
„Die Frage ist falsch gestellt, wenn wir nach dem Sinn des Lebens fragen. Das Leben ist es, das Fragen stellt“, hat Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, gesagt. Bei Nicolas Engel ist es vielleicht nicht die Sinnfrage, die sich Tag für Tag aufdrängt, zumindest nicht explizit. Eher jene nach der Speisekarte. Er hat sich unbewusst am Frankl-Denken ein Beispiel genommen und fragt nicht: Was soll auf die Speisekarte? Hingegen schaut er, was die Produzentinnen und Produzenten aus der Region gerade anbieten, und arbeitet mit dem, was schon da ist. „Ich richte mich beim Menü nach dem, was ich bekomme“, sagt er. Die Tiere – u.a. Mangalitzaschweine, Hühner, Rinder – und das Gemüse holt er sich vom Biohof Mattes im wenigen Autominuten entfernten Großstelzendorf. Von befreundeten Jägerinnen und Jägern bekommt er Wild. 90 Prozent der Produkte bezieht er aus der Region.
Sein Fine-Dining-Restaurant hat er im August 2023 eröffnet. Es war Zufall und auch wieder nicht. „Ich wohne in Hollabrunn und das Lokal ist in Hollabrunn.“ Als er hörte, dass das ehemalige Marcella’s frei wird, überlegte er nur kurz, bevor er es übernahm. Es gibt Gelegenheiten, die kommen nie wieder. Das erste Jahr war ein Auf und Ab, wie er sagt. Aber langsam pendle es sich ein. Größer wolle er ohnehin nicht werden.
Man muss dazu wissen, dass „Nico’s Auszeit“ fast eine One-Man-Show ist. „Meine Freundin hilft mir im Service und sonst mach ich alles allein, vom Kochen bis zum Tischtücherwaschen.“ Das Lokal hat von Mittwoch bis Samstag geöffnet, immer abends. Das Mittagsgeschäft hat er ausprobiert, aber es hat sich nicht rentiert. Montag und Dienstag kauft Nico ein, sonntags lädt er Freunde und Freundinnen zum Vorkosten ein: „meine Versuchskaninchen.“ So entsteht die wöchentlich wechselnde Speisekarte.
„Ich will es klein halten, persönlich. Mit den Gästen plaudern.
Ich mag es nicht, wenn sie merken, dass man gestresst ist.“
Gelernt hat Nico bei Willi Dungl in Gars am Kamp, seine Handschrift hat er durch die Arbeit in Wagners Wirtshaus (zwei Hauben) in Hollabrunn und „Das Wolf“ in Langenlebarn (drei Hauben) verfeinert. Signature-Dish gibt es kein dezidiertes. Gerne und öfter macht er aber geschmorte Selleriespiralen mit confiertem Eidotter oder Gebirgsgarnelen aus der Steiermark mit geschmortem Fenchel und Orangen-Wermut-Beurre-blanc. „Das mag ich selbst gern und das kommt immer gut an.“ Auch die Weine kommen aus der Region. In diesem Bereich arbeitet Nico mit Elisabeth Hausgnost zusammen, die eine Vinothek in der Nähe betreibt und gut im Pairing ist.
Botschafter der Innereien
Drinnen hat er 16 Sitzplätze, draußen 12. „Ich will es klein halten, persönlich. Mit den Gästen plaudern. Ich mag es nicht, wenn sie merken, dass man gestresst ist.“ Sie sollen eine Auszeit haben, wie der Name schon sagt. Direktes Feedback treibt ihn an: wenn es den Leuten wirklich schmeckt. Wenn sie ihre Voreingenommenheit gegenüber Innereien verlieren und sich an Zunge, Herz oder Leber vom Schwein, Kalb oder Rind heranwagen und erfreuen, dann ist auch Nico glücklich. Auch die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, lässt sich als Auszeit deuten. „Ich verarbeite immer am liebsten das ganze Tier.“
„Sieben Gänge machen Spaß. Da kann man zeigen, was man draufhat.“
Es gibt aber auch stets eine vegetarische oder vegane Option bei den gutbürgerlichen Wochengerichten, wie er sie nennt. Experimenteller kann es beim 5- bis 7-gängigen Überraschungsmenü werden. Nach Unverträglichkeiten und Ernährungsweisen fragt er aber immer vorab. „Sieben Gänge machen Spaß. Da kann man zeigen, was man draufhat.“ Manchmal werden es auch neun oder gar 13 Gänge. Dafür reisen so einige Gäste auch extra an. „Die meisten kommen von weiter weg“, sagt Nico. Fine Dining in Hollabrunn hat es in der Form noch nicht gegeben. Da leistet Nico Pionierarbeit in seiner Auszeit.