diesem besonderen Haus mit Rückbesinnung auf Werte und mit Erfahrungen aus Kindertagen zu tun hat, ist das Bio-Natur-Resort am Pöllauberg ein Haus mit klarer Vorwärtsausrichtung. „Es ist ein lebender Organismus, in dem Weiterentwicklung und Veränderung ganz entscheidend sind“, sagt Ulli: „Lernen war immer unser Thema, und wir sind immer drangeblieben. Das verleiht Stabilität und uns dadurch viel Kraft, immer alles lupenrein durchzuziehen, egal was es kostet. Bio kostet natürlich – aber viel mehr kosten die Folgeschäden einer konventionellen Ernährung und der Verlust der Artenvielfalt.“ Diese Einstellung, sagt die quirlige Hausherrin, musste sie aber nicht lernen, sondern die war „schon immer in mir drinnen.“
„Bio ist keine Frage von Geld, sondern eine von Bildung – und eine innere Haltung, die wir beim Retter vorleben.“
Nachhaltigkeit erzeugt „Tragende Seelen“
Es ist eine Einstellung, die an die mittlerweile 130 Mitarbeiter:innen weitergegeben wird, auch schon an die aktuell 16 Lehrlinge: „Die lernen bei uns auch Gemüse fermentieren oder Marmelade einkochen. Ein Lehrling, der bei uns war, geht später einmal mit einer ziemlich breiten Basis raus ins Leben.“ Die breite Basis haben Ulrike und Hermann auch im Betrieb gelegt – weit über die seit bald 25 Jahren von Jürgen Archam geleitete Küche hinaus.
Das Hotel mit seinen 116 Zimmern und Suiten ist ökologisch und energieeffizient gebaut – mit viel Holz, Lehm und Glas, mit Photovoltaik-Anlage und Regenwassertanks für Toilettenspülung und Bewässerung, Biomasseanlage und Wärmerückgewinnung: „Wir sparen auf diese Weise jährlich mindestens vier Millionen Liter Trinkwasser und eine Million Kilogramm CO₂-Ausstoß ein“, rechnet Ulli vor.
„Ich habe eine Vision: Die regionale Landwirtschaft und die Kolleg:innen von Bio so zu überzeugen, dass der Naturpark Pöllauer Tal in absehbarer Zeit ein 100-Prozent-Bio-Naturpark wird.“
Diese Einstellung spricht nicht nur Gäste an, sondern wirkt sich auch auf Mitarbeiter:innen aus, denen beim Retter ein eigenes Restaurant für die Verpflegung zur Verfügung steht: „Die Menschen, die bei uns arbeiten, werden mit den Jahren tragende Seelen“, zeichnet Chefin Ulli ein wunderschönes Bild davon, wie sich Nachhaltigkeit verwurzeln lässt. Das fällt natürlich leichter, wenn „Enkeltauglichkeit“ keine Worthülse und keine verordnete Verpflichtung ist, sondern ein gemeinsames Anliegen, dessen Umsetzung Spaß macht.
Den macht es im Bio-Natur-Resort Retter ganz offensichtlich – von der Chefetage bis zu den Lehrlingen. Und natürlich den Gästen, die nicht nur im ersten Bio-Organic-Spa Europas relaxen können, sondern bei Spaziergängen mit den Chefleuten im Naturpark-Gebiet auch viel über deren Philosophie lernen – und die Resultate zum Beispiel in den Biodiversitätsgärten mit über 100 verschiedenen alten Obstgärten auch sehen und erschmecken können.